Bullenmast

Haltungsform 3: Druck von allen Seiten

Die Verunsicherung unter Bullenmästern steigt: Lohnt sich die Umstellung auf höhere Haltungsformen? Wird der normale QS-Bulle künftig noch abgenommen? Zwei Marktexperten geben eine Einschätzung.

Zugegeben: Der Druck des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) auf die Rinderschlachtunternehmen zur Lieferung von Rindfleisch aus der Haltungsform (HF) 3 nimmt zu. Aldi will schon nach Ostern bei den Eigenmarken nur noch Rindfleisch aus HF 3 anbieten; Lidl kündigt an, in Kürze zu folgen. Auch ­Edeka erweitert das Programm mit Rasting. Es ließen sich weitere nennen. Der Trend verdeutlicht erneut: Wenn die Marktführer den Taktstock schwingen, folgen die anderen.

Zuschläge für HF 3 sind zu gering

In Sachen Qualitätsfleischprogramme für Jungbullen ist im Nordwesten die Westfleisch SCE vorgeprescht. Sie hat verschiedene Programme initiiert. Am schnellsten ging dies noch mit den Strohbetrieben, die im Hinblick auf die gewährte öffentliche Förderung ohnehin die Besatzdichte abstocken mussten. Entsprechend fielen hier hohe Preisaufschläge aus. Dieser erste, relativ geräuschlose Angang hat vielleicht Schlachtunternehmen sowie den LEH zu der irrigen Annahme veranlasst, dass der Rest der Bullenmäster schon noch folgen werde. Betriebe, die die Anforderung der HF 3 ohnehin erfüllen, gibt es jedoch nur begrenzt: Im Nordwesten sowie in Bayern schätzungsweise lediglich zwischen 10 und 20 %.

Zwar wächst der Anteil stetig, allerdings bedeutet die Umstellung bei den meisten konventionellen Bullenmastbetrieben, dass sie ein bis zwei Jungbullen weniger in der Bucht halten können. Was bekanntlich erst nach Neueinstallung passt. Hinzu kommen die Betriebe, die umbauen müssten, um überhaupt HF 3-konform aufstallen zu können – je nachdem fallen die Kosten dafür sehr unterschiedlich aus. Angenommen es wäre mit der Entfernung von zwei Jungbullen je Bucht getan, wäre trotzdem ein finanzieller Zuschlag von etwa 40 Cent je kg Schlachtgewicht (SG) zum Ausgleich der Kosten erforderlich. Zurzeit liegen die Zuschläge aber lediglich bei um die 25 Cent/kg SG.

Nicht mit der Brechstange umstellen!
Vor drei Jahren kündigten die LEH-Größen an, in Zukunft nur noch Fleisch aus HF 3 und höher anzubieten. HF 1 und 2 wollen sie dann nicht mehr im Sortiment führen – so der Plan. Ob die deutschen Erzeuger diese hoch gesteckten Ziele in einem so kurzen Zeitraum erreichen können, blieb ungeprüft. Die Meinung des Berufsstandes war nicht gefragt.Bezüglich der Änderung der Haltungsverfahren sind nicht alle Nutztierarten über einen Kamm zu scheren.
Bei Milchvieh ist in den Grünlandregionen die Weidehaltung bei einem vergleichsweisen geringen Mehraufwand möglich. Molkereien honorieren dies häufig mit einem Preisaufschlag für Weidemilch. Die Altkühe von der Weide entsprechen dann HF 3 und werden in der Regel mit ­einem Aufpreis von 15 Cent/kg SG vergütet.
Bei den Jungbullen ist das komplizierter und teurer. Die Umstellung auf HF 3 können längst nicht alle Betriebe stemmen. Nimmt man die Strohbetriebe heraus, liegt das Potenzial schnell umzustellender konventioneller Höfe bei 10 bis 20 %.
Und wenn es nicht flott genug geht – das Beispiel Rewe Nord zeigt es – wird französische Ware gekauft und intensiv beworben. Wo bleibt da die Regionalität? Der LEH muss endlich erkennen, dass die Nutztierhaltung nicht mit der Brechstange auf alternative Haltungssysteme umstellbar ist.

Hinzu kommt: Vielen Jungbullenmästern passt es nicht, bei den bisherigen Auditierungen für HF 3 einen Liefervertrag unterschreiben zu müssen. Aktuell signalisieren einige Schlachtbetriebe, dass sie auch HF-3-Bullen aus Betrieben ohne Vermarktungsvertrag übernehmen. Der Mäster muss sein Audit dann selbst bezahlen. Das sollte allerdings kein Hemmnis sein.

Bestandsdichte verringern

Berechtigterweise stellt sich bei der ganzen Diskussion unter Praktikern die Frage, ob sich die Umstellung überhaupt lohnt. Neben hoch spezialisierten großen Bullenmastbetrieben, vor allem im Westmünsterland und im Emsland, findet Bullenmast oft in kleineren landwirtschaftlichen Betrieben – häufig in älteren Ställen im Nebenerwerb – statt. Ökonomisch macht es wenig Sinn, die Bestandsdichte he­runterzufahren und bei derzeit hohen Baukosten noch zu investieren. In diesen Betrieben rechnet sich die Umstellung auf HF 3 nicht.

Bei Neubauten verhält es sich anders: In NRW und Niedersachsen sind vielfach neue Bullenmastställe in der Planung. Oftmals sollen Tretmistställe mit einer Biogasanlage kombiniert werden. Angeblich liegen allein für das Westmünsterland mehr als 40 Bauanträge zur Genehmigung vor. Ob die im Hinblick auf die rasant steigenden Baukosten noch alle realisiert werden, sei dahingestellt. Fest steht jedoch: Wer für die Zukunft baut, kommt an HF 3 nicht vorbei.

Kein Markt für QS-Bullen?

Auch in Zukunft wird der normale QS-Bulle der HF 1 weiter zu vermarkten sein. Aber es könnte schwieriger werden. Denn seine edlen Teilstücke werden nicht mehr vollständig über den LEH abfließen. Auch der Lebendexport von Rindern mit guten Schlachtkörpereigenschaften in Nachbarländer wie die Niederlande könnte bei der Vermarktung von QS-Standardtieren an Bedeutung gewinnen.

Wenn das Standard-QS-Fleisch beim Frischfleisch an der Theke gar nicht mehr angeboten wird, erübrigt sich ­zudem die Frage, ob der Kunde nicht doch lieber zum preiswerten Fleisch greift. Bei ITW-Schwein erlebt man die Umstellung: Zuweilen ist normales QS-Fleisch nicht mehr erhältlich. Ob der Konsument doch mit größerer Kaufzurückhaltung reagiert, bleibt abzuwarten. Außerdem ist der Einfluss von Tierschutzorganisationen oder nicht staatlichen Organisationen auf den LEH nicht zu unterschätzen. Sie drängen diesen, in Sachen Tierwohl endlich voranzukommen. Dann werden auch niedrigere Umsatzzahlen bei gewissen Produktbereichen in Kauf ­genommen.

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von Alina Schmidtmann

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