Bringt ein Rahmenvertrag...

Mehr Geld, mehr Bodenschutz?

Ist es besser, einen Rahmenvertrag zu nutzen, statt auf eigene Faust zu verhandeln, und was steht im Vertrag zu A-Nord? Das haben wir Hubertus Schmitte (WLV) gefragt, der den Vertrag mit verhandelte.

Welche Entschädigungen sieht der Rahmenvertrag vor, den die Bauernverbände in Westfalen-Lippe, Ostfriesland, Emsland und dem Rheinland mit Amprion für A-Nord ausgehandelt haben?

Schmitte: Da gesetzlich geregelt ist, dass Netzbetreiber bei Erdleitungen 35 % des Bodenverkehrswertes als Entschädigung für die Bodeneigentümer auf das Durchleitungsentgelt umlegen dürfen, war das das Maximum, das Amprion zahlen konnte. Dazu war Amprion bereit. Der Verkehrswert wurde auf den Zeitpunkt 1. Januar 2025 gemeindegenau berechnet. Hinzu kommt ein Beschleunigungszuschlag von 75 % dieser Entschädigung, aber maximal 2 €/m² Schutzstreifenfläche. Am Beispiel von Borken rechnet sich das so: 35 % von 18 €/m² Verkehrswert machen 6,30 €/m² Schutzstreifen. Bei einer Schutzstreifenbreite von 24 m ergibt das eine Entschädigung von 151,20 € pro laufendem Meter Leitung. Hinzu kommt der Beschleunigungszuschlag, der rechnerisch 75 % von 6,30 €/m², also 4,73 €/m² beträgt, aber auf 2 €/m² gedeckelt ist. Das macht nochmals 2 € x 24 m, also 48 € und damit insgesamt 199,20 €/laufendem Meter.

Zudem gibt es eine einmalige Aufwandspauschale von insgesamt 200 € für Eigentümer und 300 € für Bewirtschafter, macht zusammen 500 € für Selbstbewirtschafter.

Für Ertragsschäden sind Pauschalen vorgesehen, die sich an veränderte Märkte und Preise anpassen. Sie betragen nach jetzigem Stand für die Dauer der Bauphase 0,35 €/m², im 1. Folgejahr 0,16 €/m², im 2. Folgejahr 0,10 €/m² und im 3. Folgejahr 0,06 €/m².

Warum ist es besser, Ertragsschäden pauschal statt – wie gesetzlich vorgesehen – individuell auszugleichen?

Schmitte: Amprion spart die Gutachterkosten einer individuellen Ertragsschadenermittlung auf der gesamten Trasse von 300 km Länge. Für den Bewirtschafter entfällt der immense Zeitaufwand und Stress, mit Amprion über die Schäden zu verhandeln. Das soll aber nicht dazu führen, dass kein Ausgleich für extreme Schäden erfolgt. Daher hat der Bewirtschafter bei Rückgabe der Fläche, also nach Bau der Erdleitung und Rekultivierung, die Wahl zwischen pauschaler Regulierung und individueller.

Furchen, Verdichtungen, Vermischungen der Bodenschichten und kaputte Drainagen – in der Vergangenheit gab es schlechte Erfahrungen mit Bautrupps. Das soll beim Bau neuer Stromtrassen besser werden.

Wie werden spätere Ertragsdepressionen entschädigt?

Schmitte: Amprion sichert im Rahmenvertrag zu, Folgeschäden, die erst ab dem 4. Jahr nach Wiederaufnahme der Bewirtschaftung auftreten, zu entschädigen, wenn sie auf dem Bau beruhen. Eigentümer und Bewirtschafter können im 5. und 10. Jahr nach Wiederaufnahme der Bewirtschaftung eine Flächenbesichtigung mit Amprion verlangen. Zeigen sich hierbei wirtschaftliche Nachteile, gleicht Amprion diese ungeachtet zuvor gezahlter Entschädigungen vollständig und dauerhaft aus.

Wie lange mit solchen Ertragsdepressionen zu rechnen ist, ist schwer vorherzusehen. Bei guter baulicher Ausführung werden Langzeitfolgen heute deutlich besser vermieden als noch vor Jahren, als Schäden entstanden, auf die Landwirte und ihre Vorgänger noch heute mit Recht verweisen. Zudem ist bei Stromleitungen in der Erde noch unklar, ob die Wärme­entwicklung zu Ertragsdepressionen führt. Das muss weiter beobachtet werden.

Welche Verbesserungen gegenüber den gesetzlichen Regelungen sieht der Rahmenvertrag beim Bodenschutz vor?

