Künstliche Intelligenz

KI in der Landwirtschaft

Kann KI Nachhaltigkeit und Tierwohl verbessern? Gibt es künftig Kameras im Stall und auf dem Acker, um Verhaltensmuster von Tieren oder Echtzeitdaten vom Acker frühzeitig zu deuten?

Die Bereitschaft bei Landwirten ist hoch, digitale Technologien zu nutzen. „Doch der Großteil der Systeme, die aktuell in der Tierhaltung eingesetzt werden, sind sensorgestützte Assistenzsysteme, die in der Regel nicht zu den KI-Systemen zählen. Bei der Definition muss daher nochmal differenziert werden“, erklärt Dr. Katharina Dahlhoff vom Zentrum für Digitalisierung der Landwirtschaftskammer (LWK) NRW.

Sensorgestützte Assistenzsysteme sind zwar bereits weit ausgereift, um die wachsenden Anforderungen zum Beispiel im Bereich Tierwohl zu meistern, doch basieren sie auf deterministischen Entscheidungsmodellen klassischer Algorithmen. „Wenn allerdings die Daten verschiedener Sensorsysteme zusammengeführt würden und ein neuronales Netz diese nach Auffälligkeiten durchsucht, sprechen wir von KI“, beschreibt Dr. Christian Manteuffel. Er forscht im Bereich Smartfarming am FBN Dummerstorf.

Grenzen von KI

Bei der gesamten digitalen Entwicklung und somit auch bei der KI gibt es jedoch Grenzen:

  • Nicht jede Landwirtin oder Landwirt ist für den Einsatz digitaler Systeme gemacht.
  • Problematisch wird es, wenn Regionen nur lückenhaft oder gar nicht an das Internet angebunden sind.
  • Fehlende Schnittstellen zwischen den einzelnen Systemen und Herstellern führen zu einem eingeschränkten Datenverkehr und damit zu einer unzureichenden Nutzbarkeit der Systeme. „Das Problem löst sich erst, wenn sich mit dem Austausch von Daten Geld verdienen lässt“, so Manteuffel.

Chancen von KI

Chancen sieht Dahlhoff in möglicher KI-basierter Bildverarbeitung zur Früherkennung sowie zur au­tomatisierten Qualitätssicherung. „Sowohl Forschung als auch Industrie arbeiten an praxistauglichen Lösungen“, sagt die Expertin.

Erste Ansätze sind bereits vorhanden: „In der Nutztierhaltung können mithilfe der bildgestützten Objekt- und Posenerkennung zum Beispiel Geburten überwacht, Verhaltens- und Bewegungsveränderungen erfasst und Krankheiten der Tiere frühzeitig erkannt werden.“

Manteuffel sieht das Benefit von KI darin: „KI kann Arbeitskräfte ersetzen. Sie kann Dinge übernehmen, die sonst ein Mensch macht und sie führt diese Tätigkeiten 24/7 zu Grenzkosten von 0 € aus. So werden neue Anwendungen möglich. Diese waren vorher denkbar, aber nicht automatisierbar und deshalb zu teuer.“

Beispiele aus der Praxis:

Diese Kamera hat das Team von VetVise in einem Hühnerstall installiert. Sie nimmt die Tiere 24/7 auf. Eine KI wertet das Material aus. (Bildquelle: VetVise/ A. Sonntag)

VetVise liefert Handlungsempfehlungen für Landwirte
Kameras im Stall beobachten 24/7 objektiv und kontinuierlich die Verteilung der Tiere und ihr Verhalten. Eine KI-Datenanalyse wertet das Bild- und Videomaterial aus. „Daraus entwickeln wir täglich konkrete Handlungsempfehlungen für die Landwirte“, erklärt VetVise-Mitgründer und Tierarzt Johannes Schmidt-Mosig.
Das Start-up Vetvise gibt es seit etwa drei Jahren. „Wir entwickeln Maschine Learning (KI) gestützte Frühwarnsysteme auf Grundlage von 2D-Kameradaten“, so der Mitgründer. Das Ziel: „Frühestmöglich Hinweise auf ungewöhnliches Verhalten, Krankheiten oder Schmerzen zu geben und andere Probleme im Stall zu erkennen.“ So können Landwirte bestenfalls Krankheiten vor ihrem Auftreten und der Verbreitung behandeln und damit Behandlungskosten sparen.
Aktuell hat VetVise die Kameras in etwa zehn Schweine- und rund 30 Geflügelanlagen in Deutschland hängen. „Unser System kommt vor allem für mittlere bis große Betriebe mit mehr als 100 Sauen oder 40  000 Hähnchen infrage“, erklärt Schmidt-Mosig. Bei den Schweinen müsse in jede Bucht eine Kamera. Für rund 40  000 Hühner braucht es etwa 40 bis 45 Kameras. Bisher rüstet das Start-up nur Mastgeflügel- und Schweineställe aus.
„Das System hat das Potenzial, Mitarbeiter im Stall zu ersetzen, doch es braucht immer fähige Menschen, die die Daten interpretieren können“, ist sich der Tierarzt sicher.
Mastitis vorher erkennen
Das Unternehmen smaXtec kündigt an, mit seiner neuen TruAdvice-Technologie mittels KI Daten aus dem Retikulum von Kühen zu interpretieren und Krankheiten wie Mastitis frühzeitig zu erkennen. Die KI liefere dann eine Verdachtsmeldung. Je nach Erreger soll die Erkennungsrate bei 90 % liegen. Für größere Milchkuhbetriebe könnte die Technologie interessant sein.

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