Wieder im grünen Bereich
Mit einem Jahresüberschuss von rund 26,8 Mio. € ging es für die Westfleisch-Gruppe 2022 wieder bergauf (siehe Übersicht). Mitglieder der Genossenschaft erhalten eine Dividende von 4,2 % auf die Geschäftsguthabenanteile. An Sonderboni für die Vertragsmäster werden zusätzlich 1,5 Mio. € ausgeschüttet. Möglich gemacht hat das laut Westfleisch ein Effizienzprogramm.
Zum Beispiel wurden Personalkosten gespart, Bestellungen angepasst, vor allem aber eigene Kräfte mobilisiert. Dabei half ein Blick von außen durch eine Unternehmensberatung. Dennoch blieben die Auswirkungen von Corona und Afrikanischer Schweinepest 2022 spürbar – in Form enormer Preisschwankungen und der Sorge um Rohstoffe. So sanken die Schlachtzahlen bei den Schweinen um 10,3 % auf 6,5 Mio. Beim Großvieh lag das Minus mit 362 000 geschlachteten Rindern und Kälbern bei rund 7,5 %.
Deutsche Betriebe haben Potenzial
Vom Rückgang der Produktion bleiben die Schlachtunternehmen nicht verschont. In gut laufenden Marktsegmenten will die Westfleisch aber dennoch wachsen, betonte Finanzvorstand Carsten Schruck auf der Generalversammlung: „Wir wollen ein größeres Stück vom immer kleiner werdenden Kuchen abhaben.“
Doch dabei warten Herausforderungen: Den Verlust des chinesischen Marktes können Exporte nach Europa, Mittelamerika oder neuerdings Kanada nicht auffangen. „China hat für Pfötchen 4,80 $ bezahlt, anderswo bekommt man 35 Cent“, stellt Michael Schulze Kalthoff klar. Durch dort nicht vermarktbare Teilstücke gehen der Branche etwa 1 Mrd. € an Wertschöpfung verloren. Rücken, Nacken und Schulter würden günstig importiert. Den Druck weiter erhöhen könnte das geplante Mercosur-Abkommen, vor allem im aktuell angespannten Rindfleischmarkt.
Gerade deshalb möchte die Westfleisch sich mit Regionalität und Geschmack von der Masse abheben. Diese Attribute stehen bei Verbrauchern aktuell nur selten im Fokus, sodass der Handel weniger Markenfleischprodukte nachfragt, erklärt Schulze Kalthoff.
Für Jochen Westermann aber noch lange kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken: „Unsere Landwirte sind Vollprofis mit Ausdauer“, zeigte sich der neu gewählte Aufsichtsratsvorsitzende im Wochenblatt-Gespräch überzeugt. „Solide familiengeführte Betriebe, gut ausgebaute Infrastrukturen und relativ mildes Klima machen aus Deutschland nach wie vor einen Gunststandort für die Tierproduktion.“
„ITW ist unsere Brandmauer“
Westfleisch hat einen guten Zugang zum Lebensmitteleinzelhandel, betont Schulze Kalthoff. „ITW ist unsere Brandmauer. Damit setzen wir uns im Einzelhandel von ausländischer Ware ab.“
Bei den Schweinen kommen 75 % der Tiere aus höheren Haltungsformen (HF). Der Löwenanteil kommt davon aus Stufe 2. Aus HF 3 und 4 stammt eine einstellige Prozentzahl. Die Volumina seien zwar nur Nischen, aber für das Image von Schweinefleisch insgesamt wertvoll.
„ITW ist die neue Grundstufe. Haltungsform 1 ist zumindest bei Frischfleisch ein Auslaufmodell“, erklärt Schulze Kalthoff. Allerdings gelte das nur für Schwein und Frischfleisch. Bei Wurstwaren sowie bei Rind sehe es anders aus. In der Sparte Rind läuft die ITW weiter schleppend bis gar nicht. Für Kalbfleisch ist der Startschuss beim Discounter Lidl gefallen.
