Gemüse selbst anbauen

Saatgut aus der Bücherei

Bibliotheken wecken und stillen die Leselust. Manche regen auch mit einem Verleih von Gemüsesamen zum Gärtnern an. Ein Blick in die Borkener Remigius-Bücherei zeigt, wie das System funktioniert.

Ein Tisch mit einem hölzernen Karteikasten und säuberlich gestapelten Infoblättern – das ist die Saatgut-Bibliothek in der Remigius-Bücherei in Borken. An zentraler Stelle vor der Buchausgabe hat die Verleih-Station ihren Platz gefunden. Denn Angela Hoves, Leiterin der Einrichtung, möchte Besucher zum Stöbern anregen. Aus dem Saatgut-Kasten ragen Pappschilder: Tomate, Edamame, Salat, Melde, Bohnen. „Das sind Gemüsearten, deren Anzucht aus Samen gut gelingt. Sie sind einjährig und bis auf Melde selbstbefruchtend. Daher sind sie für Gartenneulinge geeignet“, erklärt Angela Hoves.

Zu jeder Saatgutausleihe gehören Infos zur Gemüseanzucht und eine leere Tüte für die selbst geernteten Samen. (Bildquelle: Laarmann)

Mindesten 2 m2 Beet

Von diesen Gemüsearten lassen sich außerdem leicht Samen für die nächste Aussaat abnehmen. Das Saatgut und die Infomaterialien bezieht die Bücherei vom Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt (VEN). Kostenlos ausleihen kann jeder, der einen Büchereiausweis und mindestens 2 m2 Erde für den Gemüseanbau im Hochbeet oder im Garten hat. Er bekommt pro Gemüseart zwei Papiertütchen ausgehändigt. Die eine enthält eine Portion Samen. Die andere ist leer und soll mit dem selbst gewonnenen Saatgut gefüllt und in die Bücherei zurückgebracht werden.

Bei Bohnen sind die Samen reif zur Ernte, wenn sich die Hülsen bräunlich färben. (Bildquelle: Laarmann)

So weit die Theorie. In der Praxis zeigt sich, dass der Saatgut-Kreislauf mehrere Sollbruchstellen hat. „2023 war kein Tomatenjahr. Dementsprechend schlecht war der Rücklauf an Samen“, erklärt Angela Hoves. Hinzu kommen andere Gründe: Mal verfrieren die jungen Gemüsepflanzen oder werden aufgefressen. Solche Erfahrungen können frustrieren, vermitteln aber auch, dass eine gute Ernte keineswegs selbstverständlich ist.

Blühen lassen

Zu jeder Gemüseart im Samenverleih gibt es einen Steckbrief. Nachzulesen ist darin beispielsweise, dass Erbsen Dunkelkeimer sind. Deshalb müssen die Samen mindestens 3 cm tief ins Erdreich gelegt werden, damit sich daraus Pflanzen entwickeln. Salat ist dagegen ein Lichtkeimer. Seine Samen werden in flachen Rillen abgelegt, die nur dünn mit Erde bedeckt werden dürfen. „Außerdem bekommen Saatgut-Ausleiher alle vier bis sechs Wochen eine Infomail vom VEN, wenn sie dies wünschen. Darin ist beispielsweise auch die Samenernte erklärt“, ergänzt Angela Hoves.

Gelingt der Gemüseanbau, darf der Großteil der Ernte verspeist werden. Laut Anleitung der Saatgut-Bibliothek reichen bei Salat beispielsweise drei bis fünf Pflanzen für die Samenernte. Wichtig zu wissen: Wer die ersten blühenden Salate als Samenspender nutzt, fördert durch seine Auswahl das frühe Schießen, obwohl diese Eigenschaft bei Salat unerwünscht ist. Erfahrene Samengärtner wählen als Saagutspender Pflanzen, die erst Köpfe bilden und danach mit der Blüte beginnen. So selektieren sie auf spätes Blühen. Damit die Samen möglichst lange an der Pflanze reifen können, muss der Salat früh gesät werden. März bis Mitte April ist die passende Zeit.

