Schweinekrise: Was hat sie ausgelöst?

Die deutsche Schweinehaltung steckt in der gravierendsten Krise der Nachkriegszeit. Produktionskosten steigen rasant an, doch höhere Erlöse sind kaum in Aussicht. Wie kann das sein?

Corona drückt überall

Hauptauslöser für die Schweinekrise ist wohl in erster Linie die Corona-Pandemie. Sie hat Schlachtkapazitäten und Absatz von Schweinefleisch drastisch einbrechen lassen. Der daraus resultierende Schweinestau ließ in Deutschland, Europa und weltweit die Notierungen purzeln – bis heute. Doch auch einige andere Faktoren machen Schweinehaltern gerade das Leben schwer.

Afrikanische Schweinepest

Seit im Osten Deutschlands die ASP bei Wildschweinen ausgebrochen ist, stockt der Asienexport. Dass China eine Regionalisierung wie in Frankreich akzeptiert, ist unrealistisch. Zumindest für Pfötchen und Schweineohren gibt es kaum alternative Verwertungsmöglichkeiten.

Deutsches Schweinefleisch findet nur zu schwachen Preisen Absatz in Italien, Skandinavien und Osteuropa. Und das wird noch für Monate so bleiben.

Rückläufiger Konsum in Deutschland

Schweinefleisch verschwindet aus Kitas und Schulen, Krankenhäusern und Behördenkantinen, weitgehend aus der Tiefkühlkost und selbst aus den Speisekarten vieler Restaurants. Veganer und Vegetarier werden mehr. Die anderen essen weniger Fleisch – weil sie älter werden, das Weltklima retten möchten, der „Massentierhaltung“ kritisch gegenüberstehen oder schlicht nicht wollen, dass ihretwegen ein Tier geschlachtet werden soll. Speziell gegen letzteres kann man nicht argumentieren. So ist der Schweinefleischverzehr 2021 um 2 kg gesunken. Das wäre umgerechnet die Erzeugung von 8 % aller Sauen. Die Prognose für 2022 ist nicht besser. Über 220.000 Tonnen Schweinefleisch liegen hierzulande im Lager – doppelt so viel wie üblich. Die Kapazitäten sind ausgeschöpft.

Steigende Futter- und Energiekosten

Weltweit steigen die Futterkosten. In den letzten 2 Jahren lagen sie pro Mastschwein bei gut 62 €. Bei aktuellen Tagespreisen für Vor- und Endmastfutter wandern sie in Richtung 90 €. Die Eigenmischung ist auch nicht preiswerter. Die Ferkelerzeuger stecken im gleichen Dilemma.

Der Großhandelspreis für Gas ist seit Januar 2021 um 440 %, der für Strom um 140 % gestiegen. Die CO2-Abgabe für einen 100ha-Ackerbaubetrieb mit 200 Sauen im geschlossenen System liegt zuzüglich Privatverbrauch bei etwa 20.000€. Und das Weltklima ist immer noch nicht gerettet.

Kleiner Lichtblick

Einziger Lichtblick sind die fallenden Gülleverwertungskosten. Die Betriebsleiter reiner Ackerbaubetriebe blicken schon neidisch auf volle Güllebehälter. Das kompensiert aber nicht das Drama bei den Erlösen.

Kastration unter Betäubung

Die betäubungslose Ferkelkastration ist seit dem 01.01.2021 in Deutschland verboten. Ob Sauenhalter ihre männlichen Ferkel noch kastrieren, hängt maßgeblich von den Vermarktungswegen der Mäster ab. Nicht jeder Schlachthof nimmt Eber oder mit ImproVac behandelte Tiere auf. Die zur Betäubung erforderliche Injektions- oder Inhalationsnarkose kostet Zeit und Geld.

Neue Vorgaben

Mit der neuen Nutztierhaltungsverordnung kamen im Februar 2021 haufenweise neue Anforderungen auf deutsche Schweinehalter zu. Für die Vorgaben in der Sauenhaltung gelten Übergangszeiten. Die Gruppenhaltung im Deckzentrum mit 5 m² pro Tier gilt ab 2029. Für Bewegungsbuchten im Abferkelbereich mit mindestens 6,5 m² haben Ferkelerzeuger noch bis 2036 Zeit.