Label wie BauernLiebe (HF 3) funktionieren aktuell im Handel gut. Pro Woche schlachtet Westfleisch 3500 bis 4000 Schweine und 300 Jungbullen für das Programm.
Schweinehalter sensibilisieren
Nach Skandalbildern von Schweinen aus Partnerbetrieben hat die Westfleisch im Herbst 2022 die Offensive Tiergesundheit begründet – ein Maßnahmenpaket, das Betriebe sensibilisieren und unterstützen soll. „Wir haben uns jeden Betrieb bis zur letzten Bucht angeschaut“, versichert Michael Schulze Kalthoff. Damit möchte die Genossenschaft die Angriffsfläche für Tierschützer und Tierrechtler minimieren. Vor allem aber will sie zeigen, dass sie ihre Bauern kennt.
Die Offensive sei schon gut angelaufen. Mitbewerber müssten jetzt nachziehen. Auch die Westfleisch will nun weitere Schritte planen. Im Fokus der Offensive stehen bisher ein engerer Austausch mit Veterinären und Hoftierärzten sowie eine verbesserte Schlachtbefundanalyse. Problematisch sei insbesondere die Hemmschwelle beim Nottöten von Tieren.
„Die deutsche Tierhaltung ist sehr divers. Das erschwert eine einheitliche Kommunikation“, bedauert Schulze Kalthoff. Große Hoffnungen setzt er aber auf ein neues Imageprojekt der Fleischwirtschaft. Dafür wird die Westfleisch demnächst Geld in einen Fonds einzahlen – so wie alle größeren Schlachtunternehmen.
Kein Gehör bei der Politik
Von der Politik prasseln immer höhere Anforderungen in Sachen Tierwohl, Green Deal sowie höhere Lohnkosten auf die Branche ein. Insbesondere das staatliche Haltungskennzeichen lässt viele Wünsche offen. „Zumindest durften wir der Ampelregierung unsere Wünsche kundtun“, erklärt Michael Schulze Kalthoff. „Bisher hatten die konventionellen Verbände kaum Zugang.“
Für den Westfleisch-Vorstand ist entscheidend: Das staatliche Haltungskennzeichen muss in Verbindung mit der Initiative Tierwohl (ITW) stehen. Auch Westermann betont: „Marktschwankungen und Trockenheit zwingen uns Bauern nicht zum Aufhören. Aber wir brauchen endlich verlässliche politische Rahmenbedingungen.“ Außerdem fordert er, dass andere Tierarten sowie ein Downgrading von höheren in tiefere Haltungsstufen in das Haltungskennzeichen mit einbezogen werden.
2023: „Stramm voraus“
„Wir sind gut unterwegs in 2023 und konnten die Schweineschlachtungen in den ersten fünf Monaten um 0,7 % steigern“, freut sich Schulze Kalthoff. Das ist ein respektablesErgebnis mit Blick auf den Gesamtmarkt, der 7 % Schweineschlachtungen verlor. Auch die Zahlen für Großvieh sind im Vergleich zum schwachen Vorjahr (siehe Übersicht) besser – mit einem Plus von 5 %. Das Ergebnis bis einschließlich Mai sei sehr ordentlich, berichtete Finanzvorstand Carsten Schruck.
Insgesamt rechnet Schulze Kalthoff jedoch damit, dass Frischfleisch und SB-Ware im laufenden Jahr sinken werden. Anders sieht es mit Convenience-Produkten aus. „In diesem Jahr produzieren wir voraussichtlich mehr Frikadellen, Bacon und andere Fertiggerichte“, prognostizierte er. Das Tochterunternehmen Gustoland am Standort Oer- Erkenschwick ist damit gut ausgelastet. In Anlagen für neue Fertigprodukte sind Investitionen im Bereich von 10 Mio. € geplant.
In Coesfeld will Westfleisch den Investitionsrückstau beheben. Für die generellen Erweiterungspläne gibt es dort Gegenwind aus der Bevölkerung. „Für 2023 planen wir ausdrücklich keine Standortschließungen, auch wenn der Markt schwierig bleibt“, betont Schulze Kalthoff.
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