Kommentar

Zum Ende der Borchert-Kommission: Wenn Agrarpolitik versagt

Die Nachricht schaffte es sogar in die Tagesschau: Die Borchert-Kommission hat sich aufgelöst. Und damit der womöglich letzte Hoffnungsschimmer, dass der Umbau der Tierhaltung gelingt.

Überraschend kam die Nachricht für Insider nicht, trotzdem schaffte sie es in die Tagesschau: Die Borchert-Kommission hat sich aufgelöst. Und damit der womöglich letzte Hoffnungsschimmer, dass der politisch gewollte Umbau der Tierhaltung in der breiten Fläche und mit Fördergeldern gelingt. Der Mix aus deutschen Gesetzen und Weltmarktpreisen dürfte die Veredlung weiter dezimieren. Zumal der deutsche Lebensmittelhandel ebenfalls die Standards hochsetzt – ohne den Landwirten langfristig mehr Geld zuzusagen. Künftig landen dann noch mehr Schweinefilets aus dem Ausland auf deutschen Tellern. Aber das nehmen einige Politiker und Gruppierungen offenbar in Kauf.

Ampelregierung: Erste Schritte, aber kein Geld

Die Borchert-Kommission heißt offiziell "Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung". Vorsitzender ist Ex-Agrarminister Jochen Borchert. Das Gremium hat 2020 Konzepte für eine zukunftsfähige Nutztierhaltung hin zu mehr Tierwohl präsentiert. Ergebnis: Landwirte benötigen Investitionszuschüsse sowie langfristige staatliche Tierwohlprämien. Kosten: 3 bis 4 Mrd. € pro Jahr.

Tatsächlich ist die Ampelregierung erste Schritte dafür gegangen. Das Baurecht ist geändert, das Haltungs- und Herkunftskennzeichen auf dem Weg. Der größte Knackpunkt ist aber ungelöst: die Finanzierung. 1 Mrd. € hat die Ampel für die Tierwohlförderung vorgesehen – für vier Jahre. Und im Haushalt 2024 planen SPD, Grüne und FDP nicht mehr, sondern weniger Geld für die Landwirtschaft. So wollen sie auch beim Bundesprogramm Nutztierhaltung sparen und die Nutztierforschung kürzen. Die Botschaft lautet: mehr Tierwohl über Ordnungsrecht, aber keine Förderung.

Auch Klöckner hat Zeitpunkt verpasst

Damit scheitert der flächendeckende Umbau zu mehr Tierwohl. So sieht es auch die Borchert-Kommission. Deshalb hat sie hingeschmissen. Nun fokussiert sich die Kritik auf Agrarminister Cem Özdemir. Verständlich: Der Grünen-Politiker hatte den Umbau zu mehr Tierwohl zu seinem Leitthema gemacht. In brillanter Rhetorik erklärte er der Bevölkerung stets, was er alles tue, damit es Tieren und Bauern gut gehe. Doch das wirkt nun unglaubwürdig. Und so dürfte das Borchert-Aus an Özdemir haften bleiben.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Frage ums Geld ein Dauerstreit in der Ampel ist. Bei klammer Staatskasse gibt es andere Prioritäten als Strohställe für Schweine. Und: Den günstigen Zeitpunkt für einen halbwegs geordneten Umbau der Tierhaltung hatte bereits die Vorgängerregierung aus CDU und SPD mit Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) verstreichen lassen.

Wenn Agrarpolitik über Jahre versagt

Natürlich könnten Özdemir und die Ampel den Borchert-Plan auch nach dem Aus des Gremiums umsetzen. Daran glauben aber nur noch wenige. In der Praxis noch weniger. Daher dürfte sich das fortsetzen, was seit Jahren läuft: Weil sie keine Perspektive sehen, fahren die Tierhalter auf Sicht. Sie halten bestehende Ställe in Schuss, bauen aber kaum neu. Denn kein Schweinehalter leistet sich einen teuren Neubau für höhere Haltungsstufen, wenn er nicht gesichert mehr Geld für seine Tiere bekommt.

Vielmehr steigen weiter Tierhalter aus. Der eine baut ein anderes landwirtschaftliches Standbein auf. Den anderen zieht es in eine außerlandwirtschaftliche Tätigkeit. Das wünscht sich so kaum eine Bauernfamilie, ist aber das brutale Ergebnis, wenn Agrarpolitik über Jahre versagt.

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