Lammzeit

Kreißsaal für Lämmer

Eine gute Vorsorge ist die halbe Ablammung, sagt Tierarzt Dr. Henrik Wagner. Die Lammzeit bildet die Grundlage für eine erfolgreiche Aufzucht.

Rund 150 Tage, plus/minus fünf Tage, ist ein Schaf trächtig. „Die beste Geburtshilfe ist, wenn Tierhalter wissen, wann ihre Schafe lammen“, erklärt Dr. Henrik Wagner, Fachtierarzt für kleine Wiederkäuer an der Reproduktions­klinik in Gießen.

Anzeichen für eine Geburt

Allerdings sei genau das das Pro­blem vieler Schafhalter. Denn die Böcke sind oftmals für längere Zeit in der Herde und es ist häufig unklar, wann das Schaf belegt wurde. „Da helfen nur Trächtigkeitsuntersuchungen“, so der Tierarzt. Außerdem rät er, die Schafe genau zu beob­achten. Typische Anzeichen für eine Geburt sind:

  • Kurz vorher schwillt das Euter an. Die Zitzen sind voller und dadurch stehen sie seitlich ab.
  • Die Scham ist geschwollen und gerötet.
  • Die Beckenbänder sind einge­fallen und der Bauch abgesackt.

„Das sind zwar wichtige Anzeichen für die Geburt. Trotzdem ist sie nicht auf einen Tag festzulegen“, erklärt Wagner. Hilfreich sind Kameras im Stall. Mit ihnen können Schafhalter die Tiere genau beobachten und bei Problemen eingreifen. „Bei Schafen hat es oberste Priorität, Ruhe bei der Geburt zu haben“, sagt er. Bei den meisten Geburten ist keine menschliche Hilfe nötig und sie verlaufen so:

  • Austreibungsphase – „Diese kann je nach Größe und Gewicht des Lammes 15 bis 30 Minuten dauern“, sagt Wagner. Bei Zwillingen sind bis zu 70 Minuten normal. Das Schaf liegt und presst. Als erstes ist die Fruchtblase zu sehen. „Die Fruchtblase darf auf keinen Fall aufgemacht werden. Sie soll den Geburtsweg weiten“, warnt der Tierarzt.
    Nach der Fruchtblase kommen die Vorderfüße und der Kopf des Lammes zum Vorschein. Eine normale Geburt in Vorderendlage (Kasten) sollte nicht länger als 30 Minuten dauern.
  • Ebenfalls innerhalb von 30 Minuten sollte das Lamm stehen und Kolostrum aufnehmen. „Das Tier wiegt jetzt zwischen 4 und 6 kg und sollte 10 % seines Gewichtes Kolostrum trinken“, erklärt Wagner.

Das Muttertier leckt das Junge frei von der Eihaut. Dabei macht es gurgelnde Geräusche. Diese dienen der Mutter-Kind-Bindung. Beendet ist der Geburtsvorgang mit dem Abgang der Nachgeburt. Verläuft die Geburt nicht reibungslos, kann das 7-Punkte-Schema Aufschluss geben.

7-Punkte-Schema

„Vergehen von den ersten Wehen bis zur Geburt des ersten Lammes mehr als 30 Minuten, sollte man eingreifen“, erklärt Wagner. Eine Vaginaluntersuchung ist als erstes dran. „Ich rate allen Schafbesitzern, selbst zu fühlen und auf die Situation des Lammes zu achten.“ Wenn die Hand eingeführt werden kann, wird der Zustand des Lammes nach dem 7-Punkte-Schema überprüft:

1. Lage: Sie beschreibt die Lage des Kopfes vom Lamm. Es gibt drei Möglichkeiten:

  • Vorderendlage: Der Kopf des Lammes kommt mit den Vorder­beinen zuerst heraus. Dies ist physiologisch.
  • Hinterendlage: Die Hintergliedmaßen kommen als erstes zum ­Vorschein.
  • Querlage: Der Kopf und die Hinterbeine des Lammes zeigen zu den Seiten der Mutter. Eine Geburt ist so unmöglich. Für die Geburt muss das Lamm zuerst in eine Vorder- oder Hinterendlage gebracht werden. „Bei Unsicherheit sollten Tierhalter immer den Tierarzt verständigen“, rät Wagner.

2. Stellung: Sie beschreibt die Position der Wirbelsäule von Lamm und Mutter zueinander:

  • Obere Stellung: Die Wirbelsäule des Lammes zeigt zur Wirbelsäule des Muttertieres.
  • Untere Stellung: Die Wirbelsäule des Lammes zeigt in Richtung Bauch der Mutter. Das Lamm muss durch Drehung um die Achse in eine obere Stellung gebracht werden. „Es darf in unterer Stellung nie ausgezogen werden!“, warnt Wagner.

3. Haltung: Sie beschreibt die Position der Gliedmaßen und des Kopfes. Ist eine Korrektur der Gliedmaßen notwendig, müssen die Klauen mit der Hand geschützt werden, um eine Verletzung der inneren Geburtswege zu vermeiden.

4. Position: Sie beschreibt die Position der Gliedmaßen oder des Kopfes des Lammes im Verhältnis zum mütterlichen Becken. Korrekturen sind nur möglich, wenn das Lamm noch nicht in das Becken eingetreten ist. Dann kann es vorsichtig in den Geburtskanal zurückgeschoben werden, erklärt der Tierarzt.

5. Größe: Bei zu großen Lämmern im Verhältnis zum Beckendurchmesser des Muttertieres ist ein Kaiserschnitt notwendig.

6. Leben der Frucht: Dieses wird durch das Feststellen verschiedener Reflexe wie Zwischenzehen-, Saug- oder Analreflex beurteilt. Zu den sicheren Todeszeichen gehören das Ablösen von Wolle und Klauenschuh.

7. Prognose: Bevor es zur Geburtshilfe kommt, muss die Überlebenswahrscheinlichkeit von Muttertier und Lamm getrennt voneinander beurteilt und erfasst werden. Danach kann das jeweils sinnvollste Verfahren gewählt werden.

Wichtig ist Wagner außerdem: „Falls der Tierhalter bei der Geburt eingegriffen hat, dann muss er das Lamm auch entwickeln.“ Außerdem sollten Schafbesitzer nach der Geburt des ersten Lammes kontrollieren, ob noch eine zweite Frucht da ist.

Der Tierarzt hat noch einen weiteren Tipp: „Wenn Schafhalter die Mutter anmelken, haben die Lämmer es einfacher zu trinken, da dann der Milchpropf weg ist.“

Die Lämmer müssen von vorne bis hinten und oben bis unten durchgecheckt werden (Segmentale Untersuchung).

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