Vogelschutzgebiet im Kreis Soest

Das Vogelschutzgebiet Hellwegbörde ist eines der größten seiner Art in Europa. 85 % des Schutzgebietes liegen im Kreis Soest, wo Landwirte sich aktiv am Artenschutz beteiligen.

Andreas König ist Landwirt, Jäger und Naturschützer in Personalunion. Deshalb möchte er die drei „Welten“ so zusammenführen, dass die unterschiedlichen Interessen gleichermaßen berücksichtigt werden und am Ende alle Beteiligten profi­tieren.

Die Natur und die jahr­­­hunderte­alte Kulturlandschaft der Hellwegbörde liegen dem 57-Jährigen besonders am Herzen, der in Bad Sassen­dorf-Neuengeseke mit seiner Familie einen 160-ha-Acker­­bau­betrieb mit Schweinemast bewirtschaftet.

„Für die Pflege der Kulturlandschaft und den Erhalt des Artenreichtums spielen Landwirte und Jäger eine tragende Rolle“, erklärt König im Gespräch mit dem Wochenblatt: Schließlich ist die Hellwegbörde mit ihren großen, offenen Flächen in ihrer heutigen Art vor allem durch die ackerbauliche Nutzung entstanden.

Lebensraum für Feldvögel

In diesem Lebensraum fühlen sich Feldvögel wie Rebhuhn, Wachtel, Feldlerche aber auch der Kiebitz wohl. Hinzu kommt die Wiesen­weihe – ein habichtartiger Greif­vogel, der offene Steppenland­schaften bevorzugt, aber in Mitteleuropa gerne auch intensiv genutzte landwirtschaftliche Flächen besiedelt. Auf den Ackerflächen jagt und brütet er, wobei der Bruterfolg eng mit dem Nestschutz durch den Menschen korreliert.

Die Wiesenweihe, so hat Andreas König beobachtet, brütet beispiels­weise häufig in Wintergersten­feldern. Weil die Jungvögel in der Regel erst in der zweiten Julihälfte flügge werden, gilt es, die Nester vor dem Mähdrusch zu orten. Das funktioniert im Kreis Soest recht gut, berichtet der Landwirt, der sich als stellvertretender WLV-Kreis­ver­bands­vor­sitzender regelmäßig mit vielen Berufskollegen austauscht.

Landwirte, Jäger und Naturschützer sind gleichermaßen daran interessiert, die bedrohten Vögel zu schützen. „Als Jäger bemühe ich mich beispielsweise, Fressfeinde wie Fuchs und Marder kurzzuhalten“, erklärt König. Zudem werden alle entdeckten Nester markiert. Zudem wird bis zum Ausfliegen der Jungvögel eine etwa 50 x 50 m große Schutzzone abgesteckt, die erst später geerntet wird. Den Ertragsausfall bekommen die Bauern vom Land NRW ersetzt.

Start- und Landebahnen

Interessanterweise scheinen die Wiesenweihen konventionell bewirtschaftete Äcker zu bevorzugen. Das hängt mit den Fahrgassen zusammen, vermutet der Landwirt, die in konventionellen Getreideschlägen oftmals rund einen halben Meter breit und kaum bewachsen sind. Diese Fahrgassen werden von den Vögeln als willkommene „Start- und Landebahnen“ benutzt.

Gegenüber den sogenannten Lerchen­fenstern hat die Nutzung der Fahrgassen für die Vögel sogar Vorteile, erklärt An­dreas König und erzählt dazu eine Anekdote: Vor einigen Jahren begutachtete er zusammen mit einem Prüfer seine damals zahlreich angelegten Lerchenfenster, als eine Rabenkrähe zielstrebig heran flog. Diese stieß in der Nähe des Fensters hinunter und flog nach einigem Geschrei mit einem Kiebitzküken im Schnabel wieder davon.

