Gibt es einen gesetzlichen Anspruch auf Wildschadenersatz im Wald?
Nach §§ 29 ff. Bundesjagdgesetz hat derjenige Anspruch auf Schadenersatz, dessen Grundstück durch Schalenwild, Wildkaninchen oder Fasanen beschädigt wurde. Allerdings können die Länder bestimmen, dass die Wildschadenersatzpflicht auch auf anderes Wild ausgedehnt wird.
Ist der Schadenersatz beschränkt auf die Hauptbaumarten?
In der Regel werden nur Schäden an den Hauptbaumarten entschädigt. Das sind Baumarten, die mindestens einen Anteil von 5 % an der Baumartenzusammensetzung des Kreisgebiets haben. Die Jagdgenossenschaften dürfen aber im Jagdpachtvertrag individuelle Regelungen treffen. Grundsätzliches Ziel sollte aber sein, dass sich der Wald ohne Schutzmaßnahmen natürlich verjüngen kann.
Verbiss, Fege, Schäle – werden die Schäden gleich bewertet?
Es gibt hierzu keine verbindliche Regelung und auch keine aktuelle Rechtsprechung, die uns eine Richtung vorgibt. Der Deutsche Forstwirtschaftsrat hat diesbezüglich einen Kriterienkatalog aufgestellt, nach dem in NRW gearbeitet wird. Daraus ergibt sich die Faustregel: Es müssen ausreichend viele Pflanzen unverbissen bleiben.
In der Praxis sollten für einen Schadenersatzanspruch mindestens 20 % der Pflanzen verbissen sein. Bei der Bewertung wird zwischen Verbiss-, Fege-/Schlagschäden an Jungpflanzen und Schälschäden an Bäumen unterschieden. Grund dafür sind unterschiedliche Bewertungsansätze.
Und wie werden die Schäden konkret bewertet?
Das Grundprinzip der Bewertung einer geschädigten Pflanze berücksichtigt die Kosten für die Ersatzbeschaffung sowie die Kosten für die Ersatzpflanzung. Hinzu kommt pro Jahr der bisherigen Standzeit ein 5%iger Pflegezuschlag – auf Pflanzkosten und Pflanze. Damit sollen die höheren Pflegekosten pauschal ausgeglichen werden. Außerdem gibt es einen einmaligen 10%igen Nachbesserungszuschlag für mehraufgewendete Kosten zur Pflanzenbeschaffung und Pflanzung. Denn Kleinmengen sind oftmals etwas teurer als Großmengen. Zudem soll der Zuschlag den erhöhten Pflanzaufwand berücksichtigen, wie das Aufsuchen der ausgefallenen Pflanzen auf der Fläche. Abschließend wird der bisherige Wertzuwachs auf der Basis von Baumschulpreisen in Form einer Wertdifferenz entschädigt.
Thema Mischwald – wie wird die Entmischung eingeschätzt?
Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 4.11.2010 (III ZR 45/10, juris) dem Grunde nach sowohl Kulturreinigungskosten als auch Entmischungsschäden als anerkennungsfähige Schäden bewertet. Die konkrete Höhe stellt dann im gerichtlichen Verfahren jeweils ein Sachverständiger fest.
Sind auch Wildschäden ersatzpflichtig, obwohl der Jagdpächter Schutzmaßnahmen getroffen hat?
Die Schäden sind trotz getroffener Schutzmaßnahmen ersatzpflichtig. Es sei denn, der geschädigte Waldbesitzer hat die vom Jagdausübungsberechtigten getroffenen Maßnahmen zur Abwehr von Wildschaden unwirksam gemacht. Das bedeutet beispielsweise Verbissschutzmanschetten entfernt oder Zäune bzw. Gatter beschädigt.
Oft hört man: Wildschadenersatz im Wald? Das gilt für uns nicht! Wieso diese Einschätzung vieler Revierpächter?
Bisher spielten Wildschäden im Wald bzw. an Forstkulturen oder der Naturverjüngung keine große Rolle. Das Thema hat im Rahmen der Wiederaufforstungen nach dem Sturm Kyrill 2007 richtig Fahrt aufgenommen. Dabei ist die gesetzliche Regelung eindeutig.
In der Praxis werden Verbiss- und Fegeschäden oftmals vom Eigentümer hingenommen – auch aus Unkenntnis.
Wann muss der Waldbesitzer eigentlich den Wildschaden anmelden und wie läuft das Verfahren ab?
