Waldbauer Georg Feldmann-Schütte hat keine Geduld mehr – nicht mit den Wisenten, dem Wisentverein, dem NRW-Umweltministerium und der Politik. „Wir haben rechtsgültige Urteile, aber es passiert nichts!“, sagte der Sauerländer in der vergangenen Woche gegenüber der Tageszeitung „Westfalenpost“. Wieder waren die Tiere in seinem Wald unterwegs, schädigten Bäume. „Ich habe den Vorsitzenden des Trägervereins Wisent-Welt-Wittgenstein (Anmerkung der Redaktion: und Bürgermeister der Stadt Bad Berleburg), Bernd Fuhrmann, angeschrieben und ihn aufgefordert, die Tiere endlich aus meinem Wald zu holen“, berichtet Feldmann-Schütte dem Wochenblatt. Eine Antwort habe er nicht bekommen.
Rechtskräftige Urteile
Feldmann-Schütte und Waldbauer Hubertus Dohle sind über die Gerichtsinstanzen bis zum Bundesgerichtshof in Karlsruhe gegangen und haben rechtskräftige Urteile erstritten laut derer sie die Wisente nicht auf ihrem Grund dulden müssen. Zudem muss der Wisent-Verein geeignete Mittel ergreifen, um die Tiere von den Grundstücken der beiden Waldbauern fernzuhalten. Doch der Verein erklärte die Wisente im Herbst 2022 für „herrenlos“ und sich selbst für nicht mehr zuständig.
Fragen über Fragen
Auch bei Hubertus Dohle haben die Wisente erneut Buchen geschädigt. Der Waldbauer hat daraufhin Mitte vergangener Woche einen Fragenkatalog an den Wisent-Verein, aber auch an die Landräte des Kreises Siegen-Wittgenstein bzw. des Hochsauerlandkreises, Andreas Müller bzw. Karl Schneider, sowie den Waldbauernverband NRW versendet, Betreff: Schäden durch Wisente. Dort heißt es:
- „Warum wird nicht wie versprochen darauf geachtet, dass die Herde in meinem Wald keine Schäden mehr verursacht? (…) Ich bin mehr wie enttäuscht, wie menschlich mit uns umgegangen wird.“
- „Wer sorgt nun dafür, dass die Tiere keine weiteren Schäden anrichten?“
- „Wer nimmt die erneut verursachten Schäden auf?“
- „Wann wird der noch ausstehende Schaden abgerechnet?“
„Fragen über Fragen, und keiner nimmt sich der Sache an!“, so Dohles abschließende Bemerkung. Und weiter: „Ich bitte (…) kurzfristig um Antwort.“
Termin mit Landrat Müller
Zurückgemeldet hat sich Andreas Müller, mit dem Dohle am Donnerstag dieser Woche einen Telefontermin hat. Karl Schneider hat aktuell Urlaub. Seitens des Waldbauernverbandes teilte Philipp Freiherr Heereman dem Waldbauern mit, dass Ende September eine politische Lösung verkündet werde, mit der alle leben könnten. Auf Anfrage des Wochenblattes beim Wisent-Verein verwies dieser darauf, dass die Mitglieder des „Runden Tisches“ bis zum Ende der Gespräche Stillschweigen vereinbart hätten. „Ich bitte daher um Verständnis darum, dass wir uns zu den Fragen nicht äußern können“, hieß es von dort.
„Klar ist für mich, dass die Vorschläge des runden Tisches – wie immer diese aussehen mögen – viele Monate der Umsetzung benötigen werden“, sagt Hans-Jürgen Thies, der Anwalt von Feldmann-Schütte. Und weiter: „Solange die Wisente weiterhin frei herumlaufen und die Waldgrundstücke meines Mandanten gefährden, werde ich die Zwangsvollstreckung mit aller Wucht fortsetzen, sofern der Kreis Siegen und das Land NRW keine umfassende, rechtlich belastbare Gewährsträgerhaftung für die Wisente übernimmt.“ Konkret heißt das, dass beim Landgericht 180.000 € als Kostenvorschuss für die Beauftragung eines Dienstleistungsunternehmens beantragt wurde, „das die Waldgrundstücke meines Mandanten bewachen soll“, informierte Thies. Der Betrag sei aber vom Landgericht noch festzusetzen. Den gleichen Weg haben Dohle und dessen Anwalt Friedrich von Weichs eingeschlagen. Sie haben 140 000 € Kostenvorschuss beantragt.
Tatsächlich Lösung?
Starke Zweifel, dass der „Runde Tisch“ bis Ende September eine Lösung erarbeiten wird, hat Feldmann-Schütte und spart dabei nicht an Kritik an den beiden ehemaligen NRW-Landwirtschaftsministern Johannes Remmel und Ursula Heinen-Esser, die als Mediatoren bzw. Moderatoren dem „Runden Tisch“ angehören. „Als Minister hatten beide jahrelang Zeit, eine Lösung zu erarbeiten – und jetzt sollen sie es richten?“
Land in der Pflicht?
Mittlerweile sieht auch die Umweltorganisation WWF (World Wildlife Fund for Nature) für das Wisent-Projekt wenig Chancen. Die einzige Lösung sei, dass das Land NRW die Verantwortung übernehme und das Artenschutzprojekt mit veränderter Struktur und mehreren kompetenten Beteiligten neu aufstelle. Bisherige Gespräche mit NRW-Umweltminister Oliver Krischer seien allerdings sehr enttäuschend gewesen, sagte WWF-Wildtierexperte Moritz Klose der Deutschen Presse-Agentur.
Sollte das Land sich weigern, die Verantwortung für das Projekt zu übernehmen, kommen nach WWF-Angaben nur zwei weitere Optionen in Betracht: „Die Tiere werden entnommen, das Land lässt sie also einfangen und versucht sie in anderen europäischen Ländern in dortigen Projekten unterzubringen, die aber wohl kaum ,Juhu‘ schreien werden“, meinte Klose. Bereits im Gutachten der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover von August 2021 war auf das Inzest-Problem hingewiesen worden. Die Nicht-Entnahme von Bullen sei „ein großes Versäumnis, das schwerwiegende Konsequenzen haben könnte“, hieß es dort. „Denn damit wären die Nachkommen für weitere Auswilderungsprojekte wie auch gezielte Zuchtbuch-Verpaarungen nicht mehr geeignet.“
Die zweite, von Klose angesprochene Option: Die Wisente würden erschossen. Doch das hält der WWF-Experte für „unwahrscheinlich“.
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