Nach Tiefstpreis, Schweinestau und ASP-Schock blickt mancher Schweinehalter sehnsuchtsvoll auf die Biokollegen. Hier winken hohe Preise, mehrjährige Verträge und attraktive Angebote. Biomäster können sich über 4,20 €/kg Schlachtgewicht freuen, Sauenhalter über 165 € Grundpreis pro Bioferkel.
Denn die Nachfrage boomt, gerade aus dem Lebensmitteleinzelhandel. Das Angebot bei Rewe, Edeka und Co. beschränkt sich längst nicht mehr auf Biohackfleisch und Biobratwurst. Angeboten werden jetzt auch Edelteile wie Schnitzel, Kotelett und Schweinefilet.
Doch trotz aller Euphorie bleibt Bio-Schweinefleisch eine Nische mit einem Marktanteil unter 1 %. Auf diesen Zug können nur wenige aufspringen, sonst entgleist der Preis. Intensive Information ist das A und O für jeden Umsteller.
Die Liquiditätslücke
Finanziell beginnt die Umstellung meistens mit einer Durststrecke. Denn Umstellungsprämie gibt es nur für die Fläche, nicht für Tiere. Wer Mitte 2022 den Antrag stellt, bekommt erst 2024 Geld. Während der ersten beiden Jahre werden 550 €/ha Acker bzw. 360 €/ha Dauergrünland gezahlt, zusätzlich zur normalen EU-Prämie.
Für Mastschweine, Zuchtläufer und Absatzferkel gibt es 75 €/Großvieheinheit, für Sauen 120 €. Erhält der Betrieb auch Geld aus dem Agrarinvestitionsförderungsprogramm (AFP), sinkt der Strohbonus auf 55 bzw. 85 €/GVE. Ab nächstem Jahr gelten neue einheitliche Werte, unabhängig von der AFP-Förderung.
Im ersten Jahr der Umstellung fehlen die Einnahmen aus der Schweinehaltung komplett. Zudem belasten hohe Baukosten das Budget.
Erst im zweiten Jahr können Schweinehalter mit Umstellungsfutter starten. Bis zum ersten Verkauf verschlechtert sich die Liquidität drastisch, da Tiere und Teile des Futters bezahlt werden müssen. Damit Umsteller keine böse Überraschung erleben, bietet die Landwirtschaftskammer NRW eine Liquiditätsplanung an.
Den Stall umkrempeln
Bioschweine brauchen deutlich mehr Platz. Die EU-Richtlinien schreiben für Abferkelbuchten 7,5 m² Stallfläche vor, für Mastschweine je nach Gewicht 0,8 bis 1,3 m²/Tier.
Hinzu kommt der Auslauf für jedes Tier. Für säugende Sauen sind 2,5 m² vorgeschrieben, üblich sind 5 m²/Bucht. Mastschweine brauchen 0,6 bis 1,2 m². Der Spaltenanteil darf maximal 50 % betragen. In NRW darf in der Mast höchstens 50 % des Auslaufs überdacht ein. Für Sauen und Ferkelaufzucht liegt der Anteil bei 75 %.
Da jede Bucht einen Auslauf braucht, empfiehlt sich für säugende Sauen ein langer, schmaler Stall mit zwei Reihen Abferkelbuchten. Dort ist ein Neubau sinnvoll. Für Mast und tragenden Sauen bietet sich der Umbau von Gebäuden an.
Allein aufgrund der vielen Quadratmeter ist Bauen im Biobereich teuer. Das wird verstärkt durch Preissteigerungen bei Handwerkerlöhnen und Baumaterialien. Kostete ein neuer Mastplatz vor knapp 20 Jahren etwa 650 €, so hat sich der Preis heute verdreifacht. Bei Sauen muss man bei komplettem Neubau mit bis zu 14 000 € pro Platz rechnen.
Bioställe können durch das AFP gefördert werden. Doch kollidieren die Neubaukosten schnell mit der Fördergrenze. Denn der Zuschuss von 40 % wird maximal für eine Nettoinvestition von 1 Mio. € gezahlt. Daher hoffen Umsteller auf die geplante Tierwohlförderung des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Doch sind Zeitraum und Konditionen noch ungeklärt.
Sauen oder Mast?
Für Kombibetriebe reicht die Futterfläche im Biobereich meistens nicht. Daher dominieren spezialisierte Schweinehalter.
