Herr von Wrede, trotz Regen und Gewitterschauern frisst der Käfer weiter – wie sieht es angesichts der Schäden aktuell aus?
Durch den menschgemachten Klimawandel sind von 2018 bis Mai 2021 32 Mio. fm Fichtenkalamitätsholz auf einer Schadfläche von rund 100 000 ha angefallen. Nach Aussage des Ministeriums vom April 2021 sind hiervon 70 000 ha wiederaufzuforsten. Für dieses Jahr ist nach dem massiven Schwärmflug ab Anfang Juni mit der gleichen Schadmenge wie 2020 zu rechnen.
Inwieweit sind die Waldbesitzer leistungs- und zahlungsfähig, die Wiederbewaldung zu stemmen?
Von der Förderrichtlinie Extremwetter wurden bis heute 1,4 Mio. € für Wiederaufforstungen bewilligt. Diese Mittel reichen für eine Aufforstung von etwa 300 ha, wobei Bewilligung nicht gleich Umsetzung heißt.
Da die öffentliche Förderung aus vielerlei Gründen nicht funktioniert, werden die Waldbesitzenden ihre Reserven zur Finanzierung verwenden oder die Aufforstung unterbleibt und die Flächen werden sich natürlich wiederbewalden.
Die vergangenen drei Jahre waren für viele Forstbetriebe hoch defizitär. In verschiedenen Regionen sind 80 bis 90 % der Fichtenbestände abgestorben. Vielen dieser Betriebe fehlt es an den finanziellen und menschlichen Möglichkeiten die Wiederaufforstung, geschweige denn die anschließende Kulturpflege zu stemmen.
Könnten höhe Holzpreise die nötigen finanziellen Möglichkeiten schaffen?
Die Marktpartner der Forstbetriebe, die Sägewerke, konnten in den vergangenen drei Jahren den Rohstoff Waldholz günstig einkaufen und auskömmliche Gewinne erzielen. Seit Beginn dieses Jahres ist, verstärkt durch den Export, der Erlös für Sägeholz erheblich gestiegen. Die Preise für Waldholz haben sich ebenfalls erholt, sind aber noch weit vom Niveau des Normaljahres 2017 entfernt. Für viele Forstbetriebe kommt diese Entwicklung zu spät, da sie keinen Nadelholzvorrat mehr haben.
Hatten sich die Sägewerke im Jahr 2017 beim Ministerium noch über die Forstbetriebe und deren verhaltenen Fichteneinschlag beschwert, so war in den vergangenen drei sorgenvollen Jahren wenig von den Sägewerken zu hören. Die Kampagne 16,5 Grad des Waldbauernverbandes 2019 sowie der Einsatz für Aufarbeitung- und Wiederaufforstungshilfe fanden keine Unterstützung durch die Sägewerke.
Was fordern Sie konkret von den Sägewerksbetreibern?
Das Mindeste unter „Marktpartnern“ wäre nun, die Klage über 180 Mio. € gegen das Land NRW bezüglich der Kartellrechtsbeschwerde zurückzunehmen. Da unter dem Risiko der „Streitverkündung“ viele Waldbesitzer für die Holzvermarktung durch den Landesbetrieb nachträglich „Strafzahlungen“ leisten müssten, obwohl sie keine Einnahmen mehr aus dem Wald haben.
Das kurzfristige Denken der Sägewerke und Politik zeigt sich insbesondere bei der Frage der Rohholzversorgung der nächsten Jahre. Bis vergangenen Mai haben sich 40 % der Fichtenvorräte in Nordrhein-Westfalen aufgelöst. Von vormals 250 000 ha Fichten in NRW sind 100 000 ha „verschwunden“. Der Erhalt der bestehenden Fichtenbestände und der Aufbau neuer klimastabiler Nadelholzmischbestände zur CO2-Bindung und zur Erweiterung der Holzverwendung im Bau sind nötig. Obwohl es bereits „fünf nach zwölf“ ist, sollte eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung, an der die Sägewerke eine zentrale Rolle einnehmen, erfolgen.
Was meint die Sägeindustrie?
Gerne hätten wir Ihnen auch die Meinung der Sägeindustrie und -verbände zum Thema mitgeteilt.
Leider erhielten wir auf unsere Anfrage nur Absagen.