Andere Regelungen sind schon jetzt verpflichtend, etwa größere Liegeflächen für säugende Ferkel, ein angepasstes Tier-Fressplatz-Verhältnis und konkrete Werte für Licht und Schadgase.

Die Bereitstellung von organischem Beschäftigungsmaterial – verpflichtend sei t August – setzen Betriebe sehr unterschiedlich um. Von technischen Lösungen zur Strohverteilung direkt auf die Liegefläche bis hin zu Ketten mit Weichhölzern ist alles dabei. Erlaubt sind Heu, Stroh, Pellets, Knabberstangen, Seile, Weichholz und weitere Materialien. Entsprechend groß ist auch die Varianz in den resultierenden Kosten.

Ein Beitrag zu Strohqualität und -verbrauch erwartet Sie in Ausgabe 4.

Neben genehmigungsrechtlichen Schwierigkeiten bei Neubau von Stallungen stellt vor allem die höhere Arbeitsbelastung die Betriebe vor Herausforderungen. Das Gesamtbetriebliche Haltungskonzept – ein deutschlandweites Expertengremium – hat für den Umbau der Sauenhaltung auf die neuen Haltungsvorgaben Mehrkosten zwischen 10 und 15 € pro Ferkel für Investitionen und Arbeit errechnet. Auch hier sind die einzelbetrieblichen Schwankungen beträchtlich.

Düngeverordnung und TA Luft

Ebenfalls schon beschlossen sind die Vorgaben zur Düngung und Verminderung von Emissionen aus der Tierhaltung. Die Erträge sinken aufgrund eingeschränkter Düngung. Daraus resultieren höhere Futterzukaufkosten. Für überschüssige Güllemengen müssen Betriebe Absatzwege finden.

Die neue Technische Anleitung zu Reinhaltung der Luft (TA Luft) ist nach langer Diskussion verabschiedet worden. Neue Anforderungen kommen daraus auf Betriebe oberhalb der Immissionsschutz-Grenzen zu. Abluftwäscher, Güllekühlung, Gülleansäuerung oder die schnelle Trennung von Kot und Harn sollen die Emission von Stickstoff mindern. Auch hier führen die Vorgaben einzelbetrieblich zu deutlich höheren Kosten. Neben den baulichen Aspekten spielt auch die zusätzliche Arbeit eine Rolle.

Kupierverzicht

Ordnungsrechtlich noch nicht vollständig durchgesetzt ist das Verbot des Schwänzekürzens. Die derzeitigen Regelungen erlauben das teilweise Kürzen der Schwänze, wenn die Betriebe entsprechende Nachweise über die Tierärzte erbringen können. Diese Regelungen stehen aber im kommenden Jahr auf dem Prüfstand seitens der EU. Eine Verschärfung der Regelung bis hin zum vollständigen Verbot würde die Betriebe vor große Herausforderungen in der Haltung stellen. Einzelbetriebliche Erfolge mit Langschwanzschweinen lassen sich bislang auch wissenschaftlich nicht in die Breite tragen. Klar ist aber schon, dass hohe Kosten für Betreuung, zusätzlichen Platz und Spielmaterial auf die Betriebe zukommen.

Fazit

Von der Corona-Pandemie über die Afrikanische Schweinepest bis hin zum rückläufigen Fleischkonsum in Deutschland sind eine ganze Reihe von Faktoren für die aktuelle Preiskrise verantwortlich.

Zusätzlich kämpfen Schweinehalter mit rasant steigenden Futter- und Energiekosten. Immer neue Anforderungen an die Haltung von Schweinen werden die Produktionskosten weiter steigern. Wie weit? Das hängt maßgeblich von den einzelbetrieblichen Gegebenheiten ab. In der Summe wären Kosten zwischen 14 und 50 € pro verkaufsfertigem Mastschwein mit Bezug auf die ganze Kette denkbar. In Anbetracht des Desasters verbietet sich auch jede Diskussion, ob Ferkelerzeugung oder Mast die größeren Verluste einfahren.

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von Viktoria Schulze Lohoff, Dr. Frank Greshake, LWK NRW, Bernhard Gründken, LWK NRW, Stefan Leuer, LWK NRW

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