Herr von Heereman, Sturm und Dürre haben für ein riesiges Rohholzangebot gesorgt, gleichzeitig sind aber Bauholz knapp und OSB-Platten ausverkauft. Wie passt das zusammen?
Es ist aktuell viel Bewegung im Markt. Seit rund sechs Wochen ist der Sägeholzmangel ein Thema. Ich selbst stelle das auch fest, dass Handwerksbetriebe Angebote zurückziehen oder Tagespreise ausgegeben werden. Brauchbares Holz liegt noch immer im Wald – sowohl Kiefer als auch Fichte. Borkenkäferfichten haben oft noch eine brauchbare Qualität und können eine hohe Wertschöpfung erzielen.
Warum hierzulande Bau- und Schnittholz knapp ist, liegt am Export. Amerikanische Kunden sind derzeit bereit, sehr viel höhere Preise zu bezahlen, das nutzen die Sägewerke aus. Das hat aber nichts mit dem Export von Containerholz zu tun. Die Waldbauern liefern notgedrungen nach China. Uns wäre lieber, wenn das Holz in heimischen Sägewerken verarbeitet würde.
Die Verbraucherpreise schießen durch die Decke, bei den Waldbesitzern kommt nichts davon an. Ist das gerecht?
Wir freuen uns, dass der Preis für das Leitsortiment zumindest langsam wieder steigt, allerdings muss der ganze Baum mit einem positiven Deckungsbeitrag aufgearbeitet und verkauft werden. Ein Landwirt kann schließlich auch nicht nur den Schinken vom Schwein verkaufen. Damit meine ich, wir brauchen Lieferverträge für alle Sortimente – zurzeit besonders für das Industrieholz und D-Holz-Qualitäten.
ThüringenForst will wieder Frischholz einschlagen. Auch nordrhein-westfälische Waldbesitzer verfolgen diese Strategie. Muss der Staat regulierend eingreifen?
Das lasse ich mal dahingestellt. Wir haben trotz der Kalamität immer noch wertvolle Hölzer, die gilt es zu vermarkten. Was den Frischholzeinschlag angeht, ist der Ansatz des Forstschädenausgleichsgesetzes falsch. Denn die Einschlagsbeschränkungen von 85 % beziehen sich auf normale Hiebssätze. Die Betriebe benötigen gerade jetzt wieder Einnahmen, auch um die Wiederaufforstungen stemmen zu können. Insofern müssen wir das Gesetz dringend anpassen. Wir sind aber froh und dankbar, dass es endlich auf den Weg gebracht worden ist – vor allem durch die Initiative des Landes Nordrhein-Westfalen. Denn die Steuererleichterungen, die das Gesetz vorsieht, sind für viele Betriebe hilfreich.
Angesichts der Schäden und der Vermögensverluste wirken die bisherigen Extremwetter-Förderungen des Landes wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Wie sollen die Forstbetriebe in die Wiederaufforstung investieren?
Grundsätzlich neuen Wald fordern, aber nicht fördern, geht nicht! Tatsächlich ist in vielen Fällen kein Kapital für die Wiederaufforstung mehr vorhanden. Aber die Fördergelder sind nicht dafür da, entstandene Schäden zu ersetzen. Sie sollen vorrangig Eigenkapital für die Wiederbewaldung schaffen. Deshalb reichen die Fördergelder nicht!
Hinzu kommt der Förderdeckel von 50 000 €. Größere Betriebe können es nicht schaffen, mithilfe dieser Summe ihre Schadflächen wieder anzupflanzen. Das Geld reicht höchstens für 5 bis 6 ha. Hier ist zusätzliches, meist Fremdkapital, nötig.
Auch kleinere Betriebe können die Schäden der vergangenen drei Jahre nicht auffangen. Der Wiederaufbau der Wälder ist trotz einer Förderquote von rund 80 % keinesfalls gesichert.
Welche Rolle spielt eine mögliche CO2-Bepreisung in diesem Fall, für die Sie sich zusammen mit den Familienbetrieben Land und Forst einsetzen?
Eine entscheidende, denn sie würde langfristig Eigenkapital schaffen und die in den kommenden Jahren fehlenden Einnahmen aus dem Holzverkauf kompensieren. Ganz wichtig ist dabei, dass es sich nicht um Steuergelder handelt, sondern um Geld aus dem Energie- und Klimafond. In diesen zahlen vor allem diejenigen ein, die CO2 emittieren.
Wir fordern, die Ökosystemleistungen des Waldes in Wert zu setzen und dafür jährlich 5 % aus dem Energie- und Klimafond zu bekommen. Das entspricht jährlich etwa 120 €/ha. Grundsätzlich ist der Wald mehr als Holzproduzent, das muss honoriert werden. Dies droht gerade allerdings zu scheitern, weil das Bundesumweltministerium die Gelder nur für eine unmittelbar erbrachte Leistungen ausschütten will.
