"Zu viel Wild" - das gilt nicht pauschal
Häufige Ursache für Verbiss von Bäumen ist ein zu hoher Wildbestand. Das Wild findet auf der Fläche durch die Populationsdichte nicht genügend andere Nahrung und greift auf die Naturverjüngung oder gepflanzten Bäume zurück. Das muss aber nicht immer der Hauptgrund für überhöhten Verbiss sein: Ein mangelndes Äsungsangebot drängt das Wild schnell dazu, sich auf die Forstpflanzen zu konzentrieren. Gerade Hasen, die auf landwirtschaftlichen Flächen nicht genügend Nahrung finden, weichen in nahe gelegene Wälder aus. Äsungsmöglichkeiten wie zum Beispiel Wildäcker oder Waldwiesen bieten dem Wild eine Alternative und fördern zusätzlich die Artenvielfalt.
Außerdem sind der Stress beim Wild durch Freizeitsuchende, Jagddruck oder den Wolf weitere Ursachen. Vieles bedingt sich gegenseitig, weshalb alle Faktoren betrachtet werden müssen, um die genaue Ursache zu finden.
Gerupft oder geschnitten?
Gerade das Schalenwild wie Reh- oder Rotwild ernährt sich von den Knospen und jungen Trieben der Forstpflanzen. Dabei verursacht das Rehwild durch sein großes Vorkommen die meisten Schäden. Als „Konzentratselektierer“ ernährt es sich gerade am Ende während der Wintermonate von den jungen Trieben der Bäume. In dieser Zeit ist das anderweitige Nahrungsangebot im Wald noch sehr begrenzt. Je nach Wilddichte kommt es aber auch zu Sommerverbiss.
Andere Tiere wie Mäuse, Eichhörnchen und besonders Hasen sorgen auch für Verbissschäden. In den häufigsten Fällen lässt sich der Verbissschaden gut seinem Verursacher zuordnen: Rehwild hinterlässt meist eine gequetschte und faserige Verbissstelle. Denn Rehe haben im Oberkiefer keine Schneidezähne, sondern eine Kauplatte womit sie die Triebe abrupfen. Manchmal zerkauen sie die Knospen mit den Backenzähnen. Ein weiteres Indiz ist die Höhe des verbissenen Triebs. Die typische Verbisshöhe ist zwischen 20 und 90 cm. Darüber bleiben die Triebe verschont – zumindest von Rehbock und Ricke. Merkmal ist zudem ein flacher Verbisswinkel bis zu 30 Grad.
Der Verbiss von Hasen lässt sich leicht vom Rehverbiss unterscheiden. Hasen schneiden die Triebe regelrecht mit ihren scharfen Schneidezähnen in einem 45-Grad-Winkel ab. Der durch Hasen verursachte Verbiss befindet sich in der Regel zwischen 20 und 50 cm Höhe. Im Winter bei dicker Schneedecke erreichen sie auch höher gelegene Triebe. Hasen verbeißen ebenfalls größtenteils im Winter und bevorzugen die Buche – oftmals nagen sie an der dünnen Rinde.
Jagen mit Strategie
Es gibt unterschiedliche Ansätze, den Verbiss zu minimieren. Die Anpassung der Jagdstrategie ist Teil davon. Ein effektives Jagen in Intervallen hat sich bewährt. In den langen Ruheintervallen ist das Wild ungestört. In den kurzen, aber intensiven Jagdperioden und mithilfe von Drückjagden in den Wintermonaten wird der Bestand angepasst. Starker Jagddruck sorgt übrigens für Stress und eine erhöhte Nahrungsaufnahme des Wildes.
Die „bunte“ Mischung erhalten
Das Wild verbeißt nicht nur ein- oder zweijährigen Bäumchen, sondern auch Keimlinge. Schlimmstenfalls fällt dadurch die Naturverjüngung aus. Das erfordert das Pflanzen neuer Wälder, was im Vergleich deutlich teurer ist.