„Offenbar haben die schlauen Vögel gelernt, dass in der Nähe der Saatfenster einfach Beute zu machen ist“, so König. Falls Lerche, Kiebitz und Co. ihre Jungen da­gegen in der Nähe einer Fahrgasse aufziehen, kommt dafür praktisch der gesamte Getreide­schlag infrage. Die Chancen, dieses Nest zu entdecken, sind ungleich geringer.

Mit 10 % Ackerfläche dabei


Andreas König hat sein Vogel­schutz-­­Engagement jedenfalls angepasst. Lerchenfenster legt er nicht mehr an. Dafür beteiligt sich der Landwirt mittlerweile mit 10 % seiner Ackerfläche am Natur-, Arten- und Vogelschutz. Er baut aktuell zehn (!) verschiedene Ackerfrüchte an und nimmt an mehreren Vertragsnaturschutz­maß­nahmen wie dem Anbau von Sommergetreide mit doppeltem Reihenabstand oder der Brache mit Selbstbegrünung bzw. mit Aussaat einer regionaltypischen Blühmischung teil. König hat zudem zahlreiche Blühstreifen oder -flächen angelegt und beteiligt sich mit weiteren Teilflächen am Projekt „Blühendes Band durch Bauernhand“ der Stiftung West­fälische Kulturlandschaft.

Andreas König setzt auf Artenvielfalt. (Bildquelle: Heinz-Georg Waldeyer )

Das alles geht natürlich nicht zum Nulltarif. Wer sich aktiv am Artenschutz beteiligt, muss für diese gesellschaftliche Aufgabe auch eine Gegenleistung erhalten, findet der Landwirt: Die Vertragsnaturschutz­maßnahmen beispielsweise werden über den Kreis bewilligt und aus EU- sowie nationalen öffentlichen Töpfen gefördert.

Das System wird gut angenommen. Die eingebrachte Fläche hat sich seit 2008 mehr als verdreifacht und umfasst heute rund 3600 ha in 540 teilnehmenden Betrieben. Das entspricht rund 5 % der Nutzfläche im Kreisgebiet. Daneben sind in diesem Jahr über den Agrarantrag knapp 1300 ha Blüh- und Uferrand­streifen angelegt. Und über das Blühende Band wurde im Kreis Soest im Frühjahr 2021 Saatgut zur Einsaat von weiteren 180 ha ausgegeben. An dieser Aktion haben sich 160 Betriebe beteiligt. Mangelndes Engagement beim Natur- und Vogel­schutz kann man den Landwirten daher wirklich nicht vorwerfen.

Hellwegbörde
Die ackerbaulich geprägte Hellwegbörde ist ein überregional bedeutendes Brutgebiet für die Wiesenweihe und Feldvögel wie Wachtelkönig, Rebhuhn und Feld­lerche. Sie ist zudem Rastgebiet für Rotmilan, Kornweihe, Kiebitz, Goldregen- und Mornellregenpfeifer. 2004 wurde in der Region deshalb ein gut 48  000 ha umfassendes EU-Vogelschutz­gebiet ausgewiesen, von dem nahe­zu 40  000 ha im Kreis Soest liegen. Das sind fast 65 % aller Ackerflächen im Kreisgebiet!

Entsprechend wichtig ist das Thema für die Soester Bauern. Bei der Einrichtung des Schutzgebietes wurde beispielsweise vereinbart, dass die Landwirte für bestimmte, freiwillige Schutzmaßnahmen angemessen entschädigt werden. Die übrigen Flächen können sie ohne Einschränkungen bewirtschaften. Durch das Agrar- bzw. Insektenschutzpaket stand dann ab 2019 allerdings ein Verbot des chemischen Pflanzenschutzes in Vogelschutzgebieten im Raum, wovon – wie gesagt – zwei Drittel der Ackerflächen im Kreis Soest betroffen wären. Die Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung wurde jedoch insofern entschärft, dass die Verbote nur in nationalen Schutzgebieten, also hauptsächlich in Naturschutzgebieten, Nationalparks und gesetzlich geschützten Biotopen gelten.

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