Die Bundesregierung will landwirtschaftliche Betriebe finanziell unterstützen. Dafür stehen 180 Mio. € bereit. Doch Rinderhalter bekommen nichts von dem Geld. Das sagen Praktiker und Branchenkenner dazu:
„Gleiches Recht für alle!“
Es gibt viele Argumente für eine Gleichbehandlung aller landwirtschaftlichen Betriebsformen, also auch mit allen Rinderhaltern. Das sollte bei der Verteilung der Anpassungsbeihilfe, der Kleinbeihilfe, des dritten Entlastungspakets der Bundesregierung sowie aller weiteren Beschlüsse zur Beihilfepolitik der Bundesregierung unbedingt beachtet werden. Denn:
- Strom und Diesel sind beim Rinderhalter genau so teuer wie bei allen anderen.
- Der Dieselverbrauch ist im Futterbaubetrieb doppelt so hoch wie im Veredlungsbetrieb. Dieser beträgt etwa 200 l/ha, der Bundesdurchschnitt liegt aber bei 100 l/ha laut KTBL.
- Für Futterbaubetriebe hat es seit der BSE-Krise (seit 21 Jahren) kein Hilfsprogramm mehr gegeben. Nicht bei 20 Cent/kg Milchgeld oder weniger als 3 €/kg Rindfleisch.
- Rindviehhalter müssen sich, wie alle anderen, den künftigen Tierwohlanforderungen mit entsprechenden Kosten stellen.
- Wenn es um europäische oder nationale Mittel geht (Anpassungsbeihilfe), stehen diese allen zu und nicht nur denen, die am Markt schwerlich Geld verdienen. Gleiches Recht für alle!
- Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir hat die Futterbaubetriebe, gleich wie alle anderen auch, politisch in all seinen Entscheidungen zu vertreten.
„Milchviehhalter fallen mal wieder raus“
Wie so oft, fallen die Rinderhalter auch bei dieser finanziellen Unterstützung vom Bund wieder raus. Dabei gibt es gerade auf Milchviehbetrieben viele energieintensive Arbeitsschritte:
- der Melkvorgang an sich,
- die gesamte Melktechnik mit Reinigung usw.,
- Kühlung der Milch,
- extrem hoher Dieselverbrauch für die Fütterung (Be-, Entladen des Mischwagens, verteilen von Futter), sowie die Futterbergung.
Außerdem sind die Energiekosten in der Verarbeitung in den Molkereien stark gestiegen. Schon im Herbst jetzt wachsen die Kosten um immense Beträge. Am Ende zahlen das die Bauern.
Bullenmäster erneut ausgeschlossen
Ähnlich wie beim Corona-bedingten Preisverfall treffen die aktuellen Marktverwerfungen durch den Ukraine-Konflikt die Rindfleischerzeuger erneut ungebremst. Neben gestiegenen Betriebsmittelkosten wird die wirtschaftliche Situation der Betriebe insbesondere durch eine abnehmende Nachfrage nach Rindfleischprodukten auf Verbraucherseite und damit verbundenen Absatzschwierigkeiten befeuert. Dabei müssen wir beobachten, dass Rindermäster, wie bei den Corona-Hilfen, abermals von der notwendigen politischen Flankierung in Form einer finanziellen Unterstützung ausgeschlossen werden. Das ist unverständlich und gefährdet Existenzen.
Der Zeitraum ist problematisch
Der Referenzzeitraum Anfang des Jahres, den das Thünen-Institut gewählt hat, ist für Rinderhalter mehr als ungünstig. Denn im Winter sind die Preise für Rindfleisch immer gut.
Wir haben drei trockene Jahre mit schlechten Preisen hinter uns. In der Folge haben viele Rinderhalter abgestockt. Das logische Ergebnis sind Preissteigerungen. Trotzdem sind die historisch hohen Notierungen zu Beginn des Jahres nicht der Schnitt. Das hätte das Thünen-Institut beachten müssen.
Es ist doch schon merkwürdig, dass alle Rinderhalter komplett aus dem Paket gefallen sind. Ich wünsche mir, dass wir beim nächsten Beihilfen-Programm Beachtung finden.
Rinderbetriebe vergessen?
Die Beihilfen vom Bund sind für energieintensive Betriebe gedacht. Dazu gehören definitiv Rinderhalter. Diese wurden allerdings nicht berücksichtigt. Warum? Gerade Rinderhalter sind von den hohen Dieselkosten betroffen: Ernte- und Fütterungskosten steigen.
Die Heizkosten in Kälber- und Fresseraufzuchtställen schießen durch die Decke. Hinzu kommen Kosten für die Be- und Entlüftung sowie das Erwärmen der Milchfütterung.
In der Bullenmast können wir pro 300 Bullen mit rund 150 l Diesel pro Woche rechnen – nur für Futterentnahme und Fütterung. Besonders die Maisernte ist kosten- und energieintensiv. Vergleicht man einen Schweine- mit einem Bullenmastbetrieb, so braucht ein Schweinehalter rund 85 l Diesel/ha und ein Bullenmäster 270 l/ha.
Energiekosten sind extrem hoch
Die hohen Gas-, Strom- und Futterkosten belasten die Wirtschaftlichkeit der Kälbermast stark. Die hohen Preise für Magermilchpulver und Kraftfuttermittel schlagen besonders zu Buche. Der Energie- und Wärmebedarf wird häufig unterschätzt. Umso bedauerlicher ist es, dass die Kälbermäster keinen Zugang zu der Anpassungsbeihilfe von 180 Mio. € vom BMEL haben. Das stößt bei den Mästern auf großen Unmut.
Zudem schwingt die Verunsicherung über die Entwicklung der Erzeugerpreise mit. Werden sich die Auswirkungen der Energiekrise auf das Konsumverhalten auswirken? Es bleibt nur die Hoffnung auf eine gute Nachfrage nach Kalbfleisch.
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