Viele Waldbesitzer werden wiederaufforsten – verzichten aber auf Fördergelder. Die Begründung: Das Förderverfahren ist kompliziert und aufwendig, das Wiederaufforstungskonzept des Landes praxisfern. Teilen Sie diese Meinung?
Viele Förderrichtlinien entsprechen nicht der Wirklichkeit. Das erlebt man aber in keiner Taskforce, sondern auf der Fläche. Wird beispielsweise für die Wiederaufforstung eines bestimmten Standorts nur die Baumart Buche gefördert, Förster und Waldbesitzer aber wissen „die wächst hier nicht“, dann ist das ein Problem. So, wie geschehen, kann man eine Förderrichtlinie nicht gestalten, weil Nordrhein-Westfalen viel zu unterschiedlich ist. Aber es darf auch nicht auf ein Gießkannenprinzip hinauslaufen.
Für uns gilt die Zielrichtung: Der neue Wald muss ein gemischter Wald sein. Das Produktionsziel legt der Eigentümer fest. Für den Waldbauernverband hat die Holzproduktion allerdings Priorität, wegen seiner ökonomischen und ökologischen Relevanz.
Was heißt das für die Praxis?
Die Welt geht nicht unter, wenn wir eine Nadelholznaturverjüngung wieder hochwachsen lassen – zum Beispiel auf Flächen, auf denen der Waldbesitzer nicht anpflanzen konnte. Landesweit ist die Mischung trotzdem groß. Hauptproblem ist, dass die Schadflächen häufig so groß sind, dass das Mikroklima zerstört ist. Folglich ist es an einem Standort mitunter viel zu trocken. Bewässerungen scheiden aus. Somit müssen andere Lösungen her. Eine ist ein Vorwald aus Pionierbaumarten, der die Standortbedingungen verbessert. Eine andere Möglichkeit ist die Stockachselpflanzung – also die Pflanzung nahe der Stubben abgestorbener Fichten. Kurz und gut: In der Fläche etwas auszuprobieren ist nötiger denn je. Darum sind enge Reglementierungen nicht zielführend. Der Wald ist dynamisch, der Staat nicht.
Wo wünschen Sie sich mehr Beweglichkeit?
Warum Eiche nach Eiche nicht förderfähig ist, kann ich nicht sagen. Das gilt auch für Buchenbestände in FFH-Gebieten. Sind die Bäume dort abgestorben, sollte man den Schutzgebietsstatus zumindest zeitweise überdenken. Ich fordere darum mehr Flexibilität und sich an Zielen zu orientieren statt an Maßnahmenkatalogen.
nEinige Waldbesitzer drohen die Forstwirtschaft aufzugeben. Wie lassen sich diese bei der Stange halten?
Ein geeignetes Mittel sind Waldpflegepläne – so wie Pachtverträge in der Landwirtschaft. Das bedeutet: Dritte übernehmen die Bewirtschaftung der Flächen. Das könnte auch für nicht organisierte Waldbesitzer attraktiv sein. Dazu sind aber staatliche Anreize nötig. Die Voraussetzungen hierzu sind zurzeit nicht gegeben. Die Landesregierung sollte sich mit dem Thema beschäftigen.
Die Aufgabe der Bewirtschaftung und letztlich des Eigentums darf nicht passieren. Die aktuelle Förderpolitik der direkten Förderung zieht aber den Automatismus nach sich, dass Kleinprivatwaldbesitzer aus forstlichen Zusammenschlüssen aussteigen. Damit das nicht passiert, muss die Politik die Zusammenschlüsse stärken.
Wie zum Beispiel?
Ich sehe einen direkten Zusammenhang zwischen der Kritik an der direkten Förderung und der mangelnden Akzeptanz der Extremwetterförderrichtlinie. Dort, wo Zusammenschlüsse ohnehin schon an Strukturhürden stolpern, ist es schwer, andere Maßnahmen erst umzusetzen.
Hier muss sich auch der ein oder andere Mitarbeiter des Landesbetriebs fragen, welchen Schaden er anrichtet, den Wechsel zur direkten Förderung zu verhindern oder zumindest zu bremsen. Diese Person hat dem Privatwald einen riesigen Schaden zugefügt. Denn die Entgeltordnung ist gekündigt, der Wechsel in die direkte Förderung zum 1. Januar 2022 unaufschiebbar. Es wird Forstbetriebsgemeinschaften geben, die ins Bergfreie fallen. Auf der anderen Seite gibt es Forstbetriebsgemeinschaften, die in der jetzigen Kalamität alle Kraft in innere Strukturen stecken müssen. Mittendrin sind die Förster vor Ort, die den Frust der Waldbesitzer zu spüren bekommen. Das kreide ich führenden Mitarbeitern des Landesbetriebs an!
