Für die Sicherung der Koexistenz von Weidetierhaltung und Wölfen in Deutschland reichen der Herdenschutz und Schadensersatzzahlungen allein nicht aus, gebraucht wird auch ein Bestandsmanagement des Wolfs. Das betonte der Umweltbeauftragte des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Eberhard Hartelt, auf der Veranstaltung „Zukunft von Wolf und Weidetierhaltung – Perspektiven von Prävention und Bestandsmanagement“, die der DBV am Mittwoch vergangener Woche „online“ ausrichtete.
Gefahr wahrnehmen
Die Landwirte fühlten sich mit dem Problem allein gelassen, dass der Wolfsbestand hierzulande immer weiter wachse und die Zahl von Übergriffen auf Nutztiere steige, stellte Hartelt fest. Ein Wettrüsten mit Zäunen werde den Konflikt nicht lösen. Der Vizepräsident des Landvolkes Niedersachsen, Jörn Ehlers, stellte klar, dass es nicht darum gehe, den Wolf auszurotten. Um die Weidetierhaltung zu sichern, müsse aber darauf hingearbeitet werden, dass „Wölfe die Anwesenheit von Menschen in der Nähe von Nutztieren mit einer echten und ernsthaften Gefahr assoziieren“.
Bundesweite Regelung
Unterabteilungsleiter Dr. Axel Heider vom Bundeslandwirtschaftsministerium setzt dagegen auf die Unterstützung der Weidetierhaltung durch die Förderung des Herdenschutzes und die geplanten Weidetierprämien. Auch Unterabteilungsleiter Dr. Josef Tumbrinck vom Bundesumweltministerium, bis 2019 Landesvorsitzender des NABU in NRW, unterstrich die Wichtigkeit des Herdenschutzes und erteilte einem Bestandsmanagement des Wolfs eine klare Absage. Dies sei unvereinbar mit dem aktuellen Schutzstatus des Wolfes durch die Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie, so Tumbrinck.
Ferner werde der Schutz des Wolfes von der Europäischen Union nicht regional betrachtet. Ein Bestandsmanagement zum Beispiel nur in Brandenburg sei nicht möglich. Und in ganz Deutschland, das noch zahlreiche Wolfserwartungsgebiete aufweise, sei der Wolfsbestand bisher in keinem guten Zustand. Darüber hinaus erinnerte Tumbrinck daran, dass die EU bereits ein Pilotverfahren wegen der deutschen Wolfspolitik eingeleitet habe. Damit habe man eine Vorstufe zu einem Vertragsverletzungsverfahren erreicht.
Modell zur Regulierung des Wolfsbestandes
Der Geschäftsführer des Forums Natur Brandenburg, Gregor Beyer, stellte ein von den Verbänden im Aktionsbündnis Forum Natur und Wildbiologen erarbeitetes Modell zur Regulierung des Wolfsbestandes vor. Es baut auf der Ermittlung der „Geeignetheit der deutschen Wolfslebensräume“ auf und verschneidet diese mit dem vorhandenen Bestand. Dabei würden die offiziellen Wolfszahlen und entsprechende Gutachten des Bundesamtes für Naturschutz genutzt, erläuterte Beyer.
Basierend auf diesen Daten werde ein „Akzeptanzbestand“ für Wölfe ermittelt, der vor dem Hintergrund sozio-ökonomischer Faktoren als maximal tolerierbarer Bestand zu betrachten sei. Dazu werde zunächst die Zahl an Wölfen bei einer Besetzung aller für diese Tierart geeigneten Gebiete errechnet, im Anschluss die Populationsgröße bei einem Besatz von lediglich 60 % der geeigneten Gebiete. Aus beiden Werten werde dann der arithmetische Mittelwert errechnet. Er bilde den Akzeptanzbestand des Wolfes ab. Aus dessen Differenz zum tatsächlichen Wolfsbesatz im Untersuchungsgebiet ergebe sich die Entnahmequote.
Das Modell wurde laut Beyer zunächst für das Land Brandenburg durchgerechnet, da in diesem mittlerweile weltweit die höchste Wolfsdichte vorherrschen würde. Herausgekommen sei, dass in dem Bundesland vom Wolfsjahr 2022/23 an insgesamt 80 Wölfe pro Jahr entnommen werden müssten, damit sich die Anzahl der Tiere langfristig auf den tragbaren Bestand von rund 510 Wölfen einpegeln könne.
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