Die weißen Köpfe mit den großen dunklen Augen schauen uns neugierig entgegen. Die Stirn ist breit, das weiße Fell sauber. Es schimmert in der Sonne. Lutz Thiemann krault dem Bullen rechts von ihm die Stirn. Wir lassen die Blicke über die Tiere streifen. Sie haben stabile Rücken und eine ausgeprägte Bemuskelung.
Der Bauch ist rund, der Pansen gleichmäßig voll. Weiter hinten in den Buchten liegen weitere Fleckviehbullen. Einige ausgestreckt auf der Seite. Alle Tiere eint: Sie kauen wieder und geben keinen Mucks von sich. Die Atmosphäre vor dem Offenstall mitten auf dem Hof ist entspannt.
Konventionelle Mast
Thiemanns, das sind Lutz und seine Verlobte Mona sowie seine Eltern Ulrich und Patricia, halten rund 1000 Bullen in Billerbeck im Kreis Coesfeld. Die Tiere stehen in sieben verschiedenen Ställen mit Spaltenboden. Zum Betrieb gehören 265 ha landwirtschaftliche Fläche. „Hier bauen wir abwechselnd Mais sowie Weizen, Gerste oder Triticale an“, erklärt Lutz Thiemann.
Gemeinsam mit drei weiteren Landwirten betreiben sie zudem eine Biogasanlage mit 2,5 MW. „Hier verstromen wir jeden Kubikmeter Gülle von den Bullen.“ Eine Pipeline führt von den Ställen direkt zur Biogasanlage. „Wir können die Gülle mit einer Kreiselpumpe jederzeit rüberpumpen“, erklärt der 28-Jährige.
Bevor er 2021 mit in den elterlichen Betrieb eingestiegen ist, hat Thiemann eine Lehre zum Landwirt und seinen Meister gemacht. Wichtig ist ihm zu betonen: „Wir machen das hier alles zusammen.“ Dazu gehören sein Mitarbeiter Peter Abitzsch, Erntehelfer und in den nächsten Jahren auch wieder Auszubildende.
Fleckvieh
In den Ställen bei Thiemanns stehen ausschließlich Fleckviehbullen. „Wir brauchen Großgruppen. Bei Fleckvieh kann ich mich darauf verlassen, dass die Partien homogen sind“, begründet Lutz Thiemann seine Wahl. Die Tiere bezieht er von drei verschiedenen Fresseraufzüchtern.
Allerdings kommt kein Tier auf seinen Hof, das er nicht vorher gesehen hat. „Ich fahre zu den Betrieben und schaue mir die Fresser an.“ Sein Ziel: vitale, gleichmäßige und fleischige Kälber. „Die Tierqualität ist entscheidend. Davon hängt der Erfolg meiner Fütterung ab“, so der Junglandwirt.
7 verschiedene Rationen
Thiemanns Fütterung ist ausgeklügelt: Die Tiere bekommen sieben verschiedene Rationen, je nach Altersgruppe. „Ich stelle die Rationen alle 100 kg um. Das bedeutet, ich füttere den Bullen nach 75 Tagen eine neue Ration“, erklärt der ambitionierte Mäster. Abhängig von der Stallgröße sind in jeder Partie 40 bis 240 Tiere.
Besonders entscheidend ist die Fütterung der Fresser. „Wenn die Tiere mit 200 kg bei uns ankommen, erhalten sie fünf Tage eine Elektrolytmischung. Das ist wichtig nach dem Transport“, erklärt Thiemann. Die Fresser bekommen ein selbst zusammengestelltes Kälberfutter. „Das habe ich an die Rationen der Aufzüchter angepasst. Die Tiere sollen zu Beginn keine Futterumstellung haben. Das würde Leistung kosten“, ist sich der Mäster sicher. Das Kälberfutter setzt sich zusammen aus:
- Mais,
- Gerste,
- Melasseschnitzel,
- Sojaextraktionsschrot und
- Rapsschrot.
Diese Komponenten bekommen die Tiere in Mehlform und zu Beginn knapp 3 kg pro Tier und Tag. „Hinzu kommen 6 kg Maissilage, 350 g gemahlenes Stroh und 3 l Wasser“, erklärt der Landwirt. Durch das Wasser ist keine Selektion möglich. „Unsere Philosophie: Wenn der Bulle oder das Kalb ein Flotzmaul Futter aufnimmt, soll alles drin sein, von Kraft- bis Strukturfutter“, sagt Thiemann.
Schlempe im Einsatz
Ab 300 kg Lebendgewicht (LG) bekommen die Tiere dann eine 24/3-Kraftfuttermischung. Die Ration in der Endmast ab 600 kg LG mischt Lutz Thiemann so:
- 2,5 kg Kraftfutter,
- 18,5 kg Maissilage,
- 2,75 kg Weizenschlempe,
- 400 g Stroh,
- 400 g Strukturluzerne.
