Videobesprechungen mit dem Hausarzt vom heimischen Rechner oder Tablet aus, statt Busfahrt in die nächste Stadt und längerer Aufenthalt im Wartezimmer – so könnten in Zukunft etliche Routinetermine im Gesundheitsbereich ablaufen. Im Kreis Höxter wird deshalb im Rahmen des Pilotprojektes „Dorf.Gesundheit.Digital“ getestet, wie die Digitalisierung des Gesundheits- und Pflegesystems im ländlichen Raum erfolgreich gestaltet werden kann. Ziel sei es, die Bürgerinnen und Bürger behutsam und qualifiziert an den Megatrend „E-Health“ heranzuführen, erklärte Landrat Michael Sticheln bei der Auftaktveranstaltung in der vergangenen Woche in Brakel-Istrup. Schließlich biete die Digitalisierung große Chancen, die Herausforderungen der flächendeckenden Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum zu meistern, ergänzte Brakels Bürgermeister Hermann Temme.
Technik testen und nutzen
Das vom Bundesinnenministerium geförderte und vom Kreis Höxter getragene Projekt will die digitalen Techniken dabei ganz bewusst mit Bedacht an die Menschen herantragen. Diese sollen sich ohne Druck im geschützten Umfeld – zu Hause oder in bekannten Treffpunkten vor Ort – damit auseinandersetzen, um ihre digitale Kompetenz zu stärken. Dazu werden in bis zu 30 Dörfern sogenannte Gesundheitskioske eingerichtet und für deren Betreuung jeweils zwei ehrenamtliche Gesundheits- und Pflegelotsen geschult. Diese kommen nach Absprache auch zu interessierten Dorfbewohnern ins Haus oder in örtliche Pflegeeinrichtungen.
Die Menschen sollen erfahren, wie sie digitale Angebote handhaben können und dann selbst entscheiden, was sie davon künftig nutzen möchten und was nicht. So sollen Ängste und Vorbehalte gegenüber Telemedizin und digitaler Welt abgebaut werden.
Getestet werden können beispielsweise VR-Brillen, spezielle Apps zur Einschätzung des persönlichen Sturzrisikos, der Pflegeroboter „Pepper“ oder auch smarte Fitnessgeräte zur Physiotherapie und Körperertüchtigung. Schließlich empfehlen aktuelle Studien der Weltgesundheitsorganisation WHO speziell den „jüngeren Senioren“ ab etwa 65 Jahren, ihren Gleichgewichts- und Koordinationssinn zu trainieren und die Muskelkraft zu stärken – und dies mindestens an drei Tagen pro Woche.
Gelebte Dorfgemeinschaft
Das alles ist in die Leitidee eines „sorgenden Dorfes“ eingebunden, erklärte Höxters Kreisheimatpfleger Hans-Werner Gorzolka. Der generationsübergreifende Ansatz bietet Chancen auf gegenseitige Hilfe: Die einen kennen sich gut mit der Nutzung von Smartphones und in den sozialen Medien aus. Andere haben vielleicht Erfahrungen beim korrekten Ausfüllen von Anträgen und Formularen, während wieder andere Dorfbewohner bereit und in der Lage sind, ab und zu einen Fahrdienst zu übernehmen. Auch in der digitalen Zukunft bleibt der Zusammenhalt in den Dörfern damit eine ihrer größten Stärken.
Viele Vorteile
Für die Menschen in den beteiligten Dörfern ergeben sich etliche Pluspunkte und Vorteile, wie Heidrun Wuttke und Katja Peine vom Projektteam erklärten:
- Sie lernen frühzeitig neue digitale Trends im Bereich Gesundheit und Pflege kennen. Der regelmäßige Umgang mit den Techniken schult und macht souverän.
- Die Digitalisierung bietet eine neue Qualität der gesundheitlichen Versorgung, an der auch die Menschen im Dorf aktiv teilhaben können. Dadurch bleibt die Autonomie der Menschen im häuslichen Umfeld (länger) erhalten.
- Mit dem Gesundheitskiosk entsteht ein zentraler Treffpunkt im Dorf, an welchem bei Bedarf in vielerlei Hinsicht geholfen wird. Das fördert das Gemeinwohl, forciert die Nachbarschaftshilfe, stärkt die Dorfgemeinschaft und verbessert insgesamt die Lebensqualität auf dem Land.
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