Bio-Ferkelerzeuger bleiben oft bei der gleichen Genetik wie vor der Umstellung. Nur wenige Zucht-unternehmen wie BHZP und PIC bieten spezielle Bio-Sauenlinien an. Bio-Jungsauen sind aufgrund der hohen Preise für Schlachtschweine teuer. Doch ist Eigenremontierung möglich.
Mäster müssen zum Start für Bioferkel tief in die Tasche greifen. Sie sind gut beraten, sich fest an einen Ferkelerzeuger zu binden. Eine einmalige Antibiotikabehandlung stört nicht bei der Vermarktung. Nach der zweiten Antibiotikagabe ist eine Wartezeit von sechs Monaten erforderlich, um das Tier als Bioschwein zu vermarkten.
Fläche und Arbeit knapp
Im Biobereich gelten strengere Vorgaben an die Futterfläche. So schreiben die meisten Verbände eine Obergrenze von 6,5 Sauen/ha und 10 Mastschweinen/ha vor. Reicht die eigene Fläche für die Tierzahl nicht, bleibt eine Futter-Mist-Kooperation als Ausweg. Der Schweinehalter liefert organischen Dünger an den Bio-Ackerbauern. Von diesem bekommt er im Gegenzug Getreide oder Körnerleguminosen in Bioqualität.
Einstreu ist bei der Bioschweinehaltung Pflicht. Das zweimal wöchentliche Ausmisten erfordert viel Zeit. Ebenso das Verteilen von Raufutter und Säubern der Festflächen. Daher rechnet die Landwirtschaftskammer NRW mit 30 Arbeitsstunden pro Sau und 1 Stunde pro Mastschwein.
Bioferkel werden frühestens mit 40 Tagen abgesetzt, sodass die Sauen weniger Würfe pro Jahr absetzen. Sie ferkeln frei ab, zudem sind sie nicht getaktet. Das macht das Versetzen von Ferkeln schwierig ist. Aufgrund der Einstreu können Strahlenpilzprobleme auftreten. Die Ferkel bekommen in der Säugezeit nur natürliche Milch.
Das alles senkt die Leistung auf durchschnittlich 21 abgesetzte Ferkel. Im Gegenzug führt die Bewegung zu stabileren Fundamenten. Die Geburten laufen einfacher und MMA tritt seltener auf.
Biomastschweine nehmen rund 800 g pro Tag zu. Kühlere Umgebung, mehr Bewegung und Defizite beim Protein verschlechtern die Futterverwertung auf 3,2 bis 3,3:1. Warme Liegekisten können die Futtereffizienz im Winter verbessern.
Die Eiweißlücke wächst
Bio-Futter ist knapp und teuer. Bei Getreide sind viele Betriebe Selbstversorger. Mit Ackerbohnen, Erbsen oder Lupinen verfügen Biobetriebe über hofeigene Proteinquellen. Doch reichen Aminosäuren-gehalt und -qualität nicht an konventionelle Eiweißträger heran. Bis Ende letzten Jahres wurde konventionelles Kartoffeleiweiß zum Ausgleich der Rationen eingesetzt. Seit Jahresbeginn ist dies nur noch bei Ferkeln bis 35 kg in einem Anteil von bis zu 5 % erlaubt.
Betriebe mit Flüssigfütterung können auf Biomolke ausweichen. Alle anderen setzen auf ökologische Ölkuchen aus Raps, Sonnenblumen oder Soja. Synthetische Aminosäuren sind verboten. Durch den Krieg in der Ukraine fehlt ein wichtiger Anbieter von Bio-Soja.
Kurz gefasst
- Die Nachfrage nach Bioschweinen boomt, seit die Handelsketten ihr Sortiment um Schweinefleisch in Bioqualität erweitert haben.
- Das hat die Preise beflügelt: Der Grundpreis für Bioferkel liegt bei rund 165 €. Für Biomastschweine werden 4,21 €/kg Schlachtgewicht erlöst.
- Knackpunkt für Umsteller sind die stark gestiegenen Baukosten.
- Seit konventionelles Eiweißfutter Ferkeln vorbehalten ist und Bioware aus der Ukraine fehlt, wird die Eiweißversorgung problematisch.
- Wichtig für Einsteiger sind Abnahmeverträge, um das Investitionsrisiko abzusichern.
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