Genau wie in der Landwirtschaft wird ein forstlicher Wildschaden der Gemeinde gemeldet. Der wesentliche Unterschied: Die Meldung erfolgt halbjährlich. Das bedeutet, die im zurückliegenden Winter entstandenen Wildschäden können Betroffene bis zum 1. Mai melden. Wildschäden aus dem zurückliegenden Sommer bis zum 1. Oktober eines jeden Jahres. Die weitere Prozedur ist wieder dieselbe wie in der Landwirtschaft. Als Wildschadenschätzer werden Forstsachverständige bestellt.
In der Landwirtschaft gibt es spezielle Bewertungssätze – in der Forstwirtschaft auch?
Pauschale Bewertungssätze wie bei landwirtschaftlichen Kulturen – Weizen, Gerste oder Silomais – gibt es in der Forstwirtschaft nicht. Dafür sind die Bewertungsansätze zu unterschiedlich. Es gibt aber länderspezifische Bewertungssätze. Sie berücksichtigen unter anderem die Pflanz- und Kulturkosten sowie die Pflege. In der Praxis werden die Schäden immer mithilfe von Stichproben direkt in der betroffenen Fläche ermittelt. Dafür kann es nötig sein, dass der Waldbesitzer für die Schadensschätzung Angaben und Unterlagen zur bepflanzten Flächen, Pflanzzahlen sowie den Pflanzen- und Pflanzungskosten bereitstellt.
Werden bei einem Pächterwechsel Wildschadenersatzansprüche einfach auf null gestellt?
Im Idealfall gibt es bei einem Pächterwechsel eine Übergabe gemeinsam mit dem bisherigen Revierpächter, dem neuen Pächter sowie dem Eigentümer bzw. dem Vorstand der Jagdgenossenschaft. Dabei sollten besonders verbissgefährdete Revierteile gemeinsam in Augenschein genommen und ein „Status Quo“ festgelegt werden.
Wie können Waldbesitzer ihren Ersatzanspruch bestmöglich absichern?
Beim Jagdpachtvertrag gilt die sogenannte Vertragsfreiheit. Demnach kann der Eigentümer bzw. die Jagdgenossenschaft eigene Zielvorgaben im Pachtvertrag vereinbaren. Diese sind hilfreich, sollten den Revierpächter aber ausreichenden Freiraum für die Jagdausübung lassen. Ein Beispiel: ein zeitlich begrenzter Mindestabschuss für Rehwild. Grundsätzlich sollte der partnerschaftliche Gedanke im Vordergrund stehen.
Einige Waldbesitzer fordern angesichts der Wiederaufforstung Pirschbezirke statt ganzer Jagdbezirke zu verpachten. Was ist der Unterschied?
Eigentliches Ziel sind langfristige Jagdpachtverträge von neun bis zwölf Jahren. Besonders in Rotwildgebieten ist diese Langfristigkeit für eine artgerechte Bewirtschaftung des Wildbestandes dringend nötig.
In begründeten Fällen, beispielsweise einer Kalamität, erlaubt das Landesjagdgesetz in § 9 (2) eine Verkürzung der Pachtdauer auf mindestens fünf Jahre.
Der Begriff des Pirschbezirks ist ja gesetzlich nicht definiert. Pirschbezirke unterscheiden sich einerseits durch ihre Flächengröße und sind meist sehr viel kleiner als der eigentliche Jagdbezirk. Zudem ist die Vertragslaufzeit im Vergleich zu einer Jagdpacht deutlich kürzer, in der Regel zwölf Monate.
Die Vergabe von Pirschbezirken verstößt nicht gegen die gesetzlich geregelte Mindestdauer für die Jagdverpachtung. Bei der Jagdpacht wird das Jagdausübungsrecht in Gänze auf den Pächter übertragen. Beim Pirschbezirk wird dem Vertragspartner nur auf einer kleineren Fläche das Recht eingeräumt, die Jagd auszuüben. Letztlich ist der Inhaber eines Pirschbezirkes rechtlich gesehen ein Jagdgast. Die rechtliche Verantwortung verbleibt demnach beim Eigentümer bzw. bei der Jagdgenossenschaft.
Mit der Vergabe von Pirschbezirken bietet sich die Möglichkeit, motivierten, aber weniger solventen Jägern eine Jagdmöglichkeit zu bieten. In der Praxis hat sich das oftmals bewährt. Auch die Jäger selber können von so einem System profitieren, da sie, quasi als Vorbereitung auf eine mehrjährige Pacht, für sich prüfen können, ob sie Verantwortung für ein Revier übernehmen wollen.
Weitere Infos des Deutschen Forstwirtschaftsrates zum Thema finden Sie hier.