Lebensmitteleinzelhandel

Rindermast: Labelchaos in Haltungsform 3

Die Nachfrage vom Einzelhandel nach frischem Rindfleisch aus Haltungsform 3 scheint groß. Doch viele Rindermäster sind verunsichert. Manche fühlen sich regelrecht in entsprechende Programme gedrängt.

Discounter wie Aldi und Lidl, aber auch die Vollsortimenter wie Edeka machen mächtig Druck. Sie wollen frisches Rindfleisch aus Haltungsform 3 anbieten. Die groben Anforderungen dafür:

  • Ab 400 kg Lebendgewicht 4 m2 Platz je Bulle.
  • Haltung im Offenfrontlaufstall.
  • Futtermittel ohne Gentechnik.
  • Tiergesundheit: Befunddatenerfassung am Schlachthof, Antibiotikamonitoring.
  • Kontrolle, mindestens einmal jährlich.

Der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) möchte Haltungsform 1, also den Standard nach QS, gerne dauerhaft auslisten. Positiv zu bewerten ist jedoch, dass sich der LEH zur deutschen Ware bekennt. Das erklärte Theresa Averbeck, Referentin für Rindfleischerzeugung beim WLV, bei der Veranstaltung von „WLV Next Generation“ vergangene Woche in Havixbeck.

Verschiedene Programme

Rindermäster berichteten, dass Schlachtunternehmen und Viehhändler sie gezielt zum Wechsel zu Haltungsform 3 auffordern. Die Aufschläge bewegen sich momentan um die 22,7 Cent/kg Schlachtgewicht. Für Landwirte mit Rindermast in Altgebäuden mit Spaltenboden bedeutet die Umstellung auf die höhere Haltungsform häufig, dass sie weniger Bullen pro Bucht halten können. „Das rechnet sich doch nicht mit dem aktuellen Zuschlag“, machte ein junger Mäster seinem Ärger Luft.

Hinzu kommt ein weiteres Dilemma. Dazu Averbeck: Die Zahl der Programme in Haltungsform 3 für Rindermäster steigt ständig. Jeder Schlachthof und Einzelhandel lege ein eigenes Programm auf. „Die Situation ist momentan nicht zufriedenstellend: Jedes Programm hat andere Kriterien und jeder Landwirt wird anders bezahlt“, ärgerte sich die WLV-Mitarbeiterin.

Die Rindermäster vor Ort stellten die Fragen: Wie viel Verlässlichkeit bietet der Handel wirklich? Momentan scheint die Dynamik für die Haltungsform 3 groß, doch ist die Nachfrage dauerhaft?

Nur, wenn es sich rechnet?

Für Matthias Lambers vom Beratungsring Osnabrück ist die Lage eindeutig: „Wer die Kriterien für Haltungsform 3 sowieso auf seinem Betrieb umsetzen kann, für den stellen die Programme positive Nebeneffekte dar und diese sollte er mitnehmen.“

Anders sehe es aber bei etlichen konventionellen Spaltenställen aus. „Muss mehr als ein Bulle aus einer Bucht entfernt werden, um das geforderte Platzangebot von 4 m2/Endmastbulle zu erreichen, rechnet sich die Umstellung zu den aktuellen Zuschlägen nicht“, erklärte Lambers.

Er könne sich zudem nicht vorstellen, dass es nach Ostern keinen Markt mehr für Jungbullen aus Haltungsform 1 und 2 geben soll. Denn im Zuge des Strukturwandels könnten Bullen in den nächsten Jahren noch knapp werden.

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