Beziehungsstatus: Milchviehhalter

Partnerin gesucht: Viele Kühe, keine Liebe?

Wie schwer ist es für einen Milchviehhalter, eine Partnerin fürs Leben zu finden? Kann eine Beziehung entstehen und sich entwickeln, wenn ständig "der Betrieb" ganz vorn steht?

Ein neuer Stall, ein neuer Schlepper, in der Blüte seines Lebens, die Eltern noch rüstig, aber irgendwas fehlt: Heute wie früher fällt es insbesondere Tierhaltern schwer, eine Partnerin oder einen Partner zu finden, der mit einem gemeinsam in die Zukunft gehen will.

Doch woran liegt es? Tierhalter müssen an 365 Tagen im Jahr und 24 Stunden am Tag theoretisch verfügbar sein. Wer kennt es nicht: Ein Geburtstag oder der Weihnachtsabend naht – und genau dann kalbt die Kuh. In solchen Situationen ist es schwer, das Verständnis des Partners oder der Partnerin gerade zu Beginn einer Beziehung zu haben, vor allem, wenn man noch nicht zusammen­lebt und die gemeinsame Zeit knapp ist.

Im Zweifel hat der Betrieb Vorrang

Natürlich kann man ein gewisses Verständnis erwarten und hat vielleicht jemanden kennengelernt, der vom Land kommt. Aber irgendwann stellt sich die provokante Frage: „Ich oder die Kühe?“ Jeder weiß, dass der Betrieb im Zweifel Vorrang hat und so der vielversprechende Anfang einer Beziehung schnell zum Ende kommt.

Doch die Auswirkungen, keinen Partner zu haben, sind sowohl für einen persönlich als auch den Betrieb auf Dauer gravierend.

Junggesellen gab es und wird es immer geben. Irgendwann ist die Zeit für die Partnersuche vorbei, und man beschäftigt sich nicht mehr damit. Solange die Eltern auf dem Hof sind und ein guter Freundeskreis da ist, mag das funktionieren. Wenn irgendwann der Freundeskreis zwischen 30 und 40 Jahre alt ist, werden Häuser gebaut, Familien gegründet – und die gemeinsame Zeit wird immer weniger. Auch die Eltern werden immer älter, Geschwister helfen, wenn es geht, häufiger aus und eines Tages wird es ruhig auf dem Hof, wenn die Altenteiler versterben.

Das Haus ist groß, die Ansprache fehlt, und was bleibt, ist nur die Arbeit auf dem Hof, die täglich reichlich anfällt. Investitionen werden nur noch getätigt, wenn wirklich nötig, die Hofstelle wird als Arbeits- und weniger als optisch ansprechender Lebens­raum gesehen. Mögliche Hofnachfolger wie Nichten und Neffen mögen zwar Interesse zur Hofnachfolge haben, aber wirklich ansprechen mag man es auch nicht. Man befindet sich persönlich und betrieblich in einer Abwärtsspirale. Wie kann man hier rauskommen? Was kann man tun, um genau das zu ändern?

Einige Fragen, die helfen können

Zuallererst weiß niemand, wer zu einem passt, manchmal sogar man selbst nicht. Mit dem Betrieb wird einem möglichen Partner indirekt auch schon ein potenzieller Platz gegeben, ohne wirklich zu wissen, dass er oder sie ihn auch mag.

Man lebt sehr nah aufeinander und es wäre nicht der erste Fall, dass die Eltern des Betriebsleiters nicht mit dem neuen Partner oder der neuen Partnerin ­einverstanden sind und umgekehrt. Was kann man tun, um so einer Situation vorzubeugen?

  • Frühe Beschäftigung mit der Thematik: Würde ich selbst wollen, auf einen Betrieb zu kommen, der meine Lebensplanung schon vorgibt?
  • Schafft mir die abgetrennte Wohnung, das eigene Haus nicht einen neuen Abstand zu den Eltern, der allen und auch dem Betrieb nützt, da man bei Streit zumindest nach der Stallarbeit seine Ruhe hat?
  • Ist die Arbeit auf dem Betrieb zu viel und man ­sowieso auf Anschlag, dass ein neuer Partner oder eine neue Partnerin schnell zur Arbeitskraft degradiert wird und gar keine Partnerschaft vor lauter Arbeit entstehen kann?
  • Gebe ich mir überhaupt die Möglichkeit, auf Hallenpartys, privaten Feiern oder sonstigen Anlässen jemanden kennen­zu­lernen?
  • Kann ein Urlaub der Eltern oder des Hofnachfolgers auch eine Chance sein, die Betriebsabläufe so umzugestalten, dass es trotzdem funktioniert?

Diese Punkte sind kein Patentrezept, aber geben Räume und Möglichkeiten, eine Partnerschaft zu ermöglichen und sich auch einmal etwas Gutes zu tun.

Wie geht es jetzt weiter?

Die psychische Belastung – sei es durch die Verantwortung für die Tiere, sei es finanziell auf den landwirtschaftlichen Betrieben – ist enorm. Wer hätte nicht gerne jemanden, der einem zur Seite steht und über etwas anderes als den Betrieb redet? Und wenn es um die Zukunft des Betriebes geht, will natürlich jeder am liebsten die Möglichkeit sehen, dass eines der Kinder den Hof irgendwann weiterführt. Wenn dann kein Hofnachfolger da ist, stellt sich die Frage, für was man überhaupt täglich aufsteht.

Dieser Text soll eine Anregung sein, um das zu verhindern, was auf lange Sicht niemand will, nämlich: auf seinem Hof, der vielleicht wirtschaftlich sein mag, irgendwann alleine zu sitzen und keine Freizeit und keine echte Lebenslust zu haben. Wenn wir ehrlich sind, haben wir eine tolle Branche mit tollen Menschen, die auch irgendwann von jemand anderem gefunden werden.

Ihre Sicht ist gefragt
Wie sehen Sie das, was unser Autor beschreibt? Schreiben Sie Ihre Geschichte, Ihre Meinung an:redaktion@wochenblatt.com, Stichwort: „Hofliebe“. Eine Auswahl der Zuschriften werden wir veröffentlichen, auf Wunsch auch anonym. Alle Zuschriften behandeln wir vertraulich.

Lesen Sie mehr:

Ein Junglandwirt berichtet von der Partnersuche

Online-Dating: Auf der Suche nach "der Richtigen"

von Christina Breuker

Nicht jeder hat das Glück, die große Liebe spontan kennenzulernen. Ein Junglandwirt (25) erzählt von den Herausforderungen bei der Suche nach einer Partnerin. Er setzt aufs Online-Dating.

Den eigenen Platz auf dem Hof finden

Rollenwechsel bei der Hofübergabe gestalten

von Christina Breuker

Wenn der Generationswechsel ansteht, müssen sowohl die junge als auch die ältere Frau ihre Position auf dem Hof neu definieren. Wichtig dabei ist, die eigenen Erwartungen klar anzusprechen .