Edith Schwarz (68) und Anton Wirth (65), die in Wirklichkeit anders heißen, kennen sich nicht, haben aber eines gemein: Sie geben sich mit der gesetzlichen Rente nicht zufrieden.
Selbst in die Hand nehmen
Beide verfügen über freies Kapital von jeweils 140 000 €, unter anderem aus Erbe, Ersparnissen, Wohnungsverkauf oder dem Ablauf einer Lebensversicherung. Beide schauten die Angebote von Versicherern durch und kommen zu dem Schluss, dass die Versicherungsrenten bezogen auf das eingesetzte Kapital unbefriedigend gering sind. Daher nehmen beide das mit der Rente selbst in die Hand. Sie haben zwei Möglichkeiten:
- Rente ohne Kapitalverzehr
- Rente mit Kapitalverzehr.
Kapitalstock bleibt erhalten
Bei der Rente ohne Kapitalverzehr würden sie das Geld in einen möglichst breit streuenden Aktien-ETF anlegen. So erhielten sie ohne Entnahme des Kapitals, also nur aus den Dividendenausschüttungen, ein Zusatzeinkommen von mindestens 3 % jährlich.
Die – sehr konservativ – angenommenen 3 % jährliche Dividendenrendite lassen sich zu dem von den Versicherern oft genannten Rentenfaktor zurückrechnen. Er beläuft sich im konkreten Fall auf 25. Eine Rente ohne Kapitalverzehr, also nur aus Entnahme der Erträge, beliefe sich auf 350 € monatlich (140 000 € * 3 %/12 Monate). Das ist sowohl Frau Schwarz als auch Herrn Wirth eindeutig zu wenig. Lässt man zu, das Kapital über die Jahre aufzuzehren, kommt man zu höheren Rentenfaktoren.
Tabelle: Rentenhöhe bei unterschiedlicher Dauer
Kapitalstock wird abgebaut
Ganz allgemein kann es eine Vielzahl unterschiedlicher Gründe dafür geben, dass Menschen eine höhere jährliche Entnahme anstreben und dafür in Kauf nehmen, dass ihr Kapitalstock nicht erhalten bleibt, sondern schrumpft. Manchmal sind die Kapitalreserven zu gering um ohne Kapitalverzehr eine ausreichende Rentenhöhe erhalten – vielleicht gibt es auch keine Erben oder die Betreffenden möchten lieber mehr finanziellen Spielraum haben, um „mit warmer“ Hand geben zu können.
Das sieht bei den Beispielen so aus:
- Herr Wirth, ein sportlicher Jungrentner, möchte in den nächsten 15 Jahren viel reisen und unternehmen. Hierfür sind die 140 000 € gedacht, die danach – er ist dann 80 Jahre alt – gerne verbraucht sein dürfen. Natürlich will Herr Wirth auch jenseits der 80 noch „ordentlich leben“. Dazu reicht ihm aber die gesetzliche Rente und, dass er mietfrei in der eigenen Immobilie wohnt. Unter der Annahme der 3 % Rendite kann Herr Wirth 15 Jahre lang eine monatliche Zusatzrente von 980 € entnehmen. Während es bei reiner Entnahme der Erträge (Option „Rente ohne Kapitalverzehr“) nur 350 € sind.
- Frau Schwarz möchte ihre persönliche Rentenlücke schließen. Es geht ihr nicht um besondere Extras, sondern um einen höheren Lebensstandard bis zum Lebensende. Und es soll bitte am Ende des Geldes nicht noch Leben übrig sein, sondern lieber umgekehrt. Auch wenn sie sich nicht vorstellen kann, 100 Jahre alt zu werden, rechnet sie vorsichtshalber mit 35 Jahren selbst gemachter Rente – sie wäre dann 103. Aufgrund der langen Laufzeit fällt ihre Rente trotz gleicher Kapitalhöhe (140 000 €) geringer aus als die von Herrn Wirth, jedoch sind es immerhin 543 € monatlich – gegenüber 350 € bei der Rente mit vollem Kapitalerhalt.
Die Vorteile der Aktienrente
Trotz höchst unterschiedlicher Bedürfnisse und Lebenssituationen liegt der monatlich mögliche Entnahmebetrag bei der selbst gemachten Aktienrenten weit über dem, was eine Versicherungslösung ermöglichen würde. Dies gilt für Herrn Wirth, der kein Langlebigkeitsrisiko für sich sieht und mit einer auf 15 Jahre begrenzten Rentenbezugsdauer einverstanden wäre.
Und Frau Schwarz könnte mit einer etwas kürzer kalkulierten Laufzeit (zum Beispiel Endalter 98 statt 103 Jahre) nochmals einen knappen „Fünfziger“ mehr Monatsrente erzielen, aber mit der gewählten Alternative fühlt sie sich sicherer.
Und wo ist der Haken?
Die selbst gebastelte Rente über breit streuende, ausschüttende ETFs ist nicht ganz so bequem wie die Versicherungsrente. Während die Rente von Herrn Wirth mit seinem 80. Lebensjahr endet, kann es bei Frau Schwarz sein, dass sie im sehr hohen Alter mit der Handhabung ihrer selbst gebastelten Rente überfordert ist und Hilfe benötigt.
Grundsätzlich sollten Betroffene, die eine selbst gemachte Aktienrente wünschen, einen Entnahmeplan erstellen. Unterstützung bieten entweder die Verbraucherzentralen oder ein unabhängiger Honorarberater. Wichtig ist, dass der Berater wirklich unabhängig ist, nur vom Kunden vergütet wird, und am Ende nicht doch eine kostenintensive Versicherungslösung herauskommt.
Ist die selbstgemachte Rente sicher?
Die Sorge, dass die selbst gemachte Rente nicht so sicher ist, wie diejenige des Versicherers, sehen Frau Schwarz und Herr Wirth überhaupt nicht. Denn sie haben mit einer Verzinsungsannahme von nur 3 % schon vorsichtig gerechnet.
Wer noch defensiver denkt, könnte vielleicht 50 € weniger entnehmen, als rein rechnerisch möglich wäre. Trotzdem verbleibt eine deutlich höhere Rente als bei der Versicherungslösung. Das verbleibende Restrisiko ist minimal – etwa bei einem Weltkrieg oder einer langjährigen Wirtschaftskrise. Frau Schwarz und Herr Wirt wissen, dass in solchen Extremsituationen auch die Zahlungsfähigkeit der Versicherer bedroht ist. Diese haben rechtliche Möglichkeiten in existenzbedrohenden Krisen von ihren Garantieverpflichtungen zulasten des Kunden abzuweichen. Perfekte Sicherheit gibt’s eben erst im nächsten Leben.
Eine Arbeitshilfe rund um Renten finden Sie hier: www.wochenblatt.com/rentenrechner.
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