Forstpolitik

Leistungen des Waldes anerkennen!

Die Haushaltskürzungen des Bundes könnten auch für Waldbesitzer schmerzhaft werden. Darum fordert die Branche immer lauter, die Ökosystemleistungen des Wald zu honorieren.

Herr Prof. Bitter: Die Ausgabensperre für den Klima- und Transformationsfonds (KTF) schlägt hohe Wellen. Welche Folgen hat sie für die forstliche Förderung?

Grundsätzlich wird an vielen Ecken gespart werden müssen. Ich bin aber optimistisch, dass die forstliche Förderung, die künftig bundesseitig aus dem KTF finanziert werden soll, in 2024 fortbestehen wird und die GAK-Mittel für die Bewältigung der Extremwetterfolgen auch weiterhin bereitstehen.
Was das Förderprogramm „Klimaangepasste Waldmanagement“ betrifft, haben wir eine Fristenkongruenz vereinbart. Das bedeutet kurzgefasst, wenn der Bund nicht mehr zahlt, enden die Verpflichtungen der Waldbesitzenden. Da es ein laufendes Programm mit Bindungsfristen von 10 bzw. 20 Jahren ist, sollte es bei den Überlegungen der Bundesregierung Priorität haben. Der Wald als erstes Opfer des Klimawandels und gleichzeitig wichtiges Mittel zur Minderung der Folgen, darf bei der Priorisierung der Haushaltsmittel nicht durchrutschen.

Wird künftig noch Geld für die Wiederaufforstung da sein?

Der Bund hat Hilfsmittel für die Bewältigung der Extremwetterfolgen in Höhe von 120 Mio. € jährlich bereitgestellt. Diese waren 2023 letztmalig verfügbar. Für Panik gibt es aber trotzdem keinen Anlass. Das Thema ist so bedeutend, dass auch in Zukunft Geld zur Verfügung stehen muss! Insofern ist meine Antwort: Ja.

AGDW-Präsident Andreas W. Bitter ist Direktor des Instituts für Forstökonomie und Forsteinrichtung der TU Dresden und selbst Waldbesitzer in Sachsen und im Sauerland. (Bildquelle: B. Lütke-Hockenbeck)

Die große Herausforderung des nordrhein-westfälischen Landwirtschaftsministeriums ist zweifellos die Wiederbewaldung. Wie läuft diese aus Ihrer Sicht?

Wir sind noch nicht vor der Welle, aber die Waldbesitzer haben schon sehr viel geleistet. Grundsätzlich gilt es in solch einer Situation zunächst – soweit möglich – den Wald und die Vermögenswerte zu sichern – also den Käfer zu bekämpfen und das Käferholz aufzuarbeiten. Damit sind noch viele Waldbesitzer beschäftigt. Im nächsten Schritt folgt die Wiederbewaldung. Hierfür benötigen die Betriebe aber auch ausreichende Kapazitäten. Die Leistungsfähigkeit der Betriebe ist allein aufgrund ihrer Größe sehr unterschiedlich. An der Notwendigkeit einer geplanten Wiederaufforstung kann es keine Zweifel geben. Ohne Fördermittel ist sie aber nicht zu stemmen.

Die Waldbesitzer hier in NRW beklagen immer wieder das komplizierte Förderfahren. Welche Stellschrauben müssten gedreht werden, damit das Geld endlich in der Fläche ankommt?

Die aktuelle Krise hat Waldbesitzer und Forstverwaltung gleichermaßen gefordert. Der Entwurf einer optimalen Förderlösung ist in diesem Rahmen sehr schwierig. Insofern sind die wiederholten Nachbesserungen der GAK-Förderrichtlinie „Extremwetterfolgen“ nachvollziehbar. Gleichwohl sind in diesem Fall Information und Betreuung das A & O – sowohl durch Wald und Holz NRW, als auch durch die forstlichen Zusammenschlüsse.
Den Waldeigentümern empfehle ich, ihre grundsätzlich nachvollziehbare Scheu vor der Förderung zu überwinden. Wir müssen uns klar darüber sein: Öffentliches Geld zieht zwar Anforderungen nach sich, doch unsere Forderung ist, diese Auflagen auf der Fläche so praxisnah wie nur möglich zu gestalten. Denn wenn sie in der Praxis als schwer umsetzbar empfunden werden, bleiben die Fördergelder in Düsseldorf liegen. Das zeigt die geringe Fläche, die bisher mithilfe von Fördergeldern aufgeforstet worden ist.

„Der Wald als erstes Opfer und gleichzeitig Schlüssel gegen den Klimawandel, darf bei der Priorisierung der Haushaltsmittel nicht durchrutschen.“

Viele Waldbesitzer haben das Vertrauen in die Forstverwaltung wegen der „Streitverkündung“ im Holzverkaufsstreit verloren. Die AGDW hat ein Gutachten erstellen lassen, das im Ergebnis die Waldbesitzer von einer möglichen Schadenersatzzahlung ausschließt. Können Sie uns das kurz erklären?

