Nudeln mit Bolognesesoße – eigentlich kein Hexenwerk. Denkste! Denn wenn man erstmal mal anfängt, zu hinterfragen, wo die Zutaten herkommen, dann stellt man fest, dass man kulinarisch eine kleine Weltreise macht. Denn viele Produkte, und wenn es nur einzelne Zutaten sind, kommen aus aller Herrenländer.
Lange herumeiern
Wir stehen vor dem Regal mit den Nudeln. „Eiernudeln?“ „Ja, find ich gut, aber mit Eiern aus Deutschland.“ Zwei oder gar drei Eier je kg Hartweizengrieß prangt auf einigen Packungen. Manche werben auch damit, dass die Eier aus Freilandhaltung stammen, andere markieren mit einem kleinen Sternchen, dass sie Eier aus Bodenhaltung verwenden. Sobald der Hersteller eine Angabe zur Haltungsform der Hühner macht, müssen übrigens alle enthaltenen Eier entsprechend produziert worden sein.
Und dann sind da noch andere Nudelpackungen. Auf ihnen finden wir keinerlei Angabe dazu, wie die Hühner gehalten wurden, von denen die Eier stammen - geschweige denn aus welchem Land sie kommen. Die Verbraucherzentrale NRW erklärt das so: „Für verarbeitete Produkte, wie Nudeln, sind grundsätzlich keine Herkunftsangaben vorgeschrieben. Verbraucher erfahren nicht, woher die Eier stammen.“ Dabei wäre es durchaus von Interesse. Immerhin importieren wir jedes vierte in Deutschland verzehrte Ei. Hauptlieferant sind die Niederlande. Doch auch polnische Eier kommen ins Land. Meist in Form von Eiprodukten, die dann in die Industrie gehen. Die Haltung von Legehennen in Polen erfolgt überwiegend, nämlich zu 75% in Käfigen. Doch das erfährt der deutsche Konsument nicht.
Wir stehen also ratlos vor dem Regal. Die Herkunftsländer der Eier können wir auf keiner der Nudelpackungen finden. Für mehr Informationen müssten wir die Hersteller kontaktieren – viel zu aufwendig für den Wocheneinkauf, der schnell gehen soll.
Alles selbst machen?
Wir müssten die Nudeln selbst herstellen. Denn bei der Kennzeichnung der Eier läuft es insgesamt schon ganz gut. Wir Konsumenten können uns am Erzeugercode auf den Eiern orientieren. So lobt die Verbraucherzentrale NRW: „Hier wird die Herkunftskennzeichnung ideal mit der Haltungsformkennzeichnung kombiniert.“ Wermutstropfen dabei: Das Geburtsland der Legehennen muss nicht gekennzeichnet werden. Dabei wäre das seit dem Verbot des Kükentötens in Deutschland durchaus interessant für uns Verbraucher.
Doch zum Nudeln selbst machen fehlen uns Kompetenz und um ehrlich zu sein auch die Zeit. Wir sichten also weiter das Nudelangebot in den Regalen: „Also nehmen wir normale Trockennudeln, die nur aus Hartweizengrieß und Wasser bestehen?“ „Aber hast Du eine Idee, wo der Hartweizengrieß herkommt?“
Italienische Nudeln aus „Nicht EU“
Die Außenhandelsstatistik zeigt, dass zwischen 10 und 20% des hierzulande benötigten 1,5 Mio. t Hartweizens (2020) in Deutschland gewachsen sind. Kein Wunder, dass deutsches Getreide auf keiner der Verpackungen im Regal vor uns ausgewiesen wird – italienisches hingegen schon. Zumindest will uns das die abgebildete italienische Flagge weismachen. Bei genauem Hinschauen fällt auf, dass es sich um Hartweizen handelt, der zwar in Italien vermahlen, aber aus der „EU und Nicht-EU“ stammt. Manch eine Packung trägt auch ein kleines Emblem. Es besagt, dass alle Zutaten aus dem südeuropäischen Land kommen.
Bei den Bionudeln finden wir die Herkunftsangaben direkt neben dem grünen Bio-Siegel mit dem weißen Blatt. Dort steht mit etwa 1,2 mm großen Buchstaben der Hinweis auf die Herkunft. Der Grieß stammt in unserem Fall aus der Europäischen Union, genauer gesagt aus Italien. Original italienische Nudeln also. Wir zucken mit den Achseln. „Etwas Regionaleres finden wir vermutlich nicht.“ Wir legen die Hartweizenvariante in den Korb.
Konserven mit Flagge
Nun aber zur Soße. Wir brauchen Tomaten. Die Konserven stehen links neben den Nudeln. Als erstes springt uns wieder die italienische Flagge ins Gesicht, die auf mehreren Konservendosen zu sehen ist. Hier scheint es also wieder „einfach“ zu sein, die Herkunft der Tomaten auszumachen. Sie stammen also aus Italien und nicht, wie oft in den Medien kommuniziert, aus China und wurden nur in Italien verarbeitet. Wir forschen nach: Befindet sich auf der Tomaten-Konservendose eine italienische Flagge und stammen die Tomaten aber nicht aus Italien, muss der Hersteller eine Herkunftsangabe für die Tomaten machen. „Hier reicht bereits der Hinweis, dass die Tomaten nicht aus Italien stammen oder unklare Angaben wie ‚EU und Nicht-EU‘“ erklärt uns die Verbraucherzentrale NRW. Analog zu dem in den Nudeln enthaltenen Hartweizengrieß.
