Herr Pelzer, welches übergeordnete Ziel verfolgt die AG Rind bei den Kriterien für die Milchproduktion?
Im Kern geht es darum, die Haltung zu optimieren und das Tierwohl zu fördern. Dieses soll transparent und leicht nachvollziehbar gestaltet werden.
Ziel in der Schweinehaltung ist, dass nahezu alle Betriebe ohne Investitionen mindestens in Stufe 1 kommen. Gelingt das bei der Milch auch?
Das kann ich nicht genau sagen. Wir machen aus fachlicher Sicht Vorschläge für Kriterien, die wir an das Kompetenznetzwerk geben. Tierartübergreifend gilt „Bewegung“ für Stufe 1, „Außenklima“ für Stufe 2 und „direkter Kontakt zu Außenklima“ für Stufe 3.
Weniger in NRW, aber in Bayern dürfte es noch rund 10.000 Betriebe mit ganzjähriger Anbindehaltung geben. Haben diese eine Chance auf Stufe 1?
Das muss das Kompetenznetzwerk entscheiden. Wir blicken fachlich auf das Thema. Das Kompetenznetzwerk berücksichtigt auch sozioökonomische Aspekte, bevor es Empfehlungen an die Bundesregierung weiterleitet. In der AG haben wir bereits Lösungsvorschläge für Betriebe mit ganzjähriger Anbindehaltung erarbeitet, also Anbindung kombiniert mit Bewegung.
Es gibt Vorgaben zu Scheuermöglichkeiten für Tiere, wie groß Tränken oder wie breit Laufgänge sein müssen. Was gilt konkret?
Wir definieren und empfehlen Werte und Abmessungen zu den verschiedenen Funktionsbereichen. Zum Teil steigen diese mit den Stufen, zum Beispiel bei den Flächenangaben. Einige bleiben über alle Stufen gleich und wieder andere werden spezifisch in den Haltungsstufen empfohlen. So werden zum Beispiel in Stufe 1 nur „Scheuermöglichkeiten“ gefordert und in Stufe 3 „rotierende Bürsten“. Und klar ist, dass sich alle Punkte auditieren lassen müssen, nur dann funktioniert es.
Landwirte mit Laufställen aus den 80er, 90erJahren haben für mehr Tierwohl die Liegeboxen ihrer Kühe verlängert, dadurch sind die Laufgänge schmaler geworden. Schaffen diese Betriebe Stufe 1?
Hier sind auch Kompensationsmöglichkeiten geschaffen worden, die viele Betriebe nutzen können.
Vorgaben zu „m2 pro Tier“ wären für viele Betriebe möglicherweise einfacher zu erfüllen. Ist das Kriterium eine Alternative?
Flächenangaben sind eine Hilfe, aber keine Lösung. Denn zum Beispiel hat die Gruppengröße einen starken Einfluss auf Bewegung und die Strukturmöglichkeiten der Bucht.
Was gilt für Betriebe, die einen Teil der Tiere in alten Stallungen hat, bei denen die Anforderungen nicht passen und einen anderen Teil der Tiere in neuen Ställen mit „passenden“ Maßen?
Für solche Sondersituationen muss man Lösungen finden. Da kommt es entscheidend auf die Ausführungsbestimmungen an. Klar ist: Tierwohl gilt für alle Tiere.
Was gilt, wenn in einem Neubau zum Beispiel alle 15 Liegeboxen ein Übergang ist, die AG Rind aber nun einen Übergang alle 13 Boxen fordert?
Die Frage ist noch nicht abschließend geklärt. Übergänge sollen in Verbindung mit Kompensationen fachlich eingesetzt werden.
Es gibt QM Milch Tierwohl, ITW Rind, haltungsform.de, die Kombihaltung in Bayern: Fließt das in die Kriterienfindung ein?
Primär nicht. Denn die Intentionen sind zum Teil unterschiedlich. Aber in der AG arbeiten Personen mit, die auch in den anderen Gremien sitzen. Deshalb fließen diese Kriterien indirekt doch ein. Und wo es sinnvoll ist, nutzen wir auch Synergien. Also nutzen die Werte, die es schon gibt. Zum Beispiel von QM Milch oder die KTBL-Daten zur Eigenkontrolle Milchvieh.
Es gibt in Deutschland rund 58.000 Milcherzeuger, in NRW rund 5.000. Wie viele wären aus dem Stand heraus in Stufe 1?
Das ist schwer zu sagen, wir brauchen belastbare Daten zu den Betrieben. Einige Untersuchungen laufen. Klar ist aber, dass viele Milcherzeuger ihre Hausaufgaben in den vergangenen Jahren gemacht haben und beim Tierwohl gut unterwegs sind.
Ist es dann so, dass es für Betriebe, die in den vergangenen Jahren investiert haben, leichter ist in Stufe 2 zu kommen als für viele andere Betriebe in Stufe 1?
Das kann ich nicht einschätzen. Ziel ist, möglichst viele Betriebe mitzunehmen.
Gibt es eine Folgenabschätzung, was die Umsetzung der Borchert-Pläne für die deutsche Milchwirtschaft in Gänze bedeutet?
Das Thünen Institut erarbeitet aktuell eine Folgenabschätzung zum gesamten Borchert-Plan. Da sollte das mitberücksichtigt sein.
Wie geht es mit der AG Rind jetzt konkret weiter?
Die Kriterien für die Milchproduktion gehen nun zur Diskussion ins Kompetenznetzwerk. Zu gegebener Zeit starten wir mit den Kriterien für die Bullenmast.
„AG Rind“: Sprecher, Teilnehmer und Ziele
Andreas Pelzer von Haus Düsse der Landwirtschaftskammer NRW ist Sprecher der „Arbeitsgruppe Rind“ in der sogenannten Borchert-Kommission. In dieser Funktion hat er uns ein Interview gegeben, nachdem sich das Wochenblatt die Freigabe beim Bundeslandwirtschaftsministerium geholt hat.
In der „AG Rind“ arbeiten rund 30 Personen. Sie stammen aus Praxis, Wissenschaft und Gesellschaft. Vertreten sind landwirtschaftsnahe und landwirtschafts-kritische Organisationen. Andreas Pelzer lobt die hohe fachliche Kompetenz aller Beteiligten. Erkennt aber auch, dass es Zeit ist, den Wandel in der Tierhaltung fachlich zu begleiten.
Die Gruppe befasst sich aktuell mit Kriterien für die Milchproduktion. Als nächstes folgen Kriterien für die Rindermast, danach möglicherweise für die Kälber- sowie Mutterkuhhaltung. Die AG Rind soll fachliche Vorschläge erarbeiten und diese zur weiteren Abstimmung an das Kompetenznetzwerk weiterleiten. Die Vorschläge orientieren sich an den Vorgaben des Kompetenznetzwerks, die tierartübergreifend gelten: mehr Bewegung (Stufe 1), mehr Außenklima (Stufe 2) und mehr Außenklimakontakt (Stufe 3).
Wichtig ist Andreas Pelzer: „Wir liefern die fachlich fundierten Fakten, keine politischen Entscheidungen. Diese liegen beim Kompetenznetzwerk und am Ende bei der Bundesregierung!“
Mehr zum Thema: