Wochenblatt: Herr Prof. Taube, mit welchen klimatischen Auswirkungen müssen wir kurz- bis mittelfristig in Deutschland –
speziell in Nordwestdeutschland – rechnen?
Nach allem, was wir bisher wissen bzw. was die Klima
modelle für den nordwestdeutschen Raum prognostizieren, wird es nicht nur insgesamt wärmer, sondern vor allem auch im Winter feuchter und im Frühsommer häufiger extrem warm und trocken.
Diese Entwicklung ist aber nicht ganz neu, denn wir sehen diese Trends schon seit mehreren Jahrzehnten. So ist beispielsweise die Temperatursumme (alle Tagestemperaturen >6 °C aufsummiert) in der typischen Vegetationszeit des Silomaises zwischen Mitte April und Mitte Oktober in den letzten 50 Jahren (seit 1970) um 300
°C angestiegen, während der Jahresniederschlag im Nordwesten (anders als im Osten) stabil geblieben ist. Mehr Niederschläge im Winter und weniger im Sommer bedeuten unter anderem höhere Nährstoffverluste über das Sickerwasser und die Dränagen.
Wir wirken sich diese Klimafolgen auf den Ertrag aus?
Die Klimafolgen auf die pflanzlichen Erträge sind für die Kulturarten sehr unterschiedlich einzuschätzen und dazu auch noch vom Zuchtfortschritt und Management überlagert.
Ein „Gewinner des Klimawandels im Nordwesten“ ist der Mais und zwar deshalb, weil er als C4-Pflanze wesentlich sensitiver auf
Temperaturerhöhungen reagiert als C3-Gräser (Getreide, Futtergräser). Wir haben gerade eine Studie veröffentlicht, die den Zuchtfortschritt bei Silomais in den letzten 40 Jahren analysiert. Es hat sich
gezeigt, dass allein die eingangs genannten Temperaturerhöhungen ohne Zuchtfortschrittseffekte fast 70
kg Trockenmassezuwachs pro Jahr erklären. Dazu kommen die Leistungen der Züchter, die in diesem Zeitraum neue Sorten mit zwei zusätzlichen (16 statt 14) und längeren (+10 cm) Blättern als Anpassung an längere Vegetationszeiten selektiert haben, sodass am Ende ein linearer
Ertragszuwachs von mehr als 130
kg Trockenmassezuwachs pro ha und Jahr zu Buche schlägt
– theoretisch, denn leider wird dieses Potenzial nicht entsprechend in der Praxis umgesetzt, wobei zu enge Fruchtfolgen und Aspekte wie Bodenverdichtung wichtige Ursachen darstellen.
Wie wirken die klimatischen Veränderungen auf die tierischen Leistungen?
Die tierischen Leistungen sind mehrfach betroffen: Die energetischen Kosten für die Klimatisierung der Ställe im Sommer steigen.
Milchkühe in Weidesystemen werden im Hochsommer vermehrt auf Halbtagsweide (nachts Weide, tagsüber Stall) umstellen müssen, was erhöhte Futterkosten verursacht. Zudem kann die mit dem Klimawandel assoziierte Ausbreitung von Krankheiten die Außenhaltung von Nutztieren beeinträchtigen.
Mit welchen monetären Auswirkungen müssen Landwirte rechnen? Wer wird bzw. wer sollte für die notwendigen Anpassungsmaßnahmen aufkommen?
Die monetären Auswirkungen des Klimawandels werden einzelbetrieblich sehr unterschiedlich
ausgeprägt sein. In Brandenburg mit per se schon sehr geringen
Niederschlägen werden zusätz
liche Trockenperioden deutlich stärkere Auswirkungen verursachen als in der Marsch im Nordwesten. Ob es unter diesen Umständen Sache des Staates ist,
jenseits der ja beschlossenen Fast-Streichung der 19%igen Versicherungssteuer nun eine weitere halbe Milliarde an Subventionen für Mehrgefahrenversicherungen bereitzustellen, muss politisch ausgehandelt werden.
Es ist aber angesichts der Pachtpreis-Rallye in den vergangenen 10
bis
15 Jahren kritisch zu hinterfragen, ob solche klimabedingten Effekte auf die Erträge an schwachen Standorten nicht eher über den Bodenmarkt, also niedrigere Pachtpreise auf Trockenstandorten, geregelt werden sollten als über zusätzliche Subventionen. Denn Subventionen lösen erhebliche Mitnahmeeffekte für Betriebe auf Gunststandorten aus, die diese Unterstützung nicht unbedingt nötig hätten, nun aber durch die Subventionierung Zusatzumsätze für die Versicherungswirtschaft auslösen dürften.
Wie können sich Landwirte den Veränderungen anpassen?
