Abschüsse von Wölfen sollen bereits nach dem ersten Riss von Nutztieren möglich sein. Der Abschuss darf innerhalb von 21 Tagen ab dem Risstag erfolgen, wenn das Tier im Radius von 1000 m um die Rissstelle erneut auftaucht. Eine DNA-Analyse soll nicht mehr notwendig sein. Stattdessen genügt das Urteil eines Gutachters, der einen Wolfsriss ebenso bestätigt wie einen „ausreichenden Herdenschutz“. Gleichwohl soll auch in solchen Fällen eine DNA-Probe zur Identifikation genommen werden. Das hat Bundesumweltministerin Steffi Lemke vergangene Woche angekündigt.
Teil des neuen Konzepts ist auch ein regionales Wolfsmanagement, in denen derartige „Schnellentnahmen“ wegen des dort erhöhten Wolfsaufkommens möglich sind. Die Definition dieser Regionen sollen die Bundesländer vornehmen. Dabei plädiert Lemke auch für Gebiete, die über Kreisgrenzen hinweg festgelegt werden, um Verantwortungsdiskussionen abzukürzen.
Start schon 2024?
Die Grünen-Politikerin hält den Start der neuen Vorgangsweise ab dem 1. Januar 2024 und damit noch vor dem Beginn der nächsten Weidesaison für machbar. Dazu will sie der Umweltministerkonferenz (UMK) bei deren nächster Sitzung Ende November das entsprechende Konzept vorlegen. Sie erhofft sich von der UMK ein klares positives Statement und anschließende Umsetzungsverordnungen durch die Länder.
Die Kosten des Gutachters sollen die Länder übernehmen. Bei der Definition des „ausreichenden Herdenschutzes“ plädiert Lemke mit Blick auf die Besonderheiten wie Almen und Deichen für regional angepasste Anforderungen.
„Wolfsfreie Zonen“ lehnt die Bundesministerin allerdings weiter ab. Die seien schon wegen der Hürden im Grundgesetz, Bundestierschutzgesetz und wegen des hohen Schutzstatus des Tieres im EU-Recht nicht durchsetzbar.
Etwas Lob …
Jörg-Andreas Krüger, Präsident des Naturschutzbundes Deutschland, unterstützt die Ministerin. Die Pläne sind nach seinem Verständnis sinnvoll und sollten für die „wenigen Fälle, in denen trotz Herdenschutz Weidetiere gerissen werden“ wohl ausreichen. Krüger stellt klar, dass „vereinfachte Abschüsse“ auch nach den neuen Vorschlägen keine pauschale Bejagung bedeuten. Es gehe um berechtigte Einzelfälle, in denen kein milderes Mittel vorhanden ist.
… und viel Kritik
Von der Bundestagsopposition kommt hingegen Kritik. Für den agrarpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann, lassen sich die Ankündigungen der Ministerin auf diesen Nenner bringen: „Viele blumige Worte, aber keine konkreten Vorschläge zur Reduzierung der gestiegenen Wolfspopulation.“ Laut Stegemann drückt sich Lemke weiter vor ihrer Verantwortung. Dabei müsste sie endlich den günstigen Erhaltungszustand des Wolfs definieren. Nur dann können Wölfe bejagt werden, bevor sie überhaupt Schafe reißen. „Aber die Sorgen der vielen Weidetierhalter und Menschen in den ländlichen Räumen spielen für die Umweltministerin offensichtlich nur eine untergeordnete Rolle“, so der CDU-Politiker.
"Völlig unzureichend"
Der Westfälisch Lippische Landwirtschafts-Verband (WLV) weist Lemkes Pläne ebenfalls als „völlig unzureichend“ zurück. WLV-Präsident Hubertus Beringmeier stellt klar: „Nur mit einer entsprechenden Ausweisung wolfsfreier Zonen und einer gezielten Regulierung ist ein Nebeneinander von Weidetierhaltung und Wolf möglich. Die von Umweltministerin Lemke vorgestellten Ansätze bleiben nur ein erster Schritt.“ Nach Beringmeiers Einschätzung wird zudem die Verantwortung für zusätzliche Schutzmaßnahmen allein den Tierhaltern zugewiesen. Der zunehmende Herdenschutz ist ihm zufolge ohnehin problematisch, weil er grundsätzlich keine Problemlösung darstellt. Vielmehr wäre ein vorbeugender Herdenschutz durch eine Reduzierung des Wolfsbestandes erforderlich, so der WLV-Präsident.
Lesen Sie mehr: