Die Klimaextreme der vergangenen drei Jahre haben große Waldflächen im Süden Niedersachsens vernichtet: Stürme warfen zahlreiche Bäume um, in der Dürre der Sommer 2018 bis 2020 vermehrten sich Borkenkäfer massenhaft und befielen zahllose Fichten. Die Schäden nahmen von Jahr zu Jahr zu. Die Niedersächsischen Landesforsten haben nun für diesen Zeitraum Satellitenbilder ausgewertet, die das Ausmaß der Schäden verdeutlichen: auf mehr als 14 500 ha mussten Bäume entnommen werden, auf weiteren 8500 ha kam jede Hilfe für vom Borkenkäfer befallene Fichten zu spät – sie stehen nun trocken und ohne Nadeln auf großen Flächen.
Die Wiederaufforstung dieser und anderer Flächen in ganz Niedersachsen stellt die Försterinnen und Förster der Landesforsten vor große Herausforderungen: „Das vor uns liegende Programm zur Wiederaufforstung ist von historischem Ausmaß. Es übersteigt im Harz sogar die Aufforstungen der Nachkriegszeit“, erläutert Dr. Klaus Merker, Präsident der Niedersächsischen Landesforsten, die vor den Forstleuten liegende Aufgabe. Den in den 80er Jahren begonnenen Waldumbau wollen die Landesforsten dabei fortsetzen und auf den entstandenen Freiflächen und im Schutze der auf der Fläche belassenen abgestorbenen Fichten noch einmal forcieren, um klimaangepasste Mischwälder zu entwickeln.
Der Blick auf das finanzielle Ergebnis des Geschäftsjahres 2020, das die Landesforsten mit einem Defizit von 18 Mio. EUR abschließen, zeigt, dass diese Aufgaben selbst bei steigenden Holzpreisen nicht durch den Holzverkauf zu finanzieren sind. „Allein im Jahr 2020 haben wir für den Waldumbau knapp 16. Mio. EUR aufgewendet – und wir werden unsere Bemühungen weiter intensivieren. Angesichts der Bedeutung der Wälder für das Klima ist die Absicht des Bundes, zukünftig allen Waldbesitzenden eine Vergütung für den Erhalt der Klimaschutzleistungen der Wälder zu zahlen, sehr zu begrüßen,“ erklärt Merker.
Lage im Wald der Niedersächsischen Landesforsten
Die Folgen des Klimawandels machen sich im Landeswald seit 4 Jahren konkret bemerkbar: Starkniederschläge, Stürme, Dürren und die massenhafte Vermehrung von Schadinsekten verursachen großflächige Waldschäden. Anhand der ausgewerteten Satellitenbilder wurde das Ausmaß der Schäden nun konkret mit knapp
25 000 ha beziffert. Die angegebenen Flächengrößen in den Niedersächsischen Landesforsten beziehen die im Privatwald und im Nationalpark Harz betroffenen Flächen nicht ein.
Um die weitere Ausbreitung des Borkenkäfers zu verhindern oder sie zu verzögern, müssen die befallenen Bäume schnellstmöglich gefällt und aus dem Wald gebracht werden, bevor die sich darin vermehrenden Borkenkäfer ausfliegen und weitere Bäume befallen. Fällt die Rinde vom ganzen Stamm, geht von diesen Fichten keine Gefahr mehr für andere Wälder aus. Die jungen Borkenkäfer sind bereits ausgeflogen und besiedeln andere lebende Fichten. Mitunter können die abgestorbenen Fichten ganz oder teilweise als stehendes Totholz im Wald verbleiben. Die Landesforsten pflanzen oder säen dann die neue Waldgeneration in ihrem Schatten.
Planvolle Wiederbewaldung von Mischwäldern
Sowohl die Freiflächen, die dort entstehen, wo zahlreiche vom Borkenkäfer befallene Fichten entnommen werden müssen, als auch die Flächen mit abgestorbenen Fichten werden möglichst schnell wiederbewaldet. Ziel ist es, die bereits mit dem LÖWE-Programm seit Beginn der 90er Jahre begonnene Entwicklung nachhaltig und vielfältig nutzbarer, klimastabiler Mischwälder fortzusetzen bzw. unter den gegebenen Rahmenbedingungen zu forcieren.
Hierzu werden neben den zahlreichen von der Natur gesäten Fichten, Bergahornen, Ebereschen und Birken zahlreiche weitere Mischbaumarten gepflanzt und gesät. Bei der Baumartenwahl gehen die Landesforsten planmäßig vor: Aus der sogenannten Standortkartierung liegen wesentliche Daten des Bodens (Nährstoffversorgung, Wasserhaltevermögen, Exposition) vor. Diese Daten werden durch die Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt mit Klimamodellen verschnitten, die die zu erwartenden klimatischen Änderungen für die jeweilige Region prognostizieren.
Im Ergebnis liegen für jede einzelne Waldfläche Prognosen vor, welche Baumart dort heute und vor allem an künftige Klimabedingungen angepasst ist und mit einem möglichst geringen Risiko wachsen kann. Neben den sich daraus herleitenden Empfehlungen, welche Baumarten in Mischung miteinander gepflanzt werden sollen, kommen die sich auf natürlichem Wege verjüngenden Baumarten hinzu. Hierzu gehören neben der Fichte vor allem Birken, Ebereschen, Erlen, Aspen, Ahorne oder Weiden, deren Samen sich schnell und weit über den Wind bzw. durch Vögel verbreiten. Gepflanzt oder aktiv gesät werden Baumarten, die sich wegen fehlender Mutterbäume nicht von Natur aus einfinden.
Das Vorgehen der Landesforsten zielt darauf ab, die Entwicklung zu Mischwäldern zeitlich zu forcieren, wo es von Natur aus längere Zeit nicht gelingen würde. Mischwälder, in denen sich die durch den Klimawandel ergebenden Risiken auf eine größere Anzahl an Bäumen mit verschiedenen Eigenschaften verteilen (Risikostreuung), sind aufgrund ihrer Mischung und Baumartenvielfalt auch resilienter – d.h. besser in der Lage, nach einer Störung (z. B. einem Windwurf), wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurückzufinden (z. B. durch schnelle Wiederbesiedlung geschädigter Flächen durch natürliche Ansamung).