So viele Menschen werden den neuen Düsser „Schweinestall der Zukunft“ wohl kaum wieder gleichzeitig von innen sehen. Schließlich sollen voraussichtlich Anfang Mai die ersten Ferkel in den beiden Außenklima-Gebäuden einziehen. Gleichzeitig beginnt die Landwirtschaftskammer dort mit Versuchen und Erprobungen. Der Blick in den Stall wird daher künftig hauptsächlich vom Besuchergang bzw. -balkon aus möglich sein, die dafür extra angelegt wurden.
Bei den Praktikertagen auf Haus Düsse konnten die insgesamt 700 bis 800 angereisten Landwirte sich die Buchtenaufteilung, die Fütterungs- und Entmistungstechnik sowie die zahlreichen Besonderheiten des Neubaus aber noch aus unmittelbarer Nähe ansehen und die Kammermitarbeiter sowie die am Bau beteiligten Unternehmen zu den Einzelheiten des Stalles befragen.
Zahlreiche Fragen zum Stall
Und Fragen gab es etliche, nachdem Dr. Thorsten Klauke und Tobias Scholz von der Landwirtschaftskammer die Intention des neuen Stalles und seine Einbindung in die Nutztierstrategie des Landes NRW erläutert hatten. Unter anderem interessierten sich die Praktiker für folgende Punkte:
- Stallkonzept und Haltungsform?
Der Zukunftsstall besteht aus zwei Teilen. Der „evolutionäre“ Stall 1 ist eine Weiterentwicklung derzeitiger, konventioneller Haltungssysteme zu einem Frischluftstall der Haltungsform 3. Die Tiere liegen in zwei wärmeisolierten, gemauerten Gebäuden mit größenverstellbaren Buchten und können durch Rüsseltüren in den dazwischen positionierten Aktivitätsbereich mit Außenklima (keine Wände, nur Jalousien und Windschutznetze) wechseln.
Der „revolutionäre“ Stall 2 sorgt allein schon durch seine Glasdachkonstruktion und den großen Luftraum für Diskussionsstoff. Die Tiere liegen in Kisten mit klappbarem Deckel und Fußbodenheizung. Kot und Harn werden durch ein als „Schweinetoilette“ genutztes, perforiertes Förderband weitgehend getrennt. Zudem gibt es einen Wühlgarten mit Holzhackschnitzelfüllung und einen bepflanzten Grünbereich.
- Tierplätze und Baukosten?
Im Stall 1 finden etwa 350 bis 400 Schweine Platz, in Stall 2 rund 250 Tiere. Man könne aber die vom Land NRW zur Verfügung gestellten 3,9 Mio. € nicht einfach durch diese Zahl dividieren, um die Baukosten je Mastplatz zu ermitteln, gab Tobias Scholz zu bedenken: Der Neubau diene schließlich nicht nur der Fleischerzeugung, sondern sei vor allem Ausbildungs- und Demonstrationsstall mit zahlreichen Projektvorhaben. Außerdem sei auf Haus Düsse aufgrund rechtlicher Vorgaben viel Zeit und Geld in Planung, Ausschreibung und Auftragsvergabe geflossen.
- Fördermittel für Außenklimaställe?
Die Landwirte fragen sich unterdessen, wie ein Umbau der Tierhaltung überhaupt finanziell gestemmt werden soll. Hier verwies Landwirtschaftskammer-Stallbaufachmann Bernhard Feller auf das neue Bundesförderprogramm des Berliner Landwirtschaftsministeriums (siehe Wochenblatt-Folge 8/2024, S. 33 ff „Fördergeld für Tierwohlställe“ bzw. www.wochenblatt.com).
Mit dem Programm will die Bundesregierung den Umstieg in höhere Haltungsformen fördern – jedoch erst ab Haltungsform 3 aufwärts. Die Investitionszuschüsse liegen je nach Bauvorhaben zwischen 60 und 30 %. Und auch die laufenden Mehrkosten können gefördert werden. Allerdings sind einige Förderbedingungen in konventionellen Betrieben nur schwer zu erfüllen.
- Hackschnitzel im Wühlbereich?
In Stall 2 steht den Schweinen ein großzügiger Hackschnitzelbereich zur Verfügung. Wie gut die Tiere diesen annehmen, wie stark sie ihn verkoten und wann das Material ausgetauscht werden muss, werden die nächsten Monate zeigen. Die Mikrobiologie des Hackschnitzelbettes soll jedenfalls wissenschaftlich untersucht werden und das Emissionsverhalten ebenfalls.
- Wie hoch ist der Arbeitsanfall?
Einige Praktiker wollten wissen, wie hoch der Arbeitsanfall in dieser Form der Schweinemast ist. „Noch könne man dazu wenig sagen“, lautete die Antwort der Düsser Stallplaner. Hier dürfte aber viel davon abhängen, wie gut die Schweine die planbefestigten Liegebereiche bestimmungsgemäß annehmen und wie sauber diese bleiben.
Versuche zu Umwelt und Tierverhalten
Wenn in Kürze die ersten Ferkel einziehen, starten zeitnah die ersten Versuchsprojekte. Unter anderem will die Landwirtschaftskammer die Emissionen und das Tierverhalten/Tierwohl in Ställen mit verschiedenen Funktionsbereichen unter die Lupe nehmen. Dabei geht es beispielsweise um die Umwelteffekte des Hackschnitzelbettes mit Unterflurabsaugung.
Gespannt sind die Fachleute aber auch auf die Potenziale der Künstlichen Intelligenz (KI) bei der Früherkennung von Tiergesundheitsproblemen oder als Managementhilfe zur Beurteilung des Tierverhaltens. Zu diesem Zweck sollen in Kürze die Systeme „SoundTalks“ und „VetVise“ im neuen Stall erprobt werden, erklärte Kammermitarbeiterin Dr. Astrid van Asten. Die automatische Auswertung der Videosequenzen könnte dann beispielsweise frühzeitige Hinweise auf ein beginnendes Schwanzbeißgeschehen und dessen Hintergründe liefern.
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