Merkwürdig eigentlich, dass wir uns bei Tomaten schon freuen, wenn sie aus Italien kommen und nicht mal auf die Idee kommen, nach Tomaten aus Deutschland zu suchen. Da Tomaten gerade Saison haben lassen wir die Konservendosen stehen und gehen weiter in die Gemüseabteilung.
Ernteland ist Ursprungsland
Sechs verschiedene Tomatensorten, teils abgepackt, teils lose finden wir dort. Auf einer Packung steht: „Ursprung Tunesien, verpackt in den Niederlanden“. Bei pflanzlichen Produkten ist das Land, in dem die Ernte erfolgt, immer der „Ursprung“ – unabhängig davon, ob wesentliche Produktionsschritte in einem anderen Land stattgefunden haben. So urteilte der EuGH. Gegenstand der Klage waren Champignons. Ein Anbieter hatte sie über mehrere Wochen in den Niederlanden aufgezogen und sie nur für die Ernte nach Deutschland gebracht. Als Ursprungsland nannte er „Deutschland“. Die Wettbewerbszentrale sah eine Irreführung der Verbraucher und klagte. Während die erste Instanz der Klägerin Recht gab, entschied der Europäische Gerichtshof anders. Demnach muss der Anbieter keine aufklärenden Zusätze anbringen, selbst wenn die Aufzucht der Pflanzen in einem anderen Land stattgefunden hat. Wie gut, dass Tomatenpflanzen zu unhandlich sind, um sie mal eben aufzuladen und zur Ernte nach Deutschland zu bringen und so heimische Tomaten aus ihren zu machen.
Saisonale Regionalität
Wir sind überrascht und auch irritiert von der Vielfalt, die wir entdecken: Da gibt es Tomaten aus Marokko, Spanien, den Niederlanden und Italien. Und dann auch endlich welche aus Deutschland – leider in viel Plastik verpackt. Darauf prangt allerdings das Regionalfenster. Wir erhalten genaue Informationen darüber, wo das Produkt gewachsen und verpackt wurde. Vorteil bei den frischen Tomaten: Ein Blick auf das Etikett genügt, um Ursprungs- und Verpackungsland zu identifizieren. Doch die meiste Zeit des Jahres lesen wir auf den Schildern nur ferne Länder, deutsche Tomaten gibt es nicht. Denn der Selbstversorgungsgrad bei Tomaten liegt in Deutschland nur bei etwa 3,5% (2021/22). Fast schon erleichtert legen wir die mit dem Regionalfenster gekennzeichneten Tomaten, die in unserem Fall komplett in NRW erzeugt und verarbeitet wurden, in den Einkaufskorb.
Transparentes Hack
Okay, weiter geht’s zum Hackfleisch: Erstmal zur SB-Theke. Egal ob biologisch oder konventionell erzeugt, alle Packungen geben uns klar Auskunft darüber, wo die Tiere geboren, aufgezogen, beziehungsweise gemästet wurden. Auch die Orte der weiteren Verarbeitungsschritte des Fleisches sind klar benannt. Dabei ist es nicht selbstverständlich, dass alle Produktionsschritte im gleichen Land erfolgen. Wir finden Rindergulasch von Tieren, die in Tschechien geboren und gemästet, aber in Deutschland geschlachtet und zerlegt wurden. Direkt daneben sehen wir Rinderhack, bei dem alle Produktionsschritte in Deutschland erfolgten. Doch auch für Hackfleisch gibt es eine Sonderregelung bei der Kennzeichnung. Sie betrifft das „Gemischte“: „Ist der Rindfleischanteil niedriger als 50 %, reicht die Herkunftsinformation, ob die Tiere in oder außerhalb der EU aufgewachsen und geschlachtet wurden“, erklärt die Verbraucherzentrale NRW.
An der Bedientheke gibt es frisches Hackfleisch – aus Deutschland. Das „Zeichen Geprüfte Qualität NRW“ garantiert uns, dass 80 % der Hauptzutat aus NRW und maximal 20 % aus den angrenzenden Bundesländern stammt. Zusätzlich gibt die Bedienung hinter der Theke bereitwillig Auskunft und ist bereit uns weitere Nachweise zu zeigen.
Unser Gewissen bei der Auswahl des Fleisches ist gut. Wir haben das Gefühl einer relativ transparenten Produktionskette – im Gegensatz zu den anderen verarbeiteten Produkten, die wir in den vergangenen Minuten genauer unter die Lupe genommen haben.
Wir wollen mitentscheiden
Das Fazit für uns ist eindeutig: In Zukunft wollen wir uns noch mehr mit der Herkunft unserer Lebensmittel auseinandersetzen – zumindest im Rahmen des Leistbaren. Denn klar ist: Wir entscheiden an der Ladentheke mit, wo unser Essen, unter welchen Bedingungen produziert wird.
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