Viele Waldbesitzer sind zudem unzufrieden mit der Krisenbewältigung aus Düsseldorf. Sie auch?
Das Problem der Krisenbewältigung ist, dass Gesetzgebung, Verordnung- und Erlasslage den Normalfall vor Augen hatte. Der Normalfall ist die Förderung der Waldbesitzer in einem Volumen, den die Verwaltung bewältigen, heißt abarbeiten und kontrollieren kann. In einer Krise ist nicht die Höhe der Förder-
summe entscheidend, sondern das, was in der Fläche ankommt. Anders gesagt, man muss die PS auch auf die Straße bringen. Kurzum: Es fehlt schlichtweg Personal für die Fördersachbearbeitung.
Ein anderes Thema ist die Förderrichtlinie Extremwetterfolgen, die in ihrer ersten Fassung in vielen Bereichen praxisfern war. In diesem Zusammenhang denke ich an händisches Entrinden des Schadholzes, eine Nasslagerförderung für Käferholz oder die Tatsache, dass Eigenleistung nicht förderfähig war. Es hat uns ein Dreivierteljahr gekostet, das zu ändern.
Der Waldbauernverband hat auch immer wieder den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in die Diskussion gebracht. Hier hatten wir ein Denkverbot. In anderen Bundesländern wurden beispielsweise „Storanet“-Käferfallen gefördert, wir haben zumindest erreicht, dass sie in NRW nicht verboten wurden.
Was hätte die Landesregierung besser machen können?
Trotz meiner Kritik betone ich: Keines dieser Versäumnisse kann ich an einer Person festmachen. Es liegt ganz klar am System. Das System, bestehend aus Forstverwaltung und forstlicher Förderung, kann eine solche Krise ohne maßgebliche Änderungen nicht bewältigen. Aus einem Forstamt lässt sich kein Krisenstab machen. Ebenso wenig ist der Landesbetrieb Wald und Holz die „Borkenkäfer-Feuerwehr“. Das Umweltministerium ist abhängig vom Finanzministerium und vom Landeshaushalt. Extramittel sind nicht vorhanden. Gelder freizugeben heißt parlamentarische Wege einzuhalten. Heißt auch: In den Sommerferien ist erstmal Parlamentspause. Da schreit der Borkenkäfer natürlich „Juhu, ich liebe den Parlamentarismus“.
Für die Waldbesitzer und Förster, die unerbittlich in der Fläche arbeiten und versuchen den Borkenkäfer zu bekämpfen, ist das frustrierend!
Auf das Wochenblatt-Interview mit Franz Prinz zu Salm-Salm hat Umweltministerin Ursula Heinen-Esser im Leserbrief geantwortet: „Für die gesamte Landesregierung hat die Bewältigung der Waldschäden und dessen Wiederaufbau höchste Priorität“. Kommt diese Zusage in der Fläche an?
Der Waldpakt ist ein wichtiges Zeichen der Landesregierung. Auch deshalb, weil er eine verbands- und gesellschaftsübergreifende Zusammenarbeit für den Wald vorsieht. Zunehmend nimmt diese Kooperation praktische Gestalt an. Ursula Heinen-Esser ist hoch motiviert und im Thema. Für uns als Verband ist sie immer erreichbar.
Unabhängig davon ist aus unserer Sicht die Personaldecke in der Landesforstverwaltung zu dünn. Bestes Beispiel ist die Zusammenlegung von Landesforstchef und Abteilungsleiter. Auch der Landesbetrieb braucht dringend personelle Verstärkung. Aber nicht nur in der Leitungsebene, besonders auch Verstärkung in der Fläche und im Bereich der Förderung. Das gilt für die zentrale Förderstelle in Münster sowie die Förderabteilungen in den Forstämtern.
Zuletzt: Im Herbst stehen beim Waldbauernverband Präsidiumswahlen an. Ihre Stellvertreter scheiden altersbedingt aus. Werden Sie erneut für das Amt des Waldbauernpräsidenten kandidieren?
Wir haben zurzeit einen großen Blumenstrauß an Problemen und Herausforderungen vor der Brust. Den vielen Aufgaben, die daraus resultieren, will ich mich nicht entziehen. Kurz und gut: Ich habe nicht vor aufzuhören. Für den künftigen Vorstand würde ich mir wieder wünschen, personell alle Regionen und Waldbesitzarten abzudecken. Gerne auch mithilfe einer Waldbäuerin.