Aber auch der sogenannte selektive Verbiss ist folgenschwer und zieht im Extremfall eine Baumartenentmischung nach sich. Betroffen sind vor allem „Leckerbissen“ beispielsweise Tanne, Ahorn, Esche, Ulme und Eiche. Die Baumarten „schmecken“ dem Rehwild besser als Fichten und Buchen.
Eine Entmischung sorgt für den Verlust der Funktionsfähigkeit des Waldes, ganz gleich ob Nutz-, Schutz- oder Erholungswald. Gerade im Schutzwald kann die mangelnde Naturverjüngung Erosion, Lawinen oder Steinschlag nicht mehr verhindern.
Die Baumartenentmischung kann so weit gehen, dass es zum Verlust der Artenvielfalt kommt. Gerade spezialisierte Tierarten finden dann keinen ausreichenden Lebensraum.
Auf Schadflächen sorgt ein starker Verbiss für eine verzögerte Entwicklung des neuen Waldes. Pionierbaumarten wie Weiden oder Birken bilden einen Vorwald. Dieser bringt viele Vorteile mit sich und verbessert unter anderem die Bodengare.
Qualitätsverluste
Der einmalige Verbiss des Einzelbaumes macht noch keinen großen Schaden. Ein starker flächiger Verbissschaden führt hingegen schnell zu finanziellen und ökologischen Verlusten. Kommt es zu mehrmaligem Verbiss der Terminal- bzw. Leittriebe, sind Verbuschung und damit Qualitätsverluste oder Absterben des Baumes die Folge. Verbiss führt außerdem zu Zuwachsverlusten.
Kosten minimieren
Fehlende Naturverjüngung bedeutet für Waldbesitzer: Aufforsten. Anders lassen sich die meisten waldbaulichen Ziele nicht erreichen. Das Aufforsten kostet Geld besonders für die Pflanzen und Pflanzer. Hinzu kommen oft die Kosten für den Schutz der gepflanzten Kultur. Der Verzicht auf ein Gatter oder einen Zaun ist oft undenkbar. Rehwild und Co. würden die neuen Kulturen sonst stark verbeißen.
Chemisch oder mechanisch schützen
Die gepflanzte Kultur einzuzäunen, ist teuer. Ein Zaun oder Gatter kostet schnell 12 € je Meter, hochgerechnet sind das etwa 5000 € je Hektar.
Zum Schutz einzelner Pflanzen gibt es sogenannte Wuchshüllen, Drahthosen oder chemische Verbissschutzmittel. Die Drahthosen und Pflanzenschutzhüllen liegen preislich bei ungefähr 2 € pro Hülle. Nachteil: Genau wie ein Zaun aus Draht müssen die Schutzhüllen nach ein paar Jahren wieder abgebaut und eingesammelt werden.
Chemische Schutzmittel wie „Arbinol B“ sind preiswerter. Wenn man die jungen Bäume vor dem Pflanzen mit dem Schutzmittel behandelt, beziffern sich die Kosten pro Pflanze auf 7 Cent. Das summiert sich in unserem Beispielbestand mit 2000 Pflanzen auf insgesamt 140 €.
Möglich ist auch der Schutz des Terminaltriebes mit Verbissschutzmanschetten oder Schafwolle. Dabei wird nur der Terminaltrieb geschützt. Am häufigsten wird dafür die Manschette benutzt. Diese ist einfach anzubringen und kostet pro Stück um die 10 Cent. Die Manschetten müssen jedes Jahr ein Stück höher geschoben, später ebenfalls abgebaut und eingesammelt werden.
Der Schutz mit Schafwolle ist am nachhaltigsten. Dabei wird ein bisschen Wolle um die Terminalknospe gewickelt. Der Geruch der Schafwolle hält das Wild vom Verbiss ab. Dieser Schutz muss jedes Jahr erneuert werden, bis die Triebe aus dem Äser gewachsen sind – und für das Wild unerreichbar sind. Der Preis für die Wolle schwankt im Bereich von wenigen Cent/kg. Manche Hobby-Schafhalter geben die Wolle sogar kostenlos ab.