Die Kernbotschaft der Studie lautet sinngemäß „Die Wirtschaft in den Veredlungsregionen kann weiterwachsen, auch wenn die Viehdichte stark reduziert wird. Das wird durch ein Wachstum in anderen Wirtschaftsbereichen kompensiert“. Welche Branchen könnten das ganz konkret sein?
Die Einschätzung geht auf zwei Argumente zurück: Erstens gibt es in den untersuchten Regionen Branchen und Unternehmen, die unabhängig von der Vieh- und Fleischwirtschaft stark wachsen. Dazu gehören der Dienstleistungssektor, aber auch die Bauwirtschaft und das verarbeitende Gewerbe.
Zweitens gibt es möglicherweise Kompensationseffekte, weil die Vieh- und Fleischwirtschaft knappe Ressourcen beansprucht. Welche Branchen profitieren, ist lokal unterschiedlich. Wir beobachten das vor allem für den Dienstleistungssektor, die Bauwirtschaft und das „einfache“ verarbeitende Gewerbe, wie etwa der Metallverarbeitung. „Einfach“ bedeutet, dass es wenig Beschäftigte mit akademischer Ausbildung gibt und die Forschungsintensität relativ gering ist.
Sie sagen, dass der Wandel erfolgreicher wäre, wenn die Politik sowie die Vieh- und Fleischbranche nicht an alten Zielbildern festhalten würde. Was meinen Sie damit konkret?
Wir meinen die Zielbilder, die sich aus einer Konzentration auf Wachstum der Vieh- und Fleischwirtschaft und somit Größeneffekte ergeben. So ist ein Standort für Mastbetriebe dann interessant, wenn es dort einen oder mehrere Schlachtbetriebe gibt. Andersherum sind diese davon abhängig, dass es in ihrer Umgebung genug Mastbetriebe gibt.
Da die betriebsinternen Größeneffekte weiter zunehmen, dreht sich das „Konzentrationskarussell“ immer weiter – und alle müssen immer weiterwachsen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die erzeugte Ware ist für den Massenmarkt und steht im starken Kosten- und Preiswettbewerb. Der Wunsch, diese Maschinerie am Laufen zu halten, bezeichnen wir als „Festhalten an alten Zielbildern“.
Was schlagen Sie stattdessen vor?
Die gesellschaftlichen und ökologischen Rahmenbedingungen haben sich geändert, auch das Verbraucherverhalten. Heißt: Alte Geschäftsmodelle stoßen an Grenzen. Wir sind überzeugt, dass es gutes und erfolgreiches unternehmerisches Handeln sein kann, das rechtzeitig zu erkennen und mit den in erfolgreichen Jahren erwirtschafteten Ressourcen neue Wege zu gehen, um auch künftig erfolgreich tätig zu sein.
Das klingt abstrakt: Was fordern Sie genau?
Wir stellen keine Forderungen. Wahrscheinlich ist es aber ungeschickt, sich dem anstehenden Wandel entgegenzustemmen. Besser wäre es doch für alle Betroffenen, den Wandel selber mitzugestalten. Für die öffentliche Verwaltung kann das zum Beispiel bedeuten, neue Infrastrukturen und Bildungsangebote zu schaffen. Manchmal braucht es auch Mut, sich über einflussreiche etablierte Interessen hinwegzusetzen, damit neue Ideen Freiraum erhalten.
Im Fazit sprechen Sie von einer „unausweichlichen strukturellen Transformation …, die nach Möglichkeit in einer positiven konjunkturellen Phase forciert werden sollte.“ Aktuell wächst Deutschlands Wirtschaft aber kaum. Sind Ihre Schlussfolgerungen hinfällig?
Zwar ist das Bruttosozialprodukt deutschlandweit zuletzt kaum noch gewachsen. Doch erstens sieht das regional sehr unterschiedlich aus. Und zweitens entwickelt sich der Arbeitsmarkt weiter weitgehend stabil, auch in den untersuchten Regionen.
Unsere Schlussfolgerungen sind damit nicht hinfällig. Vielmehr ist mit der Empfehlung, den Wandel in positiven konjunkturellen Phasen zu unterstützen, gemeint, damit nicht noch länger zu warten. Weitsichtige Unternehmen und Beschäftigte ziehen besser früher als später ihre Konsequenzen. Dann ist auch die Region gut aufgestellt, sollte es wirklich zu einer Wirtschaftskrise kommen.
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