Mittelfristig wird sich das Kulturartenspektrum weiter zugunsten des Körnermaises auch in nördlichen Teilen des Landes verändern. Dies wird aber meines Erachtens im Gegenzug durch zurückgehende Flächenanteile des Silomaises kompensiert, weil Silomais in vielen Regionen Deutschlands jenseits des optimalen Anteils in der Fruchtfolge angebaut wird. Es werden Kulturen wie Luzerne und Kleegras gewinnen, weil sie bei absehbarem CO2-Zertifikatehandel Gutschriften auslösen und so zu biologischen „climate smart Systemen“ beitragen werden.
Kurzfristig ist sicher die Diversifizierung des Kulturartenspektrums sinnvoll. Weil das aber in einem spezialisierten Betrieb nicht einfach ist, bieten sich vor allem
Kooperationsmodelle zwischen Marktfrucht- und Tierhaltungsbetrieben im Sinne von virtuellen Gemischtbetrieben an – hier gibt es noch viel Potenzial.
Welche Anpassungsmaßnahmen empfehlen Sie in Nordwestdeutschland?
Der genannte Ansatz der virtuellen Gemischtbetriebe gilt vor allem für Norddeutschland, denn aufgrund unserer auch im Klimawandel im globalen Vergleich weiter bestehende Gunstlage für Futterbau, Milch und Getreide ist die Aufhebung der Spezialisierung auf den Äckern zentral: also wo immer möglich, Kleegras, Mais und Getreide in einer Fruchtfolge statt Mais in Selbstfolge auf der einen Seite und Raps, Weizen, Weizen auf der anderen Seite. Dadurch wird die im globalen Vergleich
hohe Ökoeffizienz der Produktion noch besser dokumentiert, das heißt, bei weltweiter Betrachtung produzieren wir (auch aufgrund der Weiterentwicklung der Dün-
geverordnung) vergleichsweise geringe Treibhausgas-Emissionen und N-Überschüsse je Produkteinheit.
Darauf aufbauend gilt es, diese Vorteile zukünftig noch stärker über die Vermarktung der Produkte sichtbar zu machen. Klimalandwirtschaft muss einen Preis haben, um so die Volatilität der Naturalerträge zusätzlich abzupuffern.
Mit welchen Maßnahmen kann die Landwirtschaft aktiv zum Klimaschutz beitragen?
Zunächst einmal bedeutet die in Norddeutschland generell hohe Produktivität je Hektar bei einer ausgeglichenen Humusbilanz in der Fruchtfolge und unter der Voraussetzung geringer Nährstoffüberschüsse, dass woanders auf der Welt theoretisch naturnahe Ökosysteme erhalten werden können, die C speichern. Theoretisch, denn praktisch wird das durch unsere und die Konsummuster der westlichen Welt (zu hohe Anteile von Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs) komplett kompensiert. Dies haben wir seitens des Wissenschaftlichen Beirats beim BMEL in
dem gerade erschienen Ernährungsgutachten ausgeführt.
Dennoch gibt es auch die kleinen Schritte, die Sinn machen: wie beispielsweise die Bedeutung des Kleegras- und Luzerneanbaus. Ich bin überzeugt davon, dass wir hier eine positive Entwicklung in größerem Maßstab sehen werden, weil mit diesen mehrjährigen Kulturpflanzen hohe Humusmengen im Boden aufgebaut werden. Die Koppeleffekte mit mehr Biodiversität, verringerter Gewässerbelastung und Trockenheitstoleranz bilden genau das ab, was zukünftig mehr gebraucht werden wird. Wir arbeiten in Kiel an Mischungs
optimierungen mit zusätzlichen Kräutern, die hohe Mengen an Kohlenstoff in den Boden bringen, hohen Futterwert haben, den Insekten als zusätzliche Nahrung dienen können und deren Wurzeln im Boden sehr langsam abgebaut werden.
Ist eine Umstellung der Produktion auf ökologische Landwirtschaft insgesamt klimafreundlicher? Oder braucht es vielmehr eine Art „Hybrid-Landwirtschaft“?
Das Modell der Hybrid-Landwirtschaft, also eine Kombination aus Teilen der Fruchtfolge, die ökologisch gemanagt werden, wie zweijähriges Kleegras und Hafer gefolgt von drei Kulturen, die konventionell bewirtschaftet werden (Raps, Weizen ...), sehe ich als sehr vielversprechend an. Wir würden das Insektenschutzprogramm so ebenso elegant angehen wie die Klima- und Wasserschutzziele, ohne zu viel Produktivität zu verlieren. Hier ist der Staat gefordert, unterstützend einzugreifen – im Idealfall mit der Implementierung des DVL-Gemeinwohlprämienansatzes als Teil der Eco-Schemes im Rahmen der EU-Agrarpolitik.
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