Umsatzsteuer-Pauschalierung: Wie ein Damoklesschwert

Weil das Weltgeschehen nur noch vom Corona-Virus bestimmt wird und für die Landwirte daneben die Düngeverordnung das drängendste Problem ist, gerät ein ­anderes Thema in Vergessenheit: Die Frage der Umsatzsteuer-Pauschalierung.

Vielen Landwirten droht Böses, wenn die Bundesregierung nicht schnell mit Brüssel in Sachen Umsatzsteuer-Pauschalierung handelseinig wird. Den meisten Bauern ist das nicht bewusst.

Die Idee: Nullsummenspiel für Staat und Bauern

Darum geht es: Landwirte in der EU dürfen aus Vereinfachungsgründen bei der Umsatzsteuer (landläufig: Mehrwertsteuer) anders abrechnen als Gewerbetreibende. Sie bekommen von ihren Abnehmern 10,7 % Umsatzsteuer auf ihre Verkaufserlöse bezahlt und müssen diesen Betrag nicht ans Finanzamt abführen. Im Gegenzug erhalten sie aber auch die beim Einkauf selbst gezahlte Umsatzsteuer für Futtermittel, Dünger, Pflanzenschutzmittel, Maschinen usw. nicht vom Finanzamt erstattet. Das Ganze soll für Staat und Bauer als Nullsummenspiel ausgehen und überflüssigen Verwaltungsaufwand sparen.

Klage der Kommission

Die EU-Kommission hat Deutschland aber verklagt, weil sie davon ausgeht, dass die Vereinfachungsregelung zu großzügig ausgelegt wird – nämlich nicht nur für Kleinbetriebe gilt – und weil der Pauschalsteuersatz angeblich zu hoch ist (das Wochenblatt berichtete).

Doch damit nicht genug: Ein zweites Verfahren beschäftigt sich speziell mit den deutschen Schweinehaltern. Ihnen wird angeblich mit der Umsatzsteuerpauschalierung eine besondere Förderung gewährt, welche die Kommission als unzulässige Beihilfe wertet.

Konsequenz: Wenn der Europäische Gerichtshof das auch so sieht, dann drohen den betroffenen Betrieben massive Steuerrückforderungen. Dabei geht es um einen Zeitraum von zehn Jahren!

Folgen kaum absehbar

Wie dramatisch die Folgen für einzelne Höfe im Detail sein können, lässt sich kaum erahnen. Ganz abgesehen von der Frage, wie die Finanzverwaltung ein solches Verfahren mit Zehntausenden Betrieben überhaupt abwickeln soll.

Die Bundesregierung versucht deshalb, die Verfahren im Verhandlungsweg zu beenden. Das ist sicher richtig, aber wird sich trotzdem für viele Bauernfamilien negativ auswirken. Klar scheint zu sein, dass die Pauschalierungsregelung in Zukunft wirklich nur noch für kleinere Betriebe zulässig sein soll.

Die spannende Frage dabei: Was gilt als „klein“ und welcher Maßstab wird herangezogen: Umsatz, Gewinn, Fläche oder Tierbesatz? Bisher alles unsicher.

Fest steht: Der Wegfall der Pauschalregelung in der Zukunft wäre zwar ärgerlich und unbequem. Steuerrückforderungen für einen Zeitraum von zehn Jahren in ungewisser Höhe wären dagegen eine Katastrophe. Wenigstens das muss unbedingt verhindert werden.

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