Pflege

Betreuungskräfte aus der Ukraine

Flüchtlinge aus der Ukraine dürfen in Deutschland arbeiten, zum Beispiel in der häuslichen Betreuung Pflegebedürftiger. Dabei gelten die gleichen gesetzlichen Regelungen wie für deutsche Kräfte.

Einerseits fragen sich manche Familien, die ukrainische Betreu­ungskräfte beschäftigen, ob diese überhaupt kommen. Andererseits würden einige Flüchtlinge, die aus der Ukraine nach Deutschland kommen, hier gerne in der Pflege oder in der häuslichen Betreuung arbeiten. Unter welchen Voraussetzungen ist das möglich? Dr. Susanne Punsmann, Referentin Recht beim Pflegewegweiser der Verbraucherzentrale NRW, gibt Antworten.

Bisher häufig illegal beschäftigt

Konkrete Zahlen dazu, wie viele Betreuungskräfte aus der Ukraine derzeit in Deutschland im Einsatz sind, gibt es nicht. Bekannt ist aber, dass bereits vor dem Krieg Ukrainerinnen in deutschen Privathaushalten in der Pflege beschäftigt waren. „Bis dato durften diese bis zu 90 Tage einreisen, aber nicht arbeiten. Gleichwohl haben das viele Ukrainerinnen getan, sodass die Beschäftigung als illegal einzu­stufen war“, sagt Dr. Susanne Punsmann.

Es gab zudem die Möglichkeit, dass Ukrainerinnen und Ukrainer bei einem polnischen Unter­nehmen angestellt waren und mit einem speziellen Visum (Vander-Elst-Visum) legal nach Deutschland kamen. Einige wenige haben auch über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ihre Ausbildung anerkennen lassen und sind zum Arbeiten nach Deutschland gekommen. Die meisten Betreuungskräfte aus der Ukraine waren jedoch keine Pflegefachkräfte und kamen ­ohne entsprechendes Visum bzw. Arbeitserlaubnis hierher.

Neue Richtlinie erleichtert die legale Beschäftigung

Das hat sich geändert: Mit der Umsetzung der Richtlinie 2001/55/EG können sich Ukrainerinnen und Ukrainer jetzt mindestens ein, maximal drei Jahre in Deutschland aufhalten und eine Arbeitserlaubnis erhalten, erklärt die Expertin. Dazu müssen sie bei der Ausländerbehörde einen Antrag auf vorübergehenden Schutz nach § 24 Aufenthaltsgesetz stellen. Sie erhalten dann eine Fiktionsbescheinigung, die sie zur Aufnahme einer selbstständigen oder unselbstständigen Tätigkeit berechtigt.

Keine Versorgungslücken erwartet

Familien, die Sorge haben, dass ­ihre ukrainische Betreuungskraft aufgrund des Krieges in ihrem Heimat­land nicht kommt, kann Dr. Susanne Punsmann zumindest in einem Punkt beruhigen: „Wenn diese Pflegekraft von einer polnischen Firma vermittelt wurde, muss die polnische Firma für Ersatz sorgen. Versorgungslücken befürchten wir derzeit nicht.“

Auch Schwierigkeiten bei der Bezah­lung der Beschäftigten aufgrund von Problemen im Bankensystem sieht die Referentin eher nicht. Waren die Ukrainerinnen in der Vergangenheit illegal beschäftigt, hätten sie den Lohn vom Pflegebedürf­tigen oftmals bar erhalten. War eine deutsche oder polnische Agentur dazwischen geschaltet, ging das Geld an die Agentur. Da das polnische und deutsche Banksystem noch funktioniert, könne es nur Probleme geben, wenn die Agenturen das Geld an die Ukraine weiterleiten wollen. „Hier können wir nur hoffen, dass in Deutschland oder Polen Konten für die ukrainischen Arbeitskräfte eingerichtet wurden“, sagt die Rechtsexpertin.

Anspruch auf Mindestlohn

Dr. Susanne Punsmann geht davon aus, dass jetzt auch einige der Geflüchteten in Deutschland eine Beschäfti­gung in der Pflege oder der häuslichen Betreuung finden werden. Entscheidend sei dabei, dass die ukrainischen Kräfte die gleichen Lohnansprüche und sonstigen Rechte haben wie deutsche Kräfte. Die Grenze zwischen ­„Hilfe für die Geflüchteten“ und „Betreuungsdienstleistung“ dürfe nicht verwischen, warnt sie. „Wir haben schon Anfragen gehabt, ob Ukrainerinnen gegen Kost und Logis aufgenommen werden können. Das wäre deutlich zu wenig Bezahlung, wenn die Ukrainerin einen Pflegebedürftigen betreuen müsste.“ Hier muss, sofern es sich nicht um eine gelernte Pflegekraft handelt, mindestens der gesetzliche Mindestlohn von aktuell 9,82 € ­gezahlt werden, auch für die Bereitschaftszeit, zum Beispiel in der Nacht.

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