Schmitte: Probleme treten besonders dann auf, wenn bei nassen Böden gearbeitet wird und es zu irreparablen Verdichtungen kommt. Daher bestimmt der A-Nord-Vertrag, dass bei kritisch hohen Wassergehalten im Boden, an jedem Bautag die Bodenfeuchte an die Untere Bodenschutzbehörde zu übermitteln ist. Das übernehmen von Amprion beauftragte Fachbüros, die sogenannte Bodenkundliche Baubegleitung (BBB). Ist der Boden wassergesättigt, müssen die Arbeiten ruhen, solange selbst unter Einsatz zusätzlicher technischer Maßnahmen irreparable Bodenstrukturschäden drohen. Sollte der Eigentümer oder Pächter den Bodenzustand für ungeeignet zum Bauen halten, kann er sich mit seinen Bedenken an die BBB wenden.

Verglichen mit den gesetzlichen Regelungen sind die Vereinbarungen zu wassergesättigten Böden meiner Meinung nach die wichtigsten Verbesserungen beim Bodenschutz. Zwar fordert auch das Bundesbodenschutzgesetz ein solches Schutzniveau. Ziel des Vertrages war es aber, zu dringend erforderlichen Maßnahmen Absprachen zu finden, über die statt Behörden die Beteiligten entscheiden.

Landwirtschaftliche Flächen betroffen

Was Sie zum Netzausbau wissen sollten

Der Netzausbau in Westfalen-Lippe erfolgt in Etappen. Landwirte und Flächeneigentümer sollten sich rechtzeitig informieren, ob ­ihre Flächen betroffen sind. Hier sind die wichtigsten Infos und...

Darüber hinaus sieht der Vertrag als weitere Bodenschutzmaßnahme das freiwillige Anlegen einer grünen Bautrasse vor: Diese stabile Grasnarbe soll Bodenschäden während der Bauphase verhindern. Das Gras sät der Bewirtschafter oder ein Lohnunternehmer neun Monate vor dem Planfeststellungsbeschluss aus. Die Kosten übernimmt Amprion und zahlt zudem ein Entgelt von 0,20 €/m² Baubedarfs­fläche. Bei Bautrassen auf Ackerland wird der Ertragsausfall gesondert honoriert.

Empfiehlt die BBB im Anschluss an die Rekultivierung eine Zwischenbewirtschaftung wie die Anpflanzung von Luzerne über drei Jahre, zahlt Amprion die Durchführung und einen Ersatz für den Ertragsausfall von 0,32 €/m² während der Zwischenbewirtschaftung und noch einmal 0,16 €/m² im Folgejahr plus 11,20 € je laufendem Meter Trasse für entstehende Wirtschaftserschwernisse.

Der Rahmen­vertrag erreicht das maximal mögliche Entschädigungs- und Sicherungsniveau.

Welche Vorteile sehen Sie für Landwirte, die den Rahmenvertrag für A-Nord nutzen, statt auf eigene Faust zu verhandeln?

Schmitte: Landwirte, die auf eigene Faust verhandeln, müssten – wollten sie einen ähnlich vollständigen Schutz erreichen – zahlreiche Details dieses immerhin 23 Seiten langen Vertrages bedenken. Dazu gehören Details der Bauausführung, der Ertragsschadenregulierung, Beweis- und Haftungs- aber auch Entschädigungs­fragen. All das erspart sich, wer einen Gestattungsvertrag unterzeichnet, der auf die Rahmenregelung Bezug nimmt. Aber auch dann muss der Landwirt noch verhandeln, ob nicht eine besondere Nähe der Leitung zur Hofstelle höhere Entschädigungen zur Folge hat, ob Spezialkulturen zu entschädigen sind, wie Wirtschaftserschwernisse vermindert werden können, ob die Weidehaltung während der Bauphase zeitweise umgestellt werden muss und so weiter. Also mehr als genug Fragen, mit denen der Einzelne noch befasst ist. Der Vertrag erreicht nach ­meiner Erfahrung aus den Verhandlungen das maximal mögliche Entschädigungs- und Sicherungsniveau.

Können Landwirte den Verlauf der A-Nord-Erdkabel noch beeinflussen?

Schmitte: Ja. Solange das Planfeststellungsverfahren nicht abgeschlossen ist, können Betroffene Einwendungen anmelden und so den Verlauf beeinflussen. Für viele Abschnitte läuft das Verfahren noch oder startet erst demnächst. Haben sie Bedenken, ist es am besten, so früh wie möglich auf Amprion zuzugehen, um die Trassenplanung zu beeinflussen. Das geht in den Informationsveranstaltungen, die Amprion organisiert. Das geht aber auch, indem sie sich direkt, etwa per Mail, an Amprion wenden. Sie müssen gar nicht viel schreiben. Entscheidend ist, dass sie klar machen, dass und warum eine bestimmte Trassenführung zu nah an der Hofstelle vorbeigeht oder zukünftige Bauvorhaben beeinträchtigen könnte. Amprion ist in der Regel durchaus offen für Gespräche, um Probleme im Vorfeld zu klären. Die Mitarbeiter in den Kreisverbänden des WLV unterstützen gerne dabei.

Furchen, Verdichtungen, Vermischungen der Bodenschichten und kaputte Drainagen – in der Vergangenheit gab es schlechte Erfahrungen mit Bautrupps. Das soll beim Bau neuer Stromtrassen besser werden.

