Ganz unbekannt ist das Segment „pflanzenbasierte Milchalternativen“ für Molkerei-Chef Claus Naarmann und seine Mitarbeiter nicht. Denn am Standort der Privatmolkerei Naarmann in Neuenkirchen (Kreis Steinfurt) wurden bereits in den 1990er-Jahren haltbare Soja-Desserts und Reis-Drinks als Lohnverarbeitungsgeschäft abgefüllt. „Damals hielt das Interesse nicht lange an“, erzählt Naarmann. 20 Jahre später „ploppte“ das Thema wieder auf. „Es zeichnete sich immer mehr ab, dass die Nachfrage für pflanzliche Ernährung steigt“, erinnert er sich. Aus dem Bereich der Gastronomie und Food-Service (Kantinen und Co.) kamen zudem gehäuft Anfragen, vor allem nach veganen Produkten in passenden Gebinden für Großküchen.
Hafer als geeigneter Rohstoff
Naarmann und sein Entwicklungsteam machten sich ans Werk. Sie probierten verschiedene Pflanzen aus, angefangen mit Produkten auf Erbsenbasis: „Schnell merkten wir allerdings, dass wir zwar vom Proteingehalt ein interessantes Produkt aus Erbsen herstellten können, geschmacklich hat es uns weniger überzeugt.“ Anders sah es beim Hafer aus. Wichtig bei der Auswahl war zudem ein Rohstoff, der nachhaltig und langfristig erhältlich ist. Bei Hafer war das zu Beginn der Fall. Heute gestaltet es sich schwieriger, da immer mehr Mitbewerber auf den Pflanzendrink-Zug mit aufspringen.
Mit ihrer „We love Plants“-Marke (Original-Produktename: We ♥ Plants) ist die Molkerei seit Januar dieses Jahres auf dem Markt. Zum Sortiment gehörten Drinks mit 14 % Haferanteil (in 1-l- und 5-l-Gebinden) sowie Koch- und Sour-Creme jeweils im 1-kg-Pack. Neu seit vergangenen Monat: der Hafer-Yoghurt unter dem Namen „HaYo“ sowie Apfel- und Schoko-Pudding auf Haferbasis, erhältlich in 5-kg-Eimern.
Claus Naarmann sieht den Einstieg in die pflanzenbasierte Speisenherstellung als zweites Standbein der Molkerei und keinesfalls als Konkurrenz zum Stammgeschäft. „Wir sind eingefleischte Molker, ganz klar“, betont der Unternehmer und weiter: „Im Moment ist das Geschäft mit unseren Haferprodukten noch eine Nische, allerdings ist das Potenzial im Food-Service sehr groß.“ Die vorhandene Expertise im Segment Kuhmilch nutzen, so lautet die Devise. Große Umstellungen innerhalb der Molkerei waren dafür nicht erforderlich. „Die Hafererzeugnisse laufen normal in unserer Produktion mit, dort wo auch unsere H-Milch und Sahne-Produkte aus Kuhmilch abgefertigt werden“, erläutert der Molkereifachmann. Nur halt in viel kleinerem Umfang und statt täglich, je nach Nachfrage nur ein- bis zweimal die Woche.
Pflanzendrinks als Chance sehen
Die Milchlieferanten der Molkerei zeigten sich anfänglich skeptisch. Dafür sieht Naarmann wenig Anlass. Denn er betrachtet die neue Sparte mehr als Chance. „Wir haben einen Weg gefunden, Kundenstämme zu erweitern, Umsätze zu erhöhen und uns als traditionelles Milchwerk auf veränderte Kundenanforderung einzustellen.“
Zukünftig kann er sich durchaus vorstellen, die Rohstoffbasis mithilfe der eigenen Milcherzeuger zu decken. Sie würden dann nicht nur ihre Milch liefern, sondern zusätzlich für ihre Molkerei Hafer anbauen. „Das Bedarf jedoch intensiverer Planung“, gibt er zu bedenken. Die Haferverarbeitung sei ein komplizierter Prozess. Angefangen von der Ablösung von Feststoffen vom Korn über eine zufriedenstellende Reinigung bis hin zur enzymatischen Behandlung, um besagtes Haferkonzentrat zu erhalten. Dafür müsse eine entsprechende Mühle involviert sein. „Langfristig sehen wir es schon als Ziel, den Hafer aus der Region zu beziehen und von einer Mühle regional mahlen zu lassen“, so Naarmanns Zukunftsvision.
Mehr zum Thema: