Für Kälber jünger als sechs Monate ist von 2024 an ein trockener und weich oder elastisch verformbarer Liegebereich Pflicht. Das fordert die Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNtV), die im Juli 2020 beschlossen und im Februar 2021 erlassen wurde. Wie groß der Liegebereich tatsächlich sein soll, ist dabei für Kälber nicht definiert. „Generell müssen alle Kälber gleichzeitig liegen können“, erklärte das Veterinäramt Borken auf Wochenblatt-Nachfrage.
Übergangsfrist drei Jahre
Gerade in der Kälbermast sei das Auslegen der gesamten Bucht mit Gummimatten zu empfehlen. Die Übergangsfrist beträgt für Neu- sowie Altbauten drei Jahre. Im Falle einer unbilligenden Härte kann sie auf sechs Jahre (2027) verlängert werden. Der Bundesrat definiert es folgendermaßen: „Die Härtefallklausel kann erforderlich sein für Stallungen, in denen ein Nachrüsten vorhandener Böden nicht möglich ist und umfangreiche bauliche Maßnahmen notwendig sind.“ Dabei handele es sich aber laut Veterinäramt Borken um einen absoluten Ausnahmetatbestand. Dieser treffe beispielsweise nicht allein bei einer fehlenden Hofnachfolge zu.
Spaltenschlitze von 3 cm
Die Änderung der TierSchNtV betrifft besonders Kälbermäster und Fresseraufzüchter, die in ihren Stallungen Bongossiböden oder Betonspalten haben. Auch MIK-Böden zählen nicht als verformbare Liegefläche und sollen umgerüstet werden. Bullenmäster, die Fresser mit etwa fünf Monaten einstallen oder Milchviehhalter, die ihr Jungvieh auf Spalten aufziehen, müssen ebenfalls investieren. Diese Betriebe haben die Möglichkeit, ihre Ställe mit Gummiauflagen nachzurüsten oder einen Strohbereich anzubauen. Realistischer scheinen momentan die Gummimatten. Allerdings muss in Altgebäuden dann auch häufig die Unterbodenkonstruktion ausgetauscht werden. Die Spaltenschlitze dürfen mit Auflage 3 cm und ohne 2,5 cm betragen.
Im Folgenden lesen Sie wie Berater und Praktiker sowie Vermarkter mit dem Beschluss umgehen.
„Wir wollen weiche Liegeflächen, brauchen aber mehr Zeit.“
Günter Framme hat auf seinem Betrieb in Löningen, Landkreis Cloppenburg, 950 Kälbermastplätze. Ein Teil der Tiere steht bereits auf Spaltenboden mit Gummiauflagen. Dafür hat er 2019 in einigen der Altgebäude eine neue Bodenkonstruktion verlegt. Zum größten Teil Betonspalten. Oben drauf hat er die Gummimatten von Kraiburg eingebaut. „Gerade in den Altgebäuden ist das Hauptproblem, die Unterkonstruktion so anzupassen, dass die Matten vernünftig sitzen“, berichtet Framme von seinen Erfahrungen.
In Teilbereichen seiner Stallungen hat er allerdings 2018 neuen Bongossiboden eingebaut. Hier betragen die Spaltenschlitze 2,5 cm. „Da kann ich so keine Gummimatten drauf befestigen. Denn dann sind die Schlitze zu schmal und die Kälber verschmutzen.“ Solch schmale Schlitzweiten können, wenn überhaupt, nur für Tiere bis zum Alter von 15 Wochen funktionieren, meint Michael Deters, Jungtierspezialist beim Unternehmen Denkavit.
Für Framme bedeutet das: Er muss die Holzbretter lösen und so versetzen, dass die Schlitzweite rund 3 cm beträgt, bevor er die Gummiauflagen nachrüsten kann. „Die Investition in den neuen Bongossiboden ist gerade mal vier Jahre her und nun müssen wir schon wieder investieren. Das ist heftig, mal abgesehen von der Arbeit“, ärgert sich der Mäster.
Dabei findet er die Gummimatten durchaus sinnvoll: „Die weiche Unterlage tut den Tieren gut. Sie sind mobiler und fühlen sich wohl. Wir sind absolut bereit das umzusetzen. Aber die Übergangsfrist von drei Jahren ist zu kurz. Das können viele Betriebe nicht stemmen.“ Bessere Zunahmen oder weniger Tierarztkosten kann er bisher nicht nachweisen.
Framme berichtet zudem, dass die Kälbermäster sowieso nach und nach alles auf Gummimatten umstellen wollen. Das haben sie in einer Selbstverpflichtung der Kontrollgemeinschaft Deutsches Kalbfleisch erklärt. „Aber wir haben das mit anderen Investitionen auf dem Betrieb abgestimmt und nun wird es uns einfach aufgezwungen.“
Auch Deters bestätigt: „Für Betriebe, die keinen Nachfolger haben oder sehr klein sind, ist die weiche Liegefläche ein Grund aufzuhören. Sie werden nicht investieren.“ Denn einen Mehrwert erhalten die Betriebe für diese Leistung nicht. Framme hat dennoch weitere Gummiauflagen bestellt. Die Lieferzeit beträgt momentan 22 Wochen
Landwirte benötigen Sicherheit!
„In Nordrhein-Westfalen haben viele Betriebe die 40%-ige Förderung auf Gummimatten im vergangenen Jahr genutzt und ihre Ställe umgerüstet“, erklärt Christopher Kneip, Unternehmensberater für Rindermast bei der Landwirtschaftskammer NRW. In seinem Beratungsring hat er aber auch Landwirte, die vor wenigen Jahren neue Ställe für die Fresseraufzucht mit MIK-Rosten gebaut haben.
„Solche Betriebe fragen sich, wie sie am besten umbauen sollen.“ In diese Ställe muss auch eine neue Bodenkonstruktion und dann die Gummiauflagen oben drauf gebaut werden. „Da bewegen wir uns bei neuem Bongossi Rostenboden plus Kälbergummi im Bereich von 140 €/m2 brutto.“ Dazu komme, dass viele Ställe nicht abgeschrieben seien. „Diese Betriebe brauchen jetzt dringend Planungssicherheit für die nächsten 15 bis 20 Jahre.“ Kneip beschreibt zudem die Sorgen einiger Landwirte: „Was, wenn Gummimatten in ein paar Jahren auch nicht mehr reichen und die Kälber dann auf Stroh stehen sollen?“
Außerdem regelt die TierSchNtV nicht die Größe der Liegefläche für Kälber. Für Kneip gibt es auch einige Ställe, vor allem in der Fresseraufzucht, die sich für eine Teilauslegung mit Gummimatten eignen würden. Gerade am Trog und bei den Schalentränken könne es von Vorteil sein, die Spalten frei zu lassen. „Sonst besteht die Gefahr, dass die Buchten nass und rutschig werden und die Kälber dreckig.“
Gummiboden ist Stand der Technik
"Von unseren Partnerbetrieben sind bereits seit etlichen Jahren viele Betriebe mit Gummiboden ausgestattet. Nach der Änderung der TierSchNtV haben viele weitere Betriebe angefangen ihre Ställe umzurüsten“, erklärt Tobias Brüninghoff, Geschäftsführer bei Brüninghoff.
Fast alle Betriebe müssen auch die Unterkonstruktion erneuern. „Die Schlitzweite beim Bongossiboden ist zu schmal, um Gummiauflagen drauf zu legen.“ Die Investitionen seien dann sehr hoch und belaufen sich bei etwa 200 bis 300 € pro Platz. Insgesamt beurteilt Brüninghoff den Gummiboden aber als gut: „Das ist der aktuelle Stand in Sachen Tierwohl und wirkt sich positiv auf die Zunahmen der Kälber sowie die Arbeitswirtschaft der Betriebsleiter aus.“
Die Änderung der TierSchNtV ist eine finanzielle Herausforderung für Mäster und Vermarkter. Allerdings sorgt er sich um kleine Betriebe. „Der Strukturwandel wird noch mal beschleunigt, die Erzeugung von Kalbfleisch teurer und das Angebot knapper.“ Zuversichtlich ist Brüninghoff, dass der Gummiboden künftig für lange Zeit Stand der Technik bleibt. Denn Stroh ist für ihn gerade in der Kälbermast keine Alternative.
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