Ländliche Familienberatung

Damit schlechten Zeiten gute folgen

Helga Rolfes und Bernhard Hülsken bilden Frauen und Männer mit Bezug zur Landwirtschaft als ehrenamtliche Familienberater aus. Hier schildern sie, wie Ausbildung und Beratung sie selbst bereichern.

Was unterscheidet die länd­liche Familienberatung (LFB) von anderen Beratungsangeboten?

Hülsken: Das Besondere ist, dass die LFB mit ehrenamtlichen Beraterinnen und Beratern arbeitet, die zu zweit auf die Höfe fahren und dort eine Familie begleiten. Die Berater kennen das System Landwirtschaft aus dem eigenen Leben, sind also nah dran an den Themen der Menschen, können aber durch die Vorbereitung bzw. Qualifizierung ihre Rolle als Berater wahrnehmen, ohne sich in die herausfordernden Themen verwickeln zu lassen.

Rolfes: Die ländliche Familienberatung ist eine psychosoziale Beratung für die Familien auf den Höfen. Es geht um persönliche und familiäre Themen. Das Spektrum reicht von Familienkonflikten und Überforderung über Einsamkeit, Trauer und Ängste bis hin zu Fragen des Älterwerdens, der Loyalität zur Hofgeschichte und ihren Traditionen. Es kann und darf alles auf den Tisch kommen, was die Menschen auf den Höfen bewegt und belastet.

Helga Rolfes ist Klinikseelsorgerin, systemische Familienberaterin und Supervisorin. (Bildquelle: Niels-Stensen-Kliniken)

Warum ist in der Ausbildung die Reflexion der eigenen Biografie so wichtig?

Rolfes: Indem ich mein eigenes Leben reflektiere und erlebe, wie andere das tun, hinterfrage ich automatisch bestimmte Rollenbilder. Ich kann anders auf meine Geschichte blicken und mehr Klarheit bekommen. Dadurch werde ich einfühlsamer und offener für andere Menschen, ihre Gefühle und ihre Entscheidungen. Bislang sagen alle ausgebildeten Berater, dass die Ausbildung ein Geschenk und eine Bereicherung für ihr Leben war und ist.

„Die Ausbildung verändert und bereichert das eigene Leben.“

Hülsken: Die Berater treffen nach der Ausbildung auf Familien, die mit ihnen herausfordernde Themen, ihre Nöte und Ängste, teilen. Dann ist es wichtig, dass diese Themen die Berater nicht verunsichern oder ängstigen, sondern sie mit ihrer beraterischen Kompetenz die ratsuchenden Menschen begleiten können.

Bernhard Hülsken ist Pädagoge und Berater. (Bildquelle: privat)

Muss ich also selbst viele Krisen erlebt haben, um ein guter Berater zu werden?

Hülsken: Nein, das muss man auf keinen Fall. Entscheidend ist, dass die Berater offen sind für Menschen und die Themen, die ihnen begegnen.

Entscheidend ist, dass die Berater offen sind für Menschen und die Themen, die ihnen begegnen.

Was sollten die Bewerber noch mitbringen?

Hülsken: Sie sollten in der Regel zwischen 25 und 60 Jahre alt sein, selbst vom Hof kommen oder landwirtschaftliche Erfahrung mitbringen.

Rolfes: Und sie sollten Freude da­ran haben, sich selbst und andere Menschen wirklich zu verstehen. Wichtig ist das Interesse, Menschen auch in Konflikt- und Krisensituationen zu begleiten. Und das immer auf Augenhöhe, niemals von oben herab.

Wie geht es nach der Ausbildung weiter?

Hülsken: Die Teilnehmer haben dann das nötige Rüstzeug, um zu zweit ratsuchende Menschen im ländlichen Raum zu begleiten. Die Erfahrungen, die sie dabei machen, werden im Rahmen von regelmäßiger Supervision reflektiert und schwierige oder herausfordernde Situationen nachgearbeitet. Daneben gibt es zusätzliche Fortbildungen, die bestimmte Themen vertiefen.

Neue Berater gesucht

Das Land NRW hat die Ländliche Familienberatung im Bistum Münster mit der Ausbildung von ehrenamtlichen Familienberaterinnen und -beratern für den Einsatz im Rheinland beauftragt. Die systemisch-ganzheitliche Ausbildung findet an acht Wochenenden verteilt über eineinhalb Jahre statt.

Die „Beratungs-Azubis“ setzen sich mit der eigenen Lebensbiografie aus­einander und ergründen, wie Menschen und landwirtschaftliche Familien „ticken“, wie das System „Hof“ funktioniert. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer lernen Methoden und Techniken für die ­Beratung. Deren Umsetzung trainieren sie anhand konkreter Beratungsfälle.

Die Ausbildung ist für die Teilnehmenden kostenlos. Wer Interesse hat, kann sich noch bis zum 7. April melden. Weitere Infos zur Ausbildung erhalten Sie unter Tel. (01 51) 52 36 57 50 oder per E-Mail an lfb-rheinland@web.de.

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