Intelligente Sensorsysteme

Digitaler Kuhstall

Viele Abläufe auf Milchviehbetrieben werden seit Jahren automatisiert und digitalisiert. Welche Systeme bieten welche Möglichkeiten?

Automatisierte Systeme und digitale Technologien sind in der Milchviehhaltung schon lange vertreten: Von der automatisierten Brunstüberwachung bis zur tierindividuellen und leistungsabhängigen Zuteilung von Kraftfutter. Der Trend geht zu intelligenten Sensorsystemen im Stall. Diese sollen Landwirte dabei unterstützen, die Tiergesundheit zu überwachen, Prozesse zu optimieren und Managemententscheidungen zu treffen.

Prozesse im Stall, wie Futter anschieben, sind bereits auf einigen Milchviehbetrieben automatisiert. (Bildquelle: Lütke Hockenbeck)

In Bezug auf das Verhalten und die Gesundheit der Tiere können Assistenzsysteme helfen, Aktivitäten, Brunstverhalten sowie Aufenthaltsorte der Kühe zu erkennen. Ein weiterer Anwendungsbereich von Assistenzsystemen liegt in der Automatisierung bestimmter Prozesse:

  • automatisches Melken,
  • automatisches Füttern,
  • Futteranschieberoboter,
  • Laufflächenreinigungsroboter,
  • automatisierte Einstreu-Systeme.

Um die Potenziale und Vorteile der einzelnen Systeme bestmöglich zu nutzen, sollten sich Betriebe vor einer Investition klarmachen, wo die eigenen Anforderungen und Ziele durch den Einsatz eines Assistenzsystems liegen.

Welches System passt?

Klar ist, dass es nicht die eine Lösung für alle Höfe gibt. Jeder Betrieb sollte abwägen, welche Kriterien wichtig für ihn sind:

1. Funktionen: Viele Systeme sind in der Lage, mehrere Parameter gleichzeitig zu erfassen. Die Parameter werden zu verschiedenen Hinweisen verarbeitet. Diese können neben der klassischen Brunsterkennung auch zur Gesundheits- und Geburtsüberwachung genutzt werden. Messbare Parameter sind:

  • Messung der Aktivitäts- und Ruhephasen (Bewegung),
  • Fressaktivität/Fresszeiten,
  • Wiederkauaktivität,
  • Körpertemperatur (außen/innen),
  • Positionsbestimmung im Stall,
  • Tracking der Tiere,
  • Sensoren in der Melktechnik (Leitfähigkeit, Zellzahl, Fett-Eiweiß, …).

2. Anbringung der Sensorik am Tier: Hier geht es neben der Funktionalität auch um die Wünsche des Landwirts. Sensoren können an verschiedenen Stellen positioniert werden:

  • Halsbandresponder,
  • Ohrmarken,
  • Pedometer,
  • Bolisysteme,
  • zukünftig KI-basierte Systeme, die das Verhalten der Tiere zum Beispiel über Kameras oder Mi­krofone automatisch erkennen können.

Abhängig von der Positionierung sind die Funktionsweisen möglich oder eingeschränkt. So kann zum Beispiel ein Pansenbolus nur die Körperinnen- und nicht die Körperaußentemperatur messen.

3. Auswertung der erfassten Daten: Eine Entscheidungsgrundlage bietet auch die Art und Weise, wie die Systeme die erfassten Daten auswerten und aufbereiten. Die meisten Systeme sind heute in der Lage, mithilfe von Algorithmen und Vorhersagemodellen eine erste Auswertung der Sensordaten zu er­stellen und dem Landwirt zur ­Verfügung zu stellen. Wie diese dargestellt werden, variiert von System zu System:

  • Software-Lösungen – lokal am PC nutzbar,
  • mobiles Arbeiten,
  • Dashboard-Lösungen – von allen Endgeräten mit Internet-Zugang nutzbar, browserbasiert,
  • App-Anwendungen mit Push-Benachrichtigungen,

Schnittstellen zu anderen Programmen wie zum Beispiel Herdenmanagementprogrammen zur Kommunikation der Systeme auf dem Betrieb untereinander und mit externen Institutionen wie dem Landeskontrollverband (LKV) oder dem Vereinigten Informationssystem Tierhaltung (VIT).

Prozesse überwachen

Neben diesen Einsatzgebieten der Assistenzsysteme besteht auch noch die Möglichkeit der Prozessüberwachung und Steuerung. Ein Beispiel dazu ist die Steuerung von Lüftungs- und Kühlungssystemen im Stall. Intelligente Steuerungssysteme nutzen die Werte von Sensoren, die beispielsweise die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit im Stall messen, um die Technik automatisch zu starten oder zu stoppen, wenn der Bedarf da ist.

Ebenso gibt es Systeme, die in der Lange sind, Prozesse auf den Milchvieh haltenden Betrieben zu überwachen und zu dokumentieren. Dazu zählt zum Beispiel das Überwachungssystem des Milchtankes, der die kontinuierliche Kühlung der Milch kontrolliert und dokumentiert.

Bei der Vielzahl der Systeme und deren Anwendungsbreite wird es zukünftig immer wichtiger, auf die Möglichkeiten des Datenaustausches der Systeme untereinander und auf einheitliche Benutzeroberflächen zu achten.

Für eine erfolgreiche Etablierung der Digitalisierung auf Milchviehbetrieben sind diese Voraussetzungen in Zukunft unabdingbar. Hier sind besonders die Hersteller der Systeme gefragt. Es geht darum, Informationsverluste beim Herdenmanagement zu vermeiden und für die ­lückenlose Dokumentation der ­Daten vom Kalb bis zur Kuh effiziente und einfache Lösungen für die Milchviehhalter zur Verfügung zu stellen.

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