Vor Gericht

Barlo: Brandstiftung vor Zwangsräumung?

Hat Arent S. aus Bocholt seine Halle angezündet und die Tötung von Menschen in Kauf genommen, um die Zwangsräumung seines Hofes zu verhindern? Der 57-Jährige bestreitet dies vor dem Landgericht Münster.

Auf Beobachter machte der Angeklagte einen widersprüchlichen Eindruck. Hat der so bieder aussehende Mann tatsächlich seine Halle in Brand gesetzt und Verschraubungen an zwei Gasleitungen im Altenteilerhaus geöffnet, um eine Explosion herbeizuführen? An sieben Verhandlungstagen will das Landgericht Münster versuchen, Licht ins Dunkel zu bringen. Der 57-Jährige bestreitet die Vorwürfe.

Stand auf Wochenmarkt

Die Eltern von Arent S. hatten sich in den Nachkriegsjahren einen kleinen Hof in Barlo aufgebaut. Sie hielten Schweine, Legehennen, Gänse, Puten und Kaninchen und verkauften ihre Produkte auf dem Wochenmarkt in Bocholt. Mit 18 Jahren (1980) übernahm der Junior den Hof und führte die Direktvermarktung fort. Er hatte Landwirt gelernt, baute mit viel Eigenleistung und Bekannten eine Lagerhalle und ein Altenteilerhaus beim Hof, das er vermietete.

Doch im Laufe der Jahre gab es einen Bruch. Seine Mutter starb 2003, sein Vater wurde krank und musste bis zum Tod (2008) jahrelang gepflegt werden. Der Junggeselle rackerte nach eigenen Worten Tag und Nacht, nahm auf seine Gesundheit keine Rücksicht. Er hatte zwar Freundinnen, aber keine Ehefrau, die Freud und Leid mit ihm teilte.

Nach dem Tod der Mutter stellten seine beiden Schwestern Erbansprüche. Eine forderte von ihm 150.000 € zurück, und zwar für ein Darlehen, das sie ihm angeblich gegeben hat. Dies bestreitet Arent S. bis heute.

Zwangsversteigerung

Nach dem Tod des Vaters musste der Landwirt wiederholt wochenlang ins Krankenhaus (Hüfte, Lendenwirbel). Die Schulden wuchsen. Er hatte Darlehen bis zu 350.000 € aufgenommen. Die Mieter des Altenteilers zahlten nicht regelmäßig Miete. Ab 2016 war S. zahlungsunfähig. Bank, Schwester, Stadt und Finanzamt wollten Geld. Die Zwangsversteigerung wurde beantragt. Am 12. Dezember 2018 ersteigerte eine Wohnungsbau-GmbH den Hofkomplex. Alle Versuche des Schuldners, die Zwangsversteigerung abzuwenden, blieben erfolglos.

„Deine Scheune brennt“

Doch auch danach wollte Arent S. sein Zuhause nicht verlassen. Der neue Eigentümer erhob Räumungsklage. Auch dagegen legte der Landwirt Beschwerde beim Landgericht Münster ein, die jedoch zurückgewiesen wurde.

Am Freitagmorgen, dem 12. April 2019, ab 9 Uhr, sollte die Zwangsräumung des Hofes beginnen. Der Gerichtsvollzieher und zwei Polizeibeamte waren bestellt. Doch dann überschlugen sich die Ereignisse, die der Angeklagte vor dem Landgericht so schilderte: „Ich schlief auf dem Sofa, als mich mein Nachbar W. weckte und schrie: ,Arent, deine Scheune brennt.‘“

Kurz darauf erschienen Feuerwehr und Polizei. S. musste mit zur Wache und ins Krankenhaus (Blutprobe). Er wurde an Ort und Stelle festgenommen, sitzt bis heute in der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Münster in Untersuchungshaft. Der Staatsanwalt wirft ihm Brandstiftung und versuchten Mord am Gerichtsvollzieher und den zwei Polizisten vor.

Die Beamten stellten im Altenteilerhaus fest, dass zwei Verschraubungen an Gasverschlüssen geöffnet waren, sie nahmen Gasgeruch wahr, eine Kerze brannte im Flur des Hauses, zudem war Benzin in zwei Lichtschächten des Kellers verschüttet worden.

Auf der Wache stellten die Polizeibeamten Benzingeruch an der Kleidung des Angeklagten fest. Ein Feuerwehrmann sagte später aus, das Altenteilerhaus wäre wahrscheinlich spätestens in zwei Stunden explodiert. Der Staatsanwalt sagt: Arent S. hat den Brand in der Scheune gelegt und die Gasleitungen im Altenteilerhaus manipuliert, er wollte sich offensichtlich rächen. Der Sachschaden beläuft sich auf 500.000 €.

„Die haben es angesteckt“

Der 57-Jährige bestreitet die Vorwürfe. Er habe bis zuletzt geglaubt, auf dem Hof weiter wirtschaften und sich mit seinen Geldgebern einigen zu können. Zum Beispiel habe er am Tag vor dem Brand noch an der Beerdigung eines Nachbarn teilgenommen und sich Futtermittel besorgt. Im Geflügelstall befanden sich noch 25 Legehennen. Zudem hatte er Ferkel bei einem Händler in Holland bestellt.

Am Tag der Beerdigung will Arent S. im Auto von einem unbekannten SUV-Fahrer auf einem Wirtschaftsweg auf die Seite gedrängt worden sein. „Die haben mir das angesteckt. Die müssen noch hier sein“, hatte Arent S. seinem Nachbarn W. in Panik zugerufen, als dieser am frühen Morgen vom Nachbarhof aus die Rauchschwaden aus seiner Scheune sah.

Der Staatsanwalt hält den Angeklagten für voll schuldfähig. Doch er nimmt seit Jahren unter anderem starke Schmerztabletten. „Arent S. war nie ein Sonderling in der Nachbarschaft. Durch seinen Stand auf dem Wochenmarkt ist er sehr bekannt“, sagte Zeuge Hubert W. (Polizeibeamter), der ebenfalls in Barlo wohnt. „Doch er hatte immer seinen eigenen Kopf, ließ sich nie etwas sagen.“

Bis Ende Oktober will das Landgericht Zeugen verhören. Im Falle einer Verurteilung muss Arent S. mit einer langjährigen Haftstrafe rechnen (Az. 2 Ks 13/19).

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