Es gibt wohl kaum ein anderes Wildtier, über das in Deutschland derzeit so kontrovers diskutiert wird wie über den Wolf. Der Deutsche Bauernverband (DBV) schätzt den Bestand bundesweit auf 2000 bis 2500 Tiere. Die Zahl an Nutztierrissen in Deutschland beziffert er auf mittlerweile rund 4000 pro Jahr.
Um „Isegrim“ ging es vergangene Woche in Berlin an gleich drei Tagen. Den Anlass dafür bildete die Auftaktveranstaltung der Dialogreihe „Weidetierhaltung und Wolf“ am Donnerstag im Bundesumweltministerium (BMUV): Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, hatte das Ministerium in Kooperation mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium erstmals betroffene Organisationen und Verbände eingeladen, um Fragen zu einem möglichst konfliktfreien Zusammenleben von Mensch, Weidetieren und Wolf zu erörtern. Laut BMUV nahmen an der nicht öffentlichen Sitzung mehr als 70 Vertreterinnen und Vertreter aus Bund, Ländern, Behörden, Wissenschaft, Nutzerverbänden sowie Natur- und Tierschutzverbänden teil. Wie der Deutsche Jagdverband (DJV) tags darauf meldete, seien sogar Tierrechtsaktivisten von PETA eingeladen worden, die Jäger allerdings nicht. DJV-Vizepräsident Helmut Dammann-Tamke war trotzdem vor Ort und kritisierte die „Hinhaltetaktik“.
„Haben genug diskutiert“
Die im „Aktionsbündnis Forum Natur“ zusammengeschlossenen Landnutzer- und Weidetierhalterverbände, darunter der Deutsche Bauernverband (DBV), der DJV und die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) hatten bereits am Tag zuvor bei einer Pressekonferenz ihre Erwartungen und Forderungen an die Politik formuliert. Dabei verwies der Geschäftsführer des DBV, Bernhard Krüsken, darauf, dass seit Jahren Dialoge zum Thema Wolf geführt würden. „Diese sind aber an der tatsächlichen Wolfspolitik abgeprallt“, so Krüsken. „Wenn wir jetzt nicht in den Handlungsmodus schalten, droht das Aus der Weidetierhaltung in Deutschland.“ Eine Koexistenz nur mit Herdenschutzmaßnahmen sei nicht möglich. „Von daher sehen wir mit großer Sorge, dass der Naturschutz die Strategie verfolgt, den Wolf erstmal ansiedeln zu lassen, bevor man den Erhaltungszustand feststellt. Das ist kalkulierte Ignoranz.“ Der Auftrag des Koalitionsvertrages zur Einführung eines regional differenzierten Bestandsmanagements dürfe vom BMUV nicht auf die lange Bank geschoben. Wertvolle Zeit ginge mit Debatten über das Monitoring verloren.
Not wird verkannt
Auch Sabine Firnhaber, Vizepräsidentin des Bauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern und Vorstandsmitglied des Landesschaf- und Ziegenzuchtverbandes Mecklenburg-Vorpommern, mahnte: Weidetierhalter seien zum Grundschutz bereit. Dieser müsse aber Sinn machen. Aktuell käme es zum „Wettrüsten“ der Weidetierhalter. „Wer jedoch immer noch denkt, dass mehr Zäune und Herdenschutzhunde das Problem lösen werden, verkennt die Not der Weidetierhalter und vieler Bürger im ländlichen Raum“, so Firnhaber.
Für die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) betonte Anett Schellenberger, FN-Vizepräsidentin und Präsidiums-Mitglied des Pferdesportverbands Sachsen, dass die Weidehaltung eine zentrale Rolle für ein artgerechtes Leben von Pferden spiele. „Sollen wir Letzteres zugunsten des Wolfes aufgeben?“
Seitens der Jägerschaft stellte Dammann-Tamke fest: „Der Wolf hat zwar seine biologische Kapazitätsgrenze noch nicht erreicht, aber die sozio-ökonomische bzw. er hat diese zum Teil schon überschritten. Daher müsse eine Entnahme und damit geltendes Recht leichter möglich sein. Zugleich betonte er, dass die organisierte Jägerschaft den Wolf nicht ausrotten wolle. Vielmehr solle der Bestand gelenkt werden, wie es bei anderen Wildtieren auch gehandhabt werde.
Ziel weiterhin Koexistenz
Bundumweltministerin Steffi Lemke tat vor Vertretern der Presse eine andere Meinung kund. „Herdenschutz kann Nutztiere effektiv vor Übergriffen durch Wölfe schützen“, sagte sie bei einem Hintergrundgespräch am Dienstag – und damit zwei Tage vor dem Dialogauftakt und auch noch vor der Pressekonferenz des Aktionsbündnisses Ländlicher Raum. Ziel sei weiterhin die Koexistenz. Probleme gebe es allerdings in bestimmten Regionen wie Deichen oder Almen. Dazu laufe ein Forschungsvorhaben des Bundesamtes für Naturschutz, das sich auf der Zielgerade befände und dessen Ergebnisse zeitnah veröffentlicht würden. Lemke begrüßte, dass bereits jetzt der Abschuss von Wölfen möglich sei, die den Herdenschutz mehrfach überwunden haben oder Menschen gefährlich werden. „Solche genehmigten Abschüsse müssen normal werden“, betonte die Ministerin mehrfach. Grundsätzlich sei der Erhaltungszustand des Wolfes aber noch „ungünstig“; eine Überprüfung bzw. eine Anpassung des Schutzstatus sei daher nicht vorgesehen.
Bei der Veranstaltung hatte unter anderem Sabine Riewenherm, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz, die wissenschaftlichen Grundlagen des Monitorings von Wölfen in Deutschland vorgestellt und Ilka Reinhardt über die Aufgaben der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Wolf (DBBW) informiert.
Nach dem Auftakt-Dialog sollen bei zukünftigen Veranstaltungen weitere Aspekte diskutiert werden, wie der Herdenschutz und der Umgang mit Problemwölfen.
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