Imker Josef mag Verblühtes. Wenn Wiesensalbei und Gewöhnlicher Natternkopf ihre blauen Blüten abwerfen und die braunen Fruchtstände reifen, macht sich der Naturliebhaber startklar zur Ernte. Mit scharfer Schere trennt er die samentragenden Stängel ab und sammelt sie in Wannen. Und dann ab damit ins Gewächshaus. Später kommt hier die Feinarbeit: Schütteln, Sieben und Sortieren. An kalten Wintertagen folgt das Abfüllen mit geeichten Löffeln und das Etikettieren der Samenpackungen. „Viele Wildblumensamen sind sehr leicht und klein. Die Ausrüstung zur Samengewinnung habe ich mir selbst ausgedacht“, berichtet Josef Berkemeyer. Sie reicht von Küchen- und Apothekersieben in 13 Maschenweiten über einen speziellen Schleuderraum bis zu selbst gestalteten Samentüten. Dass der Gärtner einmal eine Leidenschaft für alles entwickelt, was wild wächst, hätte keiner gedacht. Er selbst am wenigsten.
Artenvielfalt schwindet
Der 64-jährige Unternehmer aus Emsdetten, Kreis Steinfurt, verdiente viele Jahre mit dem Pflanzenhandel sein Geld, ehe er auf Gartengestaltung und -pflege umsattelte. 2017 entdeckte er das Imkern als Hobby für sich. Seitdem halten nicht nur seine Bienen Ausschau nach Nektar- und Pollenquellen, sondern auch ihr Besitzer. Und dabei stellte Berkemeyer fest: Für Insekten ist weder in der freien Natur noch in den Gärten genug zu holen. Dabei geht es seinen Honigbienen vergleichsweise gut. Denn sie können eine Vielzahl an Nahrungspflanzen nutzen.
Schlechter dran sind alle Tiere, die auf bestimmte Wildpflanzen spezialisiert sind. Josef Berkemeyer wollte zumindest in seinem Einzugsbereich gegensteuern. „Auf meinem Betriebsgelände verzichte ich seit einigen Jahren auf Herbizide und bin erstaunt, wie schnell sich die Wildpflanzen und Insekten das Terrain zurückerobern“, sagt er. Mit wachsendem Interesse erforscht der Gärtnermeister die Welt der wilden Pflanzen. Ob Schafgarbe oder Lichtnelke, Leimkraut oder Wiesenflockenblume: Früher waren diese Pflanzen an Wegrändern und in Wiesen zu finden. Heute sind sie Raritäten. „In größeren Mengen sehe ich nur die Wildpflanzen, die reichlich Stickstoff vertragen, etwa Brombeere, Kanadische Goldrute, Drüsiges Springkraut und Brennnessel“, ordnet der Gärtnermeister ein. Anders als diese Arten mögen die meisten Wildpflanzen magere Böden.
Mehr Natur zulassen
Dass Gartenbesitzer sich mehr als früher für Pflanzen mit Insektennährwert interessieren, spürt der Gärtnermeister im eigenen Betrieb, den sein Sohn André weiterführen wird. „Bei Anfragen zu Gartenplanungen geht es inzwischen auch um Naturnähe“, stellt der Unternehmer fest. Was das bedeutet? „Wir ermutigen die Gartenbesitzer, Liguster- statt Koniferenhecken zu pflanzen. Totholz darf in einer Gartenecke liegen bleiben. Statt Prachtstauden lassen sich Wildstauden wie Kratzdisteln oder Malven pflanzen“, nennt Berkemeyer einige Beispiele.
Eine Auswahl an Wildstauden in Form von Jungpflanzen und Saatgut produziert der Gartenbaubetrieb inzwischen selbst. Auf seinen Kulturflächen stehen beispielsweise Malven, Wilde Karden, Nachtkerzen, Heilziest und Odermennig in Töpfen.
Gebietsheimisches Saatgut
Seine Wildpflanzen-Aktivitäten vermarktet der Gärtner unter dem Namen „Imker Josef“. Er ist Partnerbetrieb des Bundesprogramms „Tausende Gärten – Tausende Arten“. Das startete 2020 mit dem Ziel, das Wissen über Naturgärten zu fördern und auch das Angebot an kultivierten Wildpflanzen für Gärten zu erhöhen. Beim naturnahen Gärtnern geht es darum, möglichst viele gebietsheimische Pflanzen zu verwenden. Seine Mutterpflanzenbestände baut der Gärtner mit Saatgut des zertifizierten Anbieters Rieger-Hofmann aus dem Herkunftsgebiet 2 auf. Im Bundesprogramm für Artenvielfalt ist Imker Josef dem Naturraum Nord zugeordnet und versendet Saatgut und Pflanzen an Kunden aus dieser Region. Abseits dieses Programms kann jeder bei ihm bestellen und erhält eine Erläuterung zum Umgang mit Wildpflanzensamen, die mindestens zwei Jahre haltbar sind.
Josef Berkemeyer kennt Emsdettens Wildpflanzenbestände wie seine Westentasche. Er sammelt aber nur sehr begrenzt abseits seiner Gärtnerei. Die Samen des Blutweiderichs erntet der Naturliebhaber beispielsweise am Bienenweidelehrpfad.
Ernte per Staubsauger
Direkt vor Berkemeyers Bürofenster gibt es eine Brachfläche mit Potenzial. Hier steht reichlich Wiesen-Pippau, eine gelb blühende, löwenzahnähnliche Pflanze. Nach der Blütezeit sieht man den Gärtner abends, wie er das Grundstück systematisch abschreitet. In der Hand trägt er einen Staubsauger, dessen Rüssel die leichten Samen direkt in den Papierbeutel befördert. Das Saatgut verschickt der Profi bereits im Winter. Denn mit der Aussaat des Wiesen-Pippaus beginnen Naturgärtner ab Februar.
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