Den eigenen Platz auf dem Hof finden

Rollenwechsel bei der Hofübergabe gestalten

Wenn der Generationswechsel ansteht, müssen sowohl die junge als auch die ältere Frau ihre Position auf dem Hof neu definieren. Wichtig dabei ist, die eigenen Erwartungen klar anzusprechen .

Die Familie kann auf einem Hof die größte Kraftquelle sein. Im Umkehrschluss bedeutet das: Liegt privat einiges im Argen, wirkt sich das negativ auf den wirtschaftlichen Erfolg aus. Eine besonders heikle Phase, die zu Konflikten führen kann, ist die Hofübergabe. Die Rollen der Frauen in diesem Prozess beleuchtete Coachin Maria Rennefeld bei einem Seminar des Arbeitskreises „Treffpunkt Agrarpolitik“ des Kreislandfrauenverbands Borken.

„Was bin ich noch wert?“

Mit der Hofübergabe in die zweite Reihe zu treten, kann das Selbstwertgefühl der angehenden Altenteilerin stark beeinträchtigen, ist Maria Rennefeld überzeugt. Denn häufig sind Frauen dieser Generation mit einem Glaubenssatz wie „Ohne Fleiß kein Preis“ oder „Ich muss hart arbeiten“ aufgewachsen. Verlassen sie nun die Rolle der Chefin, stellt sich ihnen die Frage: „Was bin ich wert, wenn ich nicht mehr so viel leiste?“

Sich vom Lebenswerk zu verabschieden und die Zügel an die nächste Generation zu geben, kann zudem bedeuten, ständig in unbewusster Trauer zu leben. Umso wichtiger ist es, neue sinngebende Aufgaben für sich zu finden, beispielsweise im Ehrenamt.

Mit dem Wechsel aufs Altenteil sitzt nun möglicherweise auch nicht mehr die ganze Familie, sondern nur noch der eigene Mann mit am Mittagstisch. Das Paar muss neue Themen für sich finden – was häufig nicht so einfach ist. „Mein Mann spricht ja nicht“, lautet nach Erfahrung von Maria Rennefeld häufig die Rückmeldung der Altenteilerinnen.

Hinzu kommt, dass die junge Frau häufig andere Glaubenssätze verfolgt. Sie legt Wert darauf, sich abseits der Arbeit auch Zeit zum Spielen mit ihren Kindern oder einfach mal für sich zu nehmen. Möglicherweise ist sie gut ausgebildet und hat einen Job außerhalb des Hofs. Ihr das alles zu gönnen, was man selbst nicht hatte, ist nicht immer leicht für die Seniorinnen auf den Höfen.

Eigenen Beruf aufgeben?

Auch die junge Frau muss einige Fragen für sich klären: Welche Rolle möchte sie auf dem Hof übernehmen? Möchte sie das Büro managen? Oder ist sie zwar mit einem Landwirt verheiratet, möchte aber ihren ursprünglichen Beruf nicht aufgeben? „Vielen Frauen ist der Austausch mit ihren Berufskollegen wichtig“, betont Maria Rennefeld. Die finanzielle Absicherung ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt.
Auch in anderen Bereichen ist Klarheit gefragt: Welchen Anteil möchte die junge Frau an der Hausarbeit und beim Kochen übernehmen? Welche Vorstellung hat sie vom Thema Kinderbetreuung?

Stimmen der Teilnehmerinnen
"Manchmal ist es für mich schwer nachzuvollziehen, warum meine Schwiegermutter in einigen Situationen trotzig reagiert. Daher war für mich der Hinweis hilfreich, dass ­jeder von uns seinen eigenen Lebensrucksack mit seinen persönlichen Erfahrungen mit sich herumträgt. Und diese Erfahrungen beeinflussen unser Handeln. Meine Schwiegermutter beispielsweise ist als junge Frau auf dem Hof selbst so behandelt worden und kam nicht zum Zuge."

„Hängen geblieben ist bei mir die Aussage, dass mein Gegenüber es möglicherweise nicht annimmt, wenn ich sage, wie es mir in einer bestimmten Situation geht. Es kann auch gut sein, dass die Person sich dadurch nicht ändern wird. Aber mir persönlich geht es besser, wenn ich es laut ausgesprochen habe."

„Ich bin selbst in der Rolle der Schwiegermutter. Ein wertschätzender Umgang miteinander ist mir wichtig. Mit dem Satz ,Das haben wir schon immer so gemacht‘ kommt man da nicht weiter. Ich finde den Tipp gut, es folgendermaßen zu formulieren: ,Ich persönliche habe es früher auf diese Weise gemacht. Kannst du mir erklären, warum du es so machst?‘“

Sagen, was ich möchte

„Heimliche Erwartungen werden unheimlich selten erfüllt“, lautet ein wichtiger Satz, den Maria Rennefeld den Teilnehmerinnen mit auf den Weg gab. Aus ihrer Sicht ist es die Aufgabe der älteren Frau, die jüngere zu einem Gespräch zu bitten – ähnlich wie es auch in anderen Betrieben der Fall ist, wenn die Nachfolgerin anfängt. „Wie soll es bei uns auf dem Hof aussehen?“ „Wer ist wofür zuständig?“ Diese Dinge gilt es Punkt für Punkt zu besprechen, am besten mit Zettel und Stift. Möchten beide eine bestimmte Aufgabe nicht bzw. nicht mehr übernehmen, gilt es nach anderen Lösungen zu schauen und sich beispielsweise Hilfe von außen zu holen.

Sich über die eigenen Traditionen und Werte auszutauschen, kann helfen, die Beweggründe des an­deren zu verstehen. Warum beispielsweise ist es der älteren Generation wichtig, dass auf dem Hof regelmäßig das Laub gefegt wird? Doch Maria Rennefeld sagt ganz klar: Legt das junge Paar die Prioritäten anders, gilt es das auszuhalten. „Ich kann nicht die Hauptarbeit und die Hauptverantwortung abgeben, aber ansonsten alles weiter nach meinen Vorstellungen haben wollen“, gibt sie zu bedenken.

Dankbarkeit ausdrücken

„Gerade zu Beginn der Beziehung ist es wichtig, mit viel Vorsicht und viel Respekt aufeinander zuzugehen“, ist Maria Rennefeld überzeugt. Dazu gehört es, gegenseitig Dankbarkeit auszusprechen: als junge Frau dafür, dass die vorherige Generation die Zeit gut genutzt hat, um den Betrieb aufzubauen. Als ältere Frau dafür, dass die jüngere bereit ist, den Hof weiterzuführen. Denn so kann eine Beziehung entstehen, in der Themen offen ohne Verletzungen miteinander besprochen werden können.

Lesen Sie mehr:

"Der Kern sind die Fakten"

Recherchen für das Magazin "Panorama"

NDR-Journalistin Oda Lambrecht setzt sich in ihren Fernsehreportagen für das Magazin „Panorama“ häufig kritisch mit landwirtschaftlichen Thema auseinander. Wichtig ist ihr eine ausgewogene...

Neues Buch von Herausgeberin Ulrike Siegel

So war früher das Leben in unseren Dörfern

von Christina Breuker

Von Gemeinschaftsgefühl, unangekündigten Besuchern und dörflichen Nachrichtendiensten der anderen Art – drei Dorfbewohner beschreiben die Erfahrungen ihrer Kindheit in den 1950er- und...