Mehr als 10 000 km ist Arne Herdieckerhoff durch Uganda gefahren. Dabei saß er meist selbst am Steuer eines Jeeps. An Linksverkehr und Schlaglöcher so groß wie Badewannen denkt er heute mit einem leicht mulmigen Gefühl zurück. „Es rumst ganz schön, wenn man mit 130 km/h in ein Schlagloch fährt“, erinnert sich der Landwirt aus dem Kreis Höxter.
Herdieckerhoff lebte von August bis Oktober 2022 in Uganda. Über ein Austauschprogramm der Schorlemer Stiftung des Deutschen Bauernverbandes hat er gemeinsam mit seinem ugandischen Chef Gewächshäuser in verschiedenen Landesteilen errichtet und vor allem Tomaten und Paprika gepflanzt.
Speiseplan ergänzen
Aktuell arbeitet der 27-Jährige auf einem Demeter-Betrieb in Nieheim-Holzhausen. „In Uganda lebte ich privilegiert“, erinnert er sich. Herdieckerhoff wohnte auf der Farm seines Chefs Joseph Male im Außenbereich der Hauptstadt Kampala. Dort hatte er sein eigenes Zimmer mit Doppelbett in einem schönen hellen Haus. Ab und zu huschte eine Eidechse an der Wand entlang. Die City der Millionenstadt war etwa zehn Minuten mit dem Bodaboda, wie die dort alles transportierenden Mopeds heißen, entfernt. Sein Chef lebte selbst mehrere Jahre in Japan und den USA. Auf seiner Farm zieht er auf etwa 1,6 ha im Gewächshaus und im Freiland Salat für die Hotels der Hauptstadt.
Außerdem arbeitet Joseph Male für das Unternehmen Holland Greentech. Gemeinsam mit diesem möchte er den Gemüseanbau in Uganda voranbringen. „Auf den Speiseplan der Ugander steht kaum Gemüse. Sie essen vor allem Maismehlbrei und Kochbananen. Eine ausgewogene Ernährung fehlt“, sagt Herdieckerhoff. Bestimmte Vitamine und Nährstoffe fehlen, Mangelerkrankungen treten auf. „Sie verspeisen bis auf Früchte fast nichts roh. Eingefahrene Essgewohnheiten sind oft aber schwierig zu ändern“, sagt er.
Überrascht war er über die Menge des Essens. Mittags gab es meist ein Kilogramm Maismehlbrei mit einer Bohnensoße. Als Fleischbeilage kommt meist Ziege oder Huhn auf den Teller – kleine Knochensplitter inklusive. „Die Metzger zerteilen alles mit der Machete.“
Mehr als 70 % der Bevölkerung leben von der Landwirtschaft. Die meisten essen fast ausschließlich das, was auf ihren eigenen Feldern wächst. Große Teile der sehr jungen Bevölkerung – die Hälfte ist jünger als 15 Jahre – müssen mit weniger als 1,25 $ am Tag auskommen.
Land am Äquator und ohne Küste
Aktuell zählt Uganda etwa 47,3 Mio. Einwohner. Das Klima entlang des Äquators ist tropisch. Es wird nicht zu heiß, bis zu 27 °C. Im Land gibt es zwei Trockenzeiten von Dezember bis Februar und von Juni bis August. Von den 241 037 km² werden 71,9 % landwirtschaftlich genutzt. Hauptkulturen sind Kaffee, Tee, Zuckerrohr, Kochbanane, Baumwolle, Mais, Maniok und Bohnen. Das Wirtschaftswachstum liegt gemessen am Bruttoinlandsprodukt bei ungefähr 4,6 % (2023).
Amtssprache sind Swahili und Englisch. Die meisten Menschen sind Christen. Es gibt aber auch eine große muslimische Minderheit. Das Land erlangte 1962 von den Briten die Unabhängigkeit. Präsident Museveni regiert das Land seit 1986, durchaus mit autoritären Zügen. Der Bürgerkrieg mit Separatisten im Norden ist seit 2007 beendet. Zuletzt kam es wieder zu terroristischen Anschlägen.
In Uganda unterwegs
Über die niederländischen Firma bezog sein Chef Saatgut und Material für die Gewächshäuser. Zu Beginn der Woche planten sie die Touren ins Land und Herdieckerhoff half auf der Farm seines Chefs. Er selbst hat viele Erfahrungen mit Sonderkulturen in Deutschland gemacht. Der Ostwestfale stammt von einem Betrieb, der Johannisbeeren anbaut, und hat seine Ausbildung auf einem Demeter-Betrieb mit Schwerpunkt auf Gemüse bei Würzburg absolviert. „Im Vergleich zu Deutschland ist es Wahnsinn, wie schnell alles in Uganda wächst“, erinnert er sich. Zwei Ernten im Jahr gehören zum Beispiel beim Mais dazu. Er selbst hatte sich einen Garten mit Zuckererbsen und Basilikum aus Deutschland angelegt.,
Immer mittwochs ging es mit dem Jeep raus ins Land. Herdieckerhoff und sein Chef steuerten sogenannte Community Projects an. Das sind Projekte der Entwicklungszusammenarbeit an Schulen und in Dörfern. Gemeinsam mit den Einheimischen häufte er Dämme an, verlegte Bewässerungen und errichtete Gewächshäuser. Bis zu 5000 Tomaten und 3000 Paprika pflanzte er pro Projekt. Hinzu kamen Weiß- und Rotkohl.