Das nächste Großprojekt ist Korridor B, wofür bis jetzt nur der „Untersuchungs­rahmen“ feststeht, also der Vorschlag von Amprion an die Bundesnetzagentur, in welchem rund 1 km breiten Korridor die Trasse verlaufen soll. Wird die Bundesnetzagentur dem Vorschlag folgen?

Schmitte: Generell folgt die Bundesnetzagentur meist den Vorschlägen der Netzbetreiber, da diese sehr gut ausgearbeitet sind. Zudem: Hätte sie Bedenken, würde sie Amprion bereits im Vorfeld auffordern, Alternativen zu untersuchen und den Antrag an­zupassen. Aber rein rechtlich ist es möglich, dass sich ein anderer ­Korridor ergibt.

Was sollten Landwirte im Korridor tun, damit ihre Belange möglichst gut bei der Festlegung des Verlaufs der Leitung im Korridor berücksichtigt werden?

Schmitte: Landwirte, die Einwendungen gegen den Vorschlagskorridor erheben wollen, sollten sich an ihren Landwirtschaftlichen Kreisverband wenden. Denn derzeit ist es zwar noch zu früh für formalrechtliche Einwendungen, die erst im Planfeststellungsverfahren möglich sind. Die vorgelagerte Bundesfachplanung bezieht aber die Träger öffentlicher Belange ein, wozu auch der WLV gehört. Der Verband und seine Kreisverbände äußern also Vorschläge zum Korridor und können dabei Hinweise und Probleme betroffener Landwirte berück­sichtigen.

Gehen Sie so früh wie möglich auf Amprion zu, um den Verlauf der Erdkabel zu beeinflussen.

Laufen bereits Verhandlungen zu Rahmenvereinbarungen?

Schmitte: Nein. Zurzeit wird versucht, eine Verhandlungskommission zusammenzustellen, um ab Mai 2024 mit Amprion zu verhandeln. Einen Rahmenvertrag wird es aber auf jeden Fall geben, denn bisherige Erfahrungen mit Amprion zeigen, dass dort die Belange der Landwirtschaft durchaus gesehen werden und sinn­volle Kompromisse möglich sind.

Könnte der Rahmenvertrag zu A-Nord Basis für einen solchen zu Korridor B sein?

Schmitte: Davon gehe ich aus, auch wenn der A-Nord-Vertrag keine umfassende Bindungswirkung für Nachfolgeprojekte hat. Denn die jeweiligen Besonderheiten müssen neu berücksichtigt werden, vor allem die unterschiedlichen Bodenverkehrswerte und die Marktpreisentwicklung bezüglich der Ertragsschäden. Zudem müssen die Regelungen vor Ort bei den Be­troffenen erneut Zustimmung finden. Da der A-Nord-Vertrag sehr aktuell ist, spricht aber viel dafür, dass seine Grundsätze noch immer Akzeptanz finden.

Wie bewerten Sie die Verhandlungsposition des Einzelnen beim Leitungsbau?

Schmitte: Schwach. Sobald die Trasse durch den Planfeststellungsbeschluss genehmigt ist, kann der Netzbetreiber im Extremfall erreichen, dass der Bau auch gegen den Willen des Grundstückseigentümers durchgeführt wird. Und das auch, wenn die Entschädigungsfragen noch nicht geklärt sind. Diese werden dann in einem nachgelagerten Entschädigungsfestsetzungsverfahren geregelt. Sofern der Widerstand darauf ­beruht, dass der Grundstückseigentümer den Boden höher bewertet als im Vertrag angenommen, kann er dies durch einen Sachverständigen nachweisen lassen. So sieht es zumindest der Rahmenvertrag für A-Nord vor. Dann wird höher entschädigt.

Empfehlen Sie auf Zeit zu spielen, um die eigene Verhandlungsposition zu ver­bessern?

Schmitte: Nein. Das verschlechtert die eigene Position sogar. So sieht der Rahmenvertrag zu A-Nord einen Beschleunigungszuschlag vor, der nochmals 75 % der eigentlichen Entschädigung an den Eigentümer ausmacht und auf den verzichtet, wer nicht innerhalb von sechs Wochen ab Vorlage eines unterzeichnungsfähigen, ausge­handelten Gestattungsvertrages unterschreibt. Die Frist beginnt aber erst zu laufen, wenn alle berechtigten individuellen Fragen geklärt sind. Für den Korridor B wird es sicher Ähnliches geben.

Zur Person
Hubertus Schmitte, Justiziar des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV), hat den Rahmenvertrag zu A-Nord über rund zweieinhalb Jahre mit ausgearbeitet und verhandelt, ebenso wie den Rahmenvertrag beim Bau der ersten Pilotabschnitte zur Erdkabelverlegung in Raesfeld, Borken und Velen. Auch bei den Verhandlungen zu Korridor B hinsichtlich Entschädigungen und Bodenschutz wird er dabei sein.