Hart, aber wahr: Nur der kleinere Teil unseres Anlageerfolgs beruht auf Fleiß oder Arbeit. Unsere Psyche entscheidet maßgeblich zwischen Erfolg- und Misserfolg bei Geldanlagen. Oft sind es immer die gleichen Anlagefehler.
Warum Privatanleger oft falsche Entscheidungen treffen und wie sie typische Anlagefehler vermeiden, darum ging es beim dritten Wochenblatt-Online-Finanz-Seminar am Mittwoch vergangener Woche.
Erfolgreiches Web-Seminar mit mehr als 200 Teilnehmern
Referent war der Finanzpsychologe Dr. Hartmut Walz, Professor für Bankenbetriebslehre an der Hochschule Ludwigshafen am Rhein. Der Fachbuchautor, Verbraucherschützer und Finanzblogger war bereits bei den ersten beiden Wochenblatt-Onlineseminaren „Finanzen in der Corona-Krise“ am 27. Juli 2020 und „Die Nullzinspolitik und ihre Folgen“ am 12. Oktober 2020 dabei. Mehr als 200 Teilnehmer verfolgten die Online-Veranstaltung am Mittwoch von ihren PC und Laptops aus. Moderiert wurde die Veranstaltung von Wochenblatt-Redakteurin Rebecca Kopf.
Praxisnah, fundiert und mit dem ein oder anderen durchaus humorvollen Beispiel zeigte der Finanzökonom Walz, dass Entscheidungsfehler wie Nichtentscheiden, Selbstüberschätzung, Missachten falscher Risiken wie Inflation und versunkene Kosten typische Fehler sind, die Anlegern einen Teil ihrer „Ernte“ rauben. Insgesamt lernten die Teilnehmer zehn typische Fehler kennen.
Krisen über Krisen - Dax steigt
BSE, RAF, EZB: Zunächst präsentierte der Referent eine detaillierte Liste der bedeutendsten Krisen der vergangenen 45 Jahre, u.a. 1975 erste Warnungen zum Ozonloch, 1977 RAF-Terror in Deutschland, 1992 BSE, 1992 Platzen der Dotcom-Blase, 2008 Finanzkrise, 2010/2011 Eurokrise, 2020 Corona-Krise. Deutlich wurde: Fast jedes Jahr hatte seine "Krise". Wie hat der DAX sich während dieser 45 krisenhaften Jahre verhalten? Er ist gestiegen und zwar durchschnittlich 8,2, % pro Jahr, andere Indizes sogar bis elf Prozent.
Typische Entscheidungsfehler
Darauf aufbauend, stellte Walz zehn typische Entscheidungsfehler vor, die Anleger machen. Weil sie denken, dass sie rational handeln, in Wirklichkeit aber völlig irrational sind, weil ihre Psyche ihnen einen Streich spielt.
1. Vorurteile: Die Botschaft des Finanzexperten, die hinter dieser Beobachtung steht, ist klar: Wer gute Finanzentscheidungen treffen will, darf sich nicht von Vorurteilen leiten lassen. Vorurteil: Die Börse ist keine Spielbank. Ein Rechenbeispiel: Beim Roulette bleiben nach 14 maligem Einsatz 68 € von 100 € übrigt. An der Böse werden unter der Wachstumsrate des Dax aus 100 € rund 290 €.
2. Nichtstun: Oft ist zu beobachten, dass Anleger auf verändernde Marktsituationen wie Preisverfall oder dem Verlust von Marktanteilen verzögert oder gar nicht reagieren.
3. Überaktivität: Das Gegenteil von Nichtstun ist jedoch in Sachen Finanzentscheidungen auch falsch, nämlich die Überaktivität. "Hin und Her - Taschen leer" lautet eine Börseregel. Hohe Transaktionskosten mindern die Rendite.
4. Systematische Selbstüberschätzung (Overconfidence): Selbstüberschätzung und übertriebener Optimismus stellen ein eigenes Risiko dar. Es ist wie die Warnung bei Glätte. Man hört die Botschaft, doch kümmert sich nicht und fällt auf die Nase, weil man sich über- und die Glätte unterschätzt hat. Ähnlich ist es mit dem Finanzmarkt. Nichts und Niemand kann die Märkte vorhersehen.
5. Das Logik-Karusell: Vertauschen von Ursache und Wirkung - Steigt der Preis von Aktien, Immobilien, Land, Ackerland, weil viele Menschen diese Anlageklassen kaufen oder kaufen viele, weil der Preis steigt? Um diesen Fehler auszuschalten ist es wichtig zu überlegen: Was bedingt was?
6. Falsche Risiken: Viele Menschen fürchten sich vor dem Spektakulärem und den falschen Risiken. Dabei unterschätzen sie die kleinen schleichenden Gefahren wie Inflation. Achten Sie daher auf verändertes Kundenverhalten oder Konkurrzenverhalten. Lassen Sie sich durch reißerische Berichterstattung in Boulevardblättern nicht "verrückt" machen. Über den Skandal bei Wirecard hat jedes Blatt berichtet, über die schleichende Inflation und den Verlust der Kauftkraft ist in Hochglanzmagazinen kaum etwas zu lesen.
7. versunkene Kosten: Berücksichtigen Sie diesen Grundsatz und werfen Sie schlechtem Geld nicht noch Gutes hinterher. Hier "narrt" die Psyche. Denn oft will man, wenn man schon so viel investiert hat, nicht aufhören. Das ist falsch.
- Hilfe: Ignorieren Sie versunkene Kosten, auch wenn es wehtut.
8. Orientierung an bestimmten Preisen/Anker: Preislisten, Aktienkurse, UVP - sie haben eines gemeinsam: Sie ankern. Das bedeutet, bestimmte Preise oder Werte werden als Bezugsgröße zum Vergleichen oder Bewerten herangezogen. Dabei ist die Ankergröße rein zufällig und somit völlig ungeeignet.
9. Eintscheidungsfehler durch Vereinfachung "Von Siegern lernen": Was andere erfolgreich gemacht haben, kann nicht falsch sein. Irrtum. Die Aufmerksamkeit wird nämlich nur auf die verbleibenden bekannten "Sieger" gelenkt. Verschwiegen wird der "Friedhof der stummen Verlierer".
10. Lindy-Effekt: Dieser weist darauf hin, vorsichtig und kritisch bei neuen Anlageprodukten und Finanzinnovationen zu sein. Hintergrund: Neuheiten sind für die Gesellschaft wichtig. Doch der einzelne überschätzt Wert und Nutzen von Neuheiten systematisch. Bedeutet: Was sich jahrhunderte undn jahrtausende lang bewährt hat, hat auch in Zukunft Bestand wie Gold. Wie lange gibt es das "brandneue Finanzprodukt"? Wie lange wird es das geben? ...
Ausgewählte Fragen zu Finanzen auf wochenblatt.com/finanzen
Während und nach dem Vortrag konnten die Teilnehmer Fragen stellen. Ausgewählte Fragen aus den Web-Seminaren zu Finanzthemen erscheinen im Wochenblatt in der Rubrik „Frage und Antwort“, online und in unserem Finanz-Dossier auf www.wochenblatt.com/finanzen oder hier:
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