Vertical Farming

Senkrechtstart mit Tücken

Manch gefeiertes Start-up scheiterte an den hohen Bau- und Betriebskosten. Doch die Entwicklung bodenloser Produktionsverfahren geht weiter. Davon könnte auch die Landwirtschaft profitieren.

Sie starten auf dem Supermarkt, auf Zechengelände, im Industriegebiet, in der Wüste: Die neuen Farmer besitzen meist kein Land und beackern karge Plätze. Von dort wollen sie Menschen mit frischen Lebensmitteln versorgen. Wie das funktionieren könnte, formulierte 1999 erstmals der amerikanische Mikrobiologe und Ökologe Dickson Despommier. Aus seinen An­fängen des Vertical Farmings entwickelten sich weltweit Forschungsansätze und Unternehmen.

Dabei geht es um den intensiven Anbau von Nahrungs­pflanzen in künstlicher Umgebung. Die Pflanzen stapeln sich in Rinnen oder Regalen. Ihre Wurzeln werden mit Nährflüssigkeit besprüht oder schwimmen in spezieller Lösung, oft gedüngt von Fischen. Kunstlicht und Klimaanlagen sorgen für perfekte Wachstumsbedingungen. Die Firmengründer kommen aus dem Maschinenbau, aus der Chemie oder der Informatik.

Bei aller Faszination über eine vom Menschen kontrollierbare Lebensmittelproduktion bleibt aber die Wirtschaftlichkeit ein Schwachpunkt. So manches in den Medien und an den Börsen hochgejazzte Start-up kam ins Trudeln oder ist schon verschwunden, weil Bau- und Betriebskosten die Erträge auffraßen. Zudem ist die Kultivie­rung von Nutzpflanzen anspruchsvoller als einige Firmengründer vermuteten.

Solche Probleme gehen vor allem die Hochschulen an. Anders als bei den meisten Start-ups wachsen in ihren Pflanzenkammern auch nicht nur Salate und Kräuter. Die Wissenschaftler experimentieren mit Kulturen, die uns Menschen tatsächlich satt machen:

  • An der Technischen Universität München ­testen Agrarier Weizensorten, die in Klimakammern nach 60 Tagen dreschfähig sind.
  • Das Fraunhofer Institut in Aachen entwickelt mit dem Unternehmen Veganz vertikale Anbausysteme für proteinreiche Pflanzen wie Erbsen.
  • Süßkartoffeln wachsen an der Hochschule Osnabrück in Wasserlösung. Die Vegetationszeit ist 20 Tage kürzer. Knollen und Laub sind essbar.

Von der Landwirtschaft bei uns scheint das weit weg. Tatsächlich gibt es aber im Gemüse- und Erdbeeranbau schon vertikale Anbausysteme. Das nötige Fachwissen dafür erlangen junge ­Leute beispielsweise im Studium der Pflanzentechnologie. Klasse, wenn sie dann zu Hause auf ihren Betrieben ermutigt werden, das Gelernte in die Praxis umzusetzen.

Klar ist: Die anspruchsvolle, teure Produktion von Pflanzen muss auf jeden Fall dahin, wo sonst nichts wächst. Und diese Regionen werden weltweit immer größer. Andererseits passen manche Technologien auch in konventionelle Gartenbau- und Landwirtschaftsbetriebe, um effizienter und vom Wetter unabhängiger zu werden.

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