Mal sind sie die Helden. Und mal die Schrecken der Straße: Große Traktoren polarisieren. Zur Weihnachtszeit kurvten sie mit Lichterketten geschmückt durch die Straßen und erfreuten Zuschauer. Auch beim Schneeräumen im Februar kassierten sie viel Lob. Aber es gibt auch diese anderen Momente. Wenn auf schmalen Wirtschaftswegen Erholung suchende Menschen und Traktorfahrer aneinander vorbei müssen. Wenn das zwanzigste Traktorgespann durchs Dorf donnert. Wenn sich kilometerlange Schlangen blank polierter XXL-Trecker durch die Stadt wälzen, behängt mit Demo-Plakaten über ruinöse Preise. Dann fragt sich mancher: Werden die Trecker immer größer? Wenn ja, warum? Und vor allem: Wer kann sich solche Maschinen leisten?
Traktoren im Transportsektor
Tatsächlich sind mehr Trecker denn je unterwegs. Pro Jahr werden in Deutschland rund 30.000 Traktoren neu zugelassen; im vergangenen Jahr waren es trotz Corona sogar noch 2000 Fahrzeuge mehr. Diese Entwicklung geht unter anderem vom Transportsektor aus. Im Tiefbau läuft beispielsweise ohne „dicke Brummer“ nichts. Denn in unwegsamem Gelände sind Traktorgespanne zum Transport von Erde und anderen Schüttgütern unschlagbar.
Transporte spielen auch in der modernen Landwirtschaft eine große Rolle und sorgen für mehr Traktoren auf den Straßen. Dazu tragen die Biogasanlagen mit ihrem ständigen Materialbedarf bei. Auch als Zugmaschinen für Kipper und Güllefässer brauchen die Trecker mehr Leistung. So gab es beim Schlepperkauf vor allem im Bereich von 200 bis 250 PS in den zurückliegenden zehn Jahren starke Zuwächse.
Trecker im Straßenverkehr
Mehr Leistung ist aber auch auf dem Acker gut. Rechtliche Rahmenbedingungen und Wetterkapriolen engen die Zeitfenster fürs Säen, Pflegen und Ernten ein. Um schnell und effizient zu ackern, braucht es große Anbaugeräte – diese wiederum verlangen nach einer Zugmaschine mit entsprechender Leistung. „Vor eine 6-m-Drillkombination passt am besten ein Traktor der Leistungsklasse von 250 bis 300 PS“, nannte einer unserer Gesprächspartner ein Beispiel.
Zusätzliche PS gehen bei Traktoren nicht mit ungebremstem Größenwachstum einher. Das lässt die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung nicht zu. Wer sich die Regelungen anschaut, spürt den Konflikt sofort: Hier die Fuhrpark-Realität in Landwirtschaft und Transportbranche – dort marode Wirtschaftswege und zu enge Landstraßen. So strapaziert die maximal zulässige Breite von 3 m für landwirtschaftlich genutzte Zugmaschinen und Anhänger den öffentlichen Verkehrsraum bis aufs Äußerste.
Manche Gemeinde sucht nach unkonventionellen Lösungen des Problems, etwa Stemwede im Kreis Minden-Lübbecke. 2019 verbreiterte die Gemeinde die Bankettstreifen stark frequentierter Wirtschaftswege durch Rasengittersteine und schaffte damit auch Ausweichbuchten. Ein Notbehelf, aber immerhin ein Anfang.
Ein Trecker für viele
Der 2020 meistverkaufte Traktor Deutschlands kostet laut Liste rund 243.000 €. Hinter so einem Fendt Vario 724 steckt nicht unbedingt ein einzelner Landwirt. Vielmehr stellen Lohnunternehmen, Maschinenringe oder -gemeinschaften und ähnliche Zweckbündnisse eine wachsende Kundengruppe dar. Sie kaufen die neuen Traktoren zunehmend „auf Pump“, berichteten uns Bänker, die die Finanzierung solcher Maschinen abwickeln. Noch recht neu, aber stark im Kommen sind Leasingmodelle mit zeitlich begrenzter Nutzung der Traktoren.
Die Maschinengenossenschaft Loxten bei Versmold im Kreis Gütersloh hat beispielsweise zehn Schlepper mit 100 bis 330 PS im Fuhrpark. Die Genossenschaft, 1903 als Dampfdreschgemeinschaft gegründet, zählt 170 Mitglieder und ist als regionaler Agrardienstleister aktiv. Den Genossenschaftsgedanken „Was einer nicht schafft, schaffen viele“ halten elf Vollzeitmitarbeiter, zehn Aushilfsfahrer und der ehrenamtliche Vorstand heute noch hoch. Hinzu kommt das moderne Diktat namens „just in time“. Am Markt bleibt nur, wer Aufträge schnellstmöglich nach Kundenwunsch abwickelt. Dabei ist der Fuhrpark entscheidend, betont Geschäftsführer Andreas Rolf. Die Traktoren werden viel intensiver genutzt und deutlich früher ausgetauscht als in einem landwirtschaftlichen Durchschnittsbetrieb. „Die Schlepper machen 10.000 bis 12.000 Betriebsstunden. Dann handeln wir sie um. Die Zuverlässigkeit zählt.“
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