Nur bei samenfesten Sorten lohnt es sich, einzelne Pflanzen zur Blüte kommen zu lassen, um selbst Saatgut abzunehmen. (Bildquelle: Imago/CHROMORANGE )

Viel einfacher als bei Salat, dessen Samen durch Regen verfaulen können oder bei starkem Wind mit Schirmchen leicht wegfliegen wie Löwenzahn, ist die Samenernte bei Bohnen. Die Schoten von kräftigen Pflanzen bleiben möglichst lange hängen. Erst wenn sich die reifen Hülsen bräunlich färben, löst man die Bohnenkerne heraus und lässt sie ausgebreitet trocknen.

Wissen vermehren

Um solche Hintergründe zu erklären, bot die Remigius-Bücherei zusammen mit der Volkshochschule Seminare zum Gemüseanbau und zur Samenernte an. Auf dem Schulbauernhof der Borkener Montessorischule konnten Interessenten beispielsweise mithelfen, Radieschensamen aus den getrockneten Hülsen zu ernten. Sie lernen, dass man bei Möhren viel Geduld haben muss, um an die Samen zu kommen. Denn Möhren sind zweijährig. Im Jahr nach der Aussaat bilden sie Blattgrün und die Wurzel. Nur wenn Pflanzen auf den Beeten überwintern, kommen sie im folgenden Frühjahr zur Blüte und bilden dann Samen.

Wer aussäät muss auch wissen, wie Pikieren geht und was junge Gemüsepflanzen zum Wachsen brauchen. (Bildquelle: Laarmann)

Eine Nische für wenige

Auch in diesem Frühjahr wird die Remigius-Bücherei Saatgut zum Ausleihen anbieten. „Da der Rücklauf an Samen 2023 nicht so gut war, bestellen wir beim VEN frisches Saatgut“, so Angela Hoves. Die anfängliche, auch durch die Pandemie bedingte Begeisterung für den Gemüseanbau mit Leihsaatgut ist zurückgegangen, bedauert die Bücherei-Leiterin. „Viele Menschen haben das Gefühl verloren, sie könnten etwas verändern. Sie sind in ihren alten Trott zurückgefallen.“

Samenfestes Saatgut

Für das Bibliothekenprojekt eignen sich nur samenfeste Gemüsesorten. Im Gegensatz zu Hybridsorten sind sie sortenrein und nachbaufähig. Das bedeutet: Aus ihren Samen entstehen Tochterpflanzen mit denselben Eigenschaften wie die Elternpflanzen. Anders ist das bei Züchtungen aus verschiedenen Elternsorten. Im Handel sind sie am Kürzel F1 zu erkennen. Aus ihren Samen können den Eltern ähnliche Tochterpflanzen heranwachsen. Es können aber auch Pflanzen mit ganz anderen Eigenschaften entstehen. Es gibt heute für Hobbygärtner etliche Bezugsquellen für samenfeste Traditionssorten von Gemüse und Kräutern, etwa:

  • Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt – Er gibt eine kostenpflichtige Saatgutliste heraus, die Direktbestellungen bei Saatguterhaltern ermöglicht, www. nutzpflanzenvielfalt.de
  • Dreschflegel Saatgut – Das ist ein Erhalternetzwerk aus 18 Höfen, www.dreschflegel-saatgut.de
  • Saatgutbörsen und Tauschfestivals – Etwa in Bielefeld, am 3. März 2024 von 14 bis 17 Uhr in der VHS, Ravensberger Park 1.
  • Versandgärtnereien – Inzwischen gibt es in diesem Marktsegment sehr viele Anbieter. Pioniere sind beispielsweise Biohof Jeebel, www.biogartenversand.de, oder Bingenheimer Saatgut, www.bingenheimersaatgut.de.

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