Wird das umstrittene Wisent-Projekt im Rothaargebirge fortgeführt? Mit Spannung wurde die Entscheidung des Bad Berleburger Stadtrates am Montagabend dieser Woche erwartet. Entsprechend der Empfehlungen des „Runden Tisches“ hatte sich der Kreis Siegen-Wittgenstein Ende September zwar für die Fortführung des Projektes ausgesprochen, dies aber mit der Erwartung verknüpft, dass sich die Stadt Bad Berleburg zu gleichen Teilen an den Kosten beteiligt.
Letztlich stimmte der Rat bei 19 Ja-Stimmen von CDU, UWG, Grünen und FDP, zehn Nein-Stimmen (unter anderem der kompletten SPD-Fraktion) und vier Enthaltungen für den Beschlussvorschlag. Dieser besagt, dass die Stadt das Projekt unterstützt und sich mit einem Sitz in der neu zu gründenden Stiftung als künftige Trägerstruktur beteiligt.
Zugleich wurde beschlossen, die für die Umsetzung erforderlichen Mittel von bis zu 75.000€ in das Haushaltsjahr 2024 aufzunehmen. Darin enthalten sind 10.000€ für den Unterhalt der Management-anlage sowie je 10.000 € für denSchadenfonds und für dieKostenbeteiligung an einer neuen Trägerstruktur sowie 45.000€ für das Herdenmanagement (der Kreis zahlt jeweils den gleichen Betrag). Des Weiteren wurden mit dem Beschluss zwei weitere Anträge angenommen: der Grünen, den runden Tisch für weitere sechs Monate fortzusetzen, und der CDU, die Verwaltung damit zu beauftragen, mit zuständigen Stellen Abstimmungsgespräche über den Einsatz von Ersatzgeldern zu führen, um eine Unterstützungsmöglichkeit für das Projekt zu erreichen.
Nur das „Eintrittsgeld“?
Vor der Abstimmung war intensiv diskutiert worden. Die Befürworter innerhalb des Stadtrates wiesen noch einmal auf die „Einzigartigkeit“ des Wisent-Projektes hin. Dieses sei auch ein „Marketingprojekt“, von dem Schmallenberg, das Hochsauerland und Bad Berleburg profitierten. Und wenn der Zehn-Punkte-Plan des runden Tisches gut umgesetzt werde, könnte dies zu einer „Befriedung“ (Anm. d. Red.: mit geschädigten Waldbesitzern) führen, meinte Wolfgang Völker (FDP). Ganz anders die Töne insbesondere seitens der SPD-Fraktion. In Schmallenberg resultierten die positiven Auswirkungen auf den Tourismus aus der „Wisent-Wildnis“ (Anm. d. Red.: einem rund 20 ha großen eingezäunten Areal mit Wisenten). „Doch mit dem Beschluss öffnen wir hier die Büchse der Pandora“, warnte Bodo Hüster, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion. „Wir wissen nicht, wie viel und wie lange wir in Zukunft zahlen sollen.“ Die 75.000€ seien nur das „Eintrittsgeld“, ergänzte ein Parteikollege. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass das Projekt privat initiiert worden sei. „Bereits bei der Auswilderung hat es nicht funktioniert, weil die Wisente keine Grenzen kennen“, so ein weiterer SPD-Vertreter. Jetzt sei das Projekt kollabiert. Warum sollte alles besser werden, nur weil sich Kreis und Stadt beteiligten?
Aufgrund eventueller Haftungsrisiken, die auf die Stadt zukommen könnten, beantragte die Vorsitzende Iris Gerstmann für die SPD-Fraktion eine namentliche Abstimmung – mit besagtem Ergebnis.
Was macht das Land?
Den Ball zugespielt bekommen hat nun das Land NRW. Laut rundem Tisch ist es gefordert, die inhalt-, rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen für eine dauerhafte Fortführung des Projektes zu schaffen. Allein die Kosten für das Herdenmanagement werden auf jährlich 450.000€ beziffert; zumindest 80% soll das Land fördern.
KOMMENTAR
Verkehrte Welt
In Bad Berleburg ist scheinbar vieles anders, auch politisch: Vertreter der SPD stimmen gegen das Wisent-Projekt und stehen damit auf der Seite der Land- und Forstwirte.
Die CDU-Abgeordneten sind hingegen dafür und betonen immer wieder die „Einzigartigkeit“ des Projektes und die positiven Wirkungen für den Tourismus. Man fragt sich: Wirkt hier noch der Nachhall des ehemaligen Siegen-Wittgensteiner Landrates Paul Breuer, ein Verfechter des Projektes und Vorstandsmitglied im Wisent-Verein? Und was ist eigentlich das Einzigartige am Wisent-Projekt? Auf jeden Fall, dass sich die Tiere entgegen aller Vereinbarungen bisher unkontrolliert vermehren konnten – und die Kosten, die der Steuerzahler berappen muss.
Britta Petercord
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