Rund 25 Jahre war Hendrik Stolze begeisterter Mutterkuhhalter. In Spitzenzeiten umfasste seine Herde 45 Mutterkühe zuzüglich Nachzucht. Doch vor rund vier Monaten haben die letzten 27 Kühe der Rasse Uckermärker den Betrieb des 51-Jährigen verlassen. Der Grund: Wölfe, genauer gesagt das Burgdorfer Rudel.
Stolze bewirtschaftet einen Biobetrieb mit Direktvermarktung in Schwüblingsen, einem Ortsteil der Gemeinde Uetze, rund 30 km östlich von Hannover. Neben 120 ha Ackerbau und 30 ha Grünland gehört zum Betrieb eine umfangreiche Tierhaltung: rund 100 Mastbullen, 270 Mastschweine, 1000 Legehennen, 2000 Masthähnchen, über Sommer zudem jeweils rund 500 Enten und Gänse – und bis September 2021 die besagte Mutterkuhherde.
Gefahr durch Burgdorfer Wolfsrudel
Doch rund 1 km nordwestlich des 600-Seelen-Dorfes Schwüblingsen beginnt das Burgdorfer Holz – und mit dem 2500 ha großen Waldgebiet das „Kerngebiet“ des Burgdorfer Wolfrudels. Seit 2020 ist dieses offiziell bestätigt. In dem Jahr hatte das Wolfspaar acht Welpen. Im selben Jahr kam es in der Region Hannover vermehrt zu Übergriffen auf Nutztiere. 2021 wurde die Geburt von sechs Wolfswelpen bestätigt.
„Hauptgrund, dass ich die Mutterkuhhaltung aufgegeben habe, war nicht die Sorge, auf der Weide ein gerissenes Kalb zu finden. Damit wäre ich klargekommen“, sagt Stolze. Seine größte Sorge war, dass die Herde wegen der Wölfe den Zaun hätte durchbrechen können und dann verstreut im Wald unterwegs gewesen wäre. „Wie hätten wir die Tiere wieder einfangen können? Rinder verwildern schnell. Und woher überhaupt die Leute dafür nehmen?“ Auf alle diese Fragen fand Stolze keine Antworten.
Zaunpflege nicht leistbar
Und es kam ein weiterer Aspekt hinzu: Einen guten Wolfsschutz für Rinder sollen Elektrozäune mit fünf Litzen bieten, die unterste Litze 20 cm über dem Boden – so zumindest die offizielle Empfehlung. „Doch wie soll ich bei unserem Betrieb mit 32 km Zaunlänge diesen freihalten? Mit dem Freischneider wäre da eine Vollarbeitskraft von Mai bis in den Herbst mit beschäftigt. Das rechnet sich nicht“, betont der Landwirt. „Da nützt es auch nicht, wenn der Zaun zu 100% gefördert wird, Aufbau und Pflege des Zauns jedoch nicht. „Das kann kein Tierhalter leisten.“
Mutterkuh ausgebrochen
Die meisten Mutterkühe konnte er als Zuchttiere verkaufen. Nur vier Schlachtkühe blieben übrig, die auf einer Weide 1,5 km vorm Ort in Richtung Burgdorfer Holz liefen. „Genau an dem Tag, an dem wir in der Nacht zuvor die Zuchttiere verladen hatten, erhielt ich morgens die Information, dass eine der Kühe ausgebrochen sei“, berichtet Stolze. Der Elektrozaun war in Ordnung. „Vermutlich war die Kuh über ihn gesprungen.“ Doch was auffiel: Alle Kühe schauten in Richtung Wald. „Und als wir die Kuh wieder in der Weide hatten, fand ich dort eine Afterklaue.“ War ein Wolf in der Weide gewesen? „Für mich war dies die Bestätigung, dass wir alles richtig gemacht hatten.“
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