Viel Handarbeit gehört in Uganda zum Alltag. Vor allem im Süden des Landes hacken sie mit einer gerade mal hüfthohen Harke, immer gebückt. „Ich habe sie gefragt, warum sie nicht einfach einen längeren Stiel nutzen. Ihre Antwort: Wer sich nicht bückt, arbeitet nicht.“ Durch den niedrigen Technisierungsgrad gibt keine Maschine den Takt vor. „Die Arbeitsmoral ist entspannter als in Deutschland“, berichtet Herdieckerhoff. „Es wird viel erzählt und gelacht.“ Übernachtet hat er während der Touren vor allem in Hotels. „Manche hatten fließendes Wasser, andere nicht.“
Je nördlicher, desto trockener
Im Westen des Landes, nahe des Ruwenzori-Gebirges, liegen sehr fruchtbare Böden. Vulkane prägen bis heute diese Region. „Dort waren wir auf über 1500 m“, erzählt er. Gorillas leben dort noch in freier Wildbahn. Die Bauern bauen Bananen, Kaffee, Süßkartoffeln und Mais an. Manche halten auch einige Milchkühe.
Herdiekerhoff wurde bei seinen Besuchen von den Kindern nahezu überrannt. „Ich war vermutlich der erste Weiße, den sie sahen“, sagt er und ergänzt: „In Kampala galt ich hingegen für viele als potenzielle Geldquelle. Fast jeder versucht, mir etwas zu verkaufen.“
Zwei Regenzeiten im Jahr prägen große Teile des Landes. Das taktet Aussaat und Ernte. Der Klimawandel führt aber dazu, dass es auch während der Trockenzeit mittlerweile starke Regengüsse gibt. „In Kampala bilden sich Flüsse“, erinnert sich Herdieckerhoff. Außerdem fluten sie das Geerntete. Unter anderem das führt zu großen Lagerverlusten. Je weiter man in den Norden kommt, desto trockener wird es. Die grünen Hügel gehen in Savanne über. „100 km lange Zäune halten dort Paviane und Löwen von den Farmen des Präsidentensohnes fern“, erinnert Herdieckerhoff sich.
Der blaue Nil strömt durch den Norden, ist dort aber zu wild für Schiffe. Dort hat sich Herdieckerhoff während seines Aufenthalts mit Malaria infiziert. Mit Notfalltabletten war die Krankheit aber gut in den Griff zu bekommen. Was ihn eher beunruhigte, war der Ausbruch des tödlichen Ebola-Virus. „Da wurde ich schon etwas nervös. Kein Vergleich zu Corona“, erzählt er.
Die Zeit in Uganda liegt mittlerweile anderthalb Jahre zurück. Gerne wäre er damals länger geblieben. „Nach einem Monat fängt man an, allein das Haus zu verlassen. Nach zwei Monaten traut man sich allein auf den Markt. Nach drei Monaten möchte man noch mal drei Monate dranhängen.“
Für jeden, der den Horizont erweitern möchte
Das „International Young Farmers’ Exchange Program“ (kurz: IYFEP) führte die Schorlemer Stiftung 2019 ein. Es ist ein wechselseitiger Praktikantenaustausch zwischen Uganda und Deutschland. Während junge Deutsche für drei Monate auf ugandischen Betrieben leben und arbeiten, kommen junge Landwirtinnen und Landwirte aus Uganda für ein Praktikum nach Deutschland. Das Projekt richtet sich an Studierende und Berufstätige aus dem Agrar- und Gartenbaubereich, die kulturell aufgeschlossen sind und sich für tropische Landwirtschaft interessieren.
Die Austauschrunden finden zweimal jährlich statt, jeweils mit Praktikumsstart im April und August. Die Programmgebühr für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer liegt bei 995 €. Sie enthält Flugkosten, Auslandskranken- und Unfallversicherung sowie die Kosten der Vorbereitungs- und Begleitseminare.
Auf den Austausch der Schorlemer Stiftung des Bauernverbandes nach Uganda ist Arne Herdieckerhoff an der Berufsschule aufmerksam geworden. 2017 hatte er schon einen Monat in Südafrika verbracht. „Ich wollte unbedingt zurück auf den Kontinent“, sagt er. Direkt nach dem Ende der Ausbildung ging es für ihn los.
Im Vorfeld holte er sich sechs Impfungen gegen Tropenkrankheiten. Seminare der Schorlemer Stiftung bereiteten ihn auf die Reise vor. Über sie fand er auch seinen Arbeitgeber.
Herdieckerhoff rät, dass man nicht zu voreingenommen seien soll. „Teilnehmer müssen bereit sein, ihre Komfortzone zu verlassen“, sagt er.
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