Diese Streitverkündung gab es nicht nur in NRW, sondern in mehreren Bundesländern. Darum haben wir uns des Themas angenommen, vor allem, um Klarheit für die Waldeigentümer zu bekommen.
Das Ergebnis des Gutachtens: Es ist höchst fraglich, ob es überhaupt zu Schadenersatzleistungen an die Kläger kommt. Und wenn unerwartet doch, werden die Länder den Schadenersatz selbst leisten müssen.
Die Gerichte haben bereits Zweifel geäußert, ob die Kläger wirklich einen Schaden nachweisen können. Am Ende des Tages hatten die Säger unter Umständen sogar einen Vorteil durch die gebündelte Holzvermarktung.

Hier scheint der Druck vom Kessel zu sein. Anders ist es beim Naturwiederherstellungsgesetz, das die EU verabschiedet hat. Das Ziel: zerstörte Natur wieder in einen guten ökologischen Zustand zu bringen. Was bedeutet das Gesetz für den Wald?

Wir müssen in höchstem Maße besorgt sein, denn hier handelt es sich wieder einmal um eine Regulierung vom grünen Tisch aus. Die Aktivitäten der EU im Rahmen des „Green Deal“ sind in vielerlei Hinsicht höchst bedenklich. Die EU schafft einheitliche Regelungen für ganz Europa. Pauschale Regelungen sind aber oft nicht sachgerecht. Wir fordern global zu denken und lokal zu handeln. Europa verstrickt sich zunehmend in einem Dickicht von Regularien. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an RED III* und die fragwürdige Einstufung von Holz als nicht CO2-neutraler Energieträger.

Schauen wir noch einmal auf den Bund. Das Bundeswaldgesetz steht vor einer Novelle. Der erste Entwurf zeigt laut Kritikern eine deutliche Handschrift des Naturschutzes. Hat sich die AGDW vom Naturschutz abhängen lassen?

Wir müssen festhalten: Bisher gibt es keinen autorisierten Entwurf. Worüber alle diskutieren, ist ein Vor-vor-Entwurf, der an die Öffentlichkeit gelangt ist und von dem sich Minister Özdemir ausdrücklich distanziert hat. Die Novellierung ist ein mehrstufiges Verfahren unter Beteiligung von Ministerien, Kabinett und Parlament. Wir befinden uns in diesem Verfahren noch ziemlich am Anfang. Das Gesetz ist also noch nicht verabschiedet.

„Den Waldeigentümern empfehle ich, ihre Scheu vor der Förderung zu überwinden.“

Für wann ist das denn geplant?

Das neue Bundeswaldgesetz soll am 1. Januar 2025 in Kraft treten. Angesichts der bereits heute schon sehr kontroversen Diskussion könnte es auch länger dauern.

Warum brauchen wir eigentlich ein neues Waldgesetz?

Aus meiner Sicht brauchen wir kein neues Waldgesetz. Schon gar keines, dass diesem Entwurf entspricht. Denn er enthält viele Detaillösungen, die unnötig sind. Ich nenne das Mikromanagement per Gesetz. Wenn das Waldgesetz unbedingt überarbeitet werden muss, sollte es sich auf Mindeststandards beschränken und vor allem Anreize für die Waldbewirtschaftung schaffen. Wir wissen nicht, wie unser Wald angesichts von Klimawandel und Standortsdrift in Zukunft aussehen wird. Insofern können und dürfen wir nur wenige Mindestanforderungen an die Bewirtschaftung stellen und keine Feinregulierungen festzurren.

Was meinen Sie damit?

Der Wald leistet eine Vielzahl von Ökosystemleistungen: Basisleistungen wie die Produktion von Sauerstoff und die Bindung von CO2 sowie die Bereitstellung eines Lebensraumes für Tier- und Pflanzenarten, Versorgungsleistungen, zu denen die Holzproduktion zählt, aber Regulierungsleistungen wie der Bodenschutz sowie kulturelle Leistungen, beispielsweise als Ort für Erholung und Naturerlebnis. Das alles entsteht auf der Grundlage von sogenannten Basisleistungen, wie zum Beispiel Photosynthese, und der Biodiversität. Wir fordern diese Leistungen zu honorieren. Kurz gesagt: Wir wollen eine umfassende leistungsorientierte Betrachtung der Waldwirtschaft. Es geht heute nicht mehr nur um eine Finanzierung der Waldleistungen allein aus der Bereitstellung und den Verkauf von Holz.

Wenn Sie sich für den Wald etwas wünschen dürften, was wäre es?

Die Vielfalt der Waldeigentümer sichert die Vielfalt der Wälder und die Vielfalt der Ökosystemleistungen. Deshalb bin ich für die Zukunft grundsätzlich optimistisch.
Wichtig ist, dass die Bindung von CO2 durch den Wald endlich ihre verdiente Anerkennung findet. Durch ständige Pflege und Durchforstung, also Waldbewirtschaftung wird der Wald zur „CO2-Pumpe“ und nimmt damit eine Schlüsselrolle im Kampf gegen den Klimawandel ein. Das ist der große Unterschied zu ungenutzten bzw. stillgelegten Wäldern. Das muss sich im Bewusstsein aller verankern und ist die Basis für die Honorierung der vielfältigen Leistungen des Waldes.

* Anmerkung der Redaktion: Die als RED III bezeichnete Überarbeitung der europäischen Richtlinie soll die Nutzung Erneuerbarer Energien weiter steigern und Treibhausgasemissionen senken.


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