„Durch die Schlempe klebt unsere Ration und wir brauchen kein Wasser hinzuzufügen“, berichtet der Bullenexperte. Wichtig bei der Fütterung sind ihm jedoch nicht nur die hochwertigen Rationskomponenten, sondern auch das Management.
Der Arbeitsalltag im Stall beginnt um 7 Uhr. „Dann fegen wir die Tröge aus und füttern 2 bis 2,5 Stunden.“ Gefüttert wird mit einem Selbstfahrer mit 17 m3 Volumen. Nach dem Mittagessen schieben Thiemanns das Futter an, um 18 Uhr verteilen sie es noch mal und schieben es erneut an.
„Bei sieben verschiedenen Rationen kommt es auch auf die Genauigkeit der Mischung an. Hier haben wir einen Meilenschritt mit dem Einsatz einer Fütterungsapp gemacht“, freut sich der Mäster.
Fütterungsapp
„Die App kennt unsere verschiedenen Rationen und zeigt genau an, was gefüttert und gefressen wird“, erklärt Thiemann. Auf die App können alle Beteiligten zugreifen. Wenn die Bullen einen Morgen zu viel Futter im Trog haben und der Landwirt das eingibt, ist das für jeden sichtbar. „Dadurch können wir auf einen relativ leeren Trog füttern und haben wenig Futterreste.“
Da die App die Genauigkeit der Ration anzeigt, füttern alle noch präziser. „Das ist ein guter Anreiz“, grinst der junge Mann. Er ist sich sicher, dass die Fütterung 90 % des Erfolges im Stall ausmacht.
Hohe Zunahmen
Und der Erfolg ist da, das ausgeklügelte Fütterungskonzept zahlt sich für Thiemanns in der Leistung aus. Denn die Bullen haben Tageszunahmen von 832 g netto, ein Schlachtgewicht von 443 kg bei im Schnitt 17,5 Monaten Schlachtalter. Die Verluste, vorzeitige Abgänge inklusive, liegen bei 2,3 %.
Für den Billerbecker ist klar, neben der Fütterung ist das Management wichtig. „Wir haben einen neuen Krankenstall gebaut. Er ist auf Stroh, offen und lichtdurchflutet. Sobald ein Tier auch nur das Kleinste hat, kommt es dort hin. So haben wir kaum Totalverluste.“
Rein-Raus pro Stall
Außerdem arbeiten Thiemanns mit dem „Rein-Raus-Verfahren“ in jedem Stall. Das hilft der Hygiene und ist im Arbeitsablauf einfacher. „Sind die Tiere aus dem Stall, waschen und reparieren wir alles. Erst dann werden die nächsten Fresser eingestallt“, erklärt er.
Aktuell vermarktet Thiemann seine Bullen frei. Die Tiere haben im Schnitt rund 3 m2 Platz in den konventionellen Buchten. Der neuste Stall ist von 2012 mit 320 Tierplätzen und Buchten mit Maßen von 5 x 5 m. Seit Beginn liegen Gummimatten auf den Spalten. „Das war zwar extrem teuer. Wir haben aber noch die gleichen Matten. Nach jedem Durchgang schlagen wir die Keile nach“, berichtet Thiemann.
Ideen für die Zukunft
Für ihn ist entscheidend, dass die Tiere Licht und Luft haben. So hat er auch bei den älteren Ställen die Spaceboards an den Seiten herausgerissen und durch Curtains ersetzt. Außerdem hängen in den Ställen große Ventilatoren. „Wir überlegen, ob wir bei einigen Ställen die Außenwände wegbrechen und außen liegende Futtertische integrieren. Bei den beiden Offenställen funktioniert das bereits gut.“
Insgesamt vertritt Lutz Thiemann die Meinung: „Man kann gar nicht genug ausprobieren.“ Für ihn ist klar, dass die gesellschaftliche Leitrichtung gegeben ist, hin zu mehr Tierwohl. Nun müsse die Praxis Ideen sammeln, wirtschaftliche Wege zu finden.
Mehr Platz pro Tier
„Mehr Platz pro Tier gehe ich beispielsweise mit. Aber die Gummimatte halte ich für keine gute Idee.“ Aus eigener Erfahrung berichtet er, dass sie teilweise rutschig sowie feucht sind und so Nährboden für Keime bieten.
Für höhere Haltungsstufen ist Thiemann offen: „Aber sie müssen zum Betrieb passen und sich rechnen.“ Er hat bereits eine CO2-Bilanz rechnen lassen. Wichtig ist Lutz Thiemann: „Wir Landwirte müssen offen sein und Gespräche mit Kollegen, aber auch Konsumenten suchen, erklären, was wir machen. Das bringt alle weiter.“
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