Kurz gefasst:
- Ferkelerzeuger setzen vermehrt auf Duroc-Eber. Trotzdem bleiben Piétrains die Vaterrasse Nummer eins.
- Das Sozialverhalten von Schweinen ist züchterisch schwer zu beeinflussen.
- Eine ausreichende Speckauflage kann Stress im Stall reduzieren, zu viel stört aber.
- Beim Eberwechsel gibt es einige Punkte zu beachten – niemals ohne Absprache mit anderen Beteiligten!
GFS = Genossenschaft zur Förderung der Schweinehaltung, Ascheberg
SWE = Schweinebesamungsstation Weser-Ems, Cloppenburg
Markt im Wandel?
Gesundheit und Sozialverhalten sind für 83 % der Schweinehalter in Zukunft die wichtigsten Zuchtziele. Das ergab kürzlich eine Umfrage in einem Online-Seminar mit Landwirten – vermutlich nicht ganz repräsentativ, dennoch aussagekräftig. Aber was bedeutet das für den Markt?
Johannes Korfhage, SWE
Ein Blick auf die Zahlen der Besamungsstationen zeigt zweierlei: Bei den Endstufenebern zeichnet sich ein Trend zu wuchsbetonten und vitalen Ebern ab. Piétrains halten hierbei den größeren Marktanteil. Sie punkten mit überdurchschnittlichen Tageszunahmen und bester Futterverwertung – in Krisenzeiten die effizientesten Parameter, um Kosten einzusparen. „Wuchsbetonte Piétrain-Eber bringen die Anforderungen derzeit am besten in Einklang“, bestätigt GFS-Geschäftsführerin Dr. Meike Friedrichs.
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Die Krux in der Zucht
Einfach zu messende Merkmale mit hoher Erblichkeit wie der Muskelfleischanteil können schnell verbessert werden. Gleichzeitig setzen aber immer mehr Sauenhalter auf besonders robuste und vitale Schweine, um Herausforderungen wie dem Ringelschwanz zu begegnen. Viele Eber bieten schon die genetisch verankerte Stressstabilität. Das Sozialverhalten bleibt aber eine züchterisch anspruchsvolle Aufgabe, denn es fehlt an objektiven Merkmalen dafür.
Dr. Meike Friedrichs, GFS
Algorithmen und genomische Zuchtwerte spielen eine entscheidende Rolle. Kameratechnik und computertomografische Scans am lebenden Tier helfen, das Verhalten unter Umweltbedingungen zu erfassen. Für die Zuchtunternehmen bedeutet das allerdings einen enormen Aufwand. Und sie dürfen die Mast- und Schlachtleistung nicht vernachlässigen. „Ein starker Fokus auf spezielle Eigenschaften kann schnell zulasten anderer Merkmale gehen und die genetische Varianz zu sehr einengen“, warnt SWE-Geschäftsführer Johannes Korfhage.
Hinzu kommt, dass die Genetik nur einen Teil des Sozialverhaltens ausmacht. Im Vordergrund stehen Haltung, Futter und Tiergesundheit.
Viel zu fressen
Trotzdem können entspanntere Ebertypen mit hoher Futteraufnahme sich auszahlen. „Vielfresser wachsen nicht nur schneller. Sie verdauen auch länger, ruhen mehr und bewegen sich weniger. Das reduziert den sozialen Stress in der Bucht“, erklärt Korfhage. „Robuste und wachstumsintensive Eber dürfen allerdings nicht als Lösung für alle Probleme in der Mast verstanden werden“, fügt er hinzu. Die Futterkurven und Nährstoffgehalte müssen vielmehr dem höheren Wachstumsniveau angepasst werden. Wollen Schweinehalter Erlösverluste durch zu hohe Schlachtgewichte verhindern, empfiehlt sich eine wöchentliche Vermarktung und Wiegung der Schlachttiere. Achtung: Durch das enorme Wachstumsvermögen schießen Duroc-Kreuzungen schnell über das optimale Verkaufsgewicht hinaus.
Speck reduziert Stress
Was auf jeden Fall zur Harmonie im Stall beiträgt, ist eine ausreichende Speckauflage. Denn darin speichern die Tiere einen Großteil ihrer Hormone. Diese wiederum vereinfachen den Stoffwechsel und helfen als Botenstoffe, Stress zu kompensieren.
„Bis 14 mm Rückenspeck lassen sich Schlachtschweine über die Autofom-Klassifizierung noch gut vermarkten. Dafür müssen Mäster allerdings gut sortieren können“, erläutert Friedrichs. Eine bestimmte Genetik sieht sie dabei nicht im Vorteil. Es kommt eher auf den einzelnen Eber an. So entwickeln wüchsige Typen nicht immer, aber oft auch eine entsprechende Speckauflage. Sie eignen sich dann besonders für die Außenklima- oder Auslaufhaltung. Auf der anderen Seite reagiert fast jedes Schwein auf Klimareize wie Temperaturschwankungen oder Kälte mit mehr Speck – unabhängig von der Genetik.
Das Verhältnis muss passen
Wichtig ist, dass die Fleischfläche synchron dazu mitwächst. „Ungünstige Relationen zwischen Speck- und Fleischmaß führen zu einer schlechteren Futterverwertung. Neben den höheren Kosten können Schweinehalter das im Zeitalter der Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung schon gar nicht gebrauchen“, macht Korfhage deutlich. Die Richtung stimmt bei allen modernen Ebergenetiken.
Richtig vermarkten
Gegenüber Piétrain-Mastschweinen haben es Duroc-Nachkommen – mit tendenziell weniger Fleisch und mehr Speck – in der Autofom-Klassifizierung schwerer. Mit abgewandelten Masken klappt es schon besser. Aber auch hier kann es Abzüge geben, zum Beispiel durch einen zu leichten Schinken. Für Durocs also möglichst auf einen Schlachthof mit Fom-Maske setzen.
Beim Eberwechsel beachten
Wer über einen Eberwechsel nachdenkt, sollte nicht nur ein paar Tuben ausprobieren. Damit sich die Ergebnisse vergleichen lassen, müssen Ferkelerzeuger und Mäster schon ein paar Monate Zeit investieren.
Vorher und nachher sollten sie den Status Quo anhand für sie wichtiger Parameter erfassen. Das gilt erst recht, wenn für den Eber noch keine Prüfergebnisse seitens der Besamungsstation vorliegen.
Checkliste für den Betrieb
Die neue Ebergenetik sollte außerdem zu den betrieblichen Gegebenheiten passen:
- Mastverfahren (Eber oder Börge);
- Fütterungssystem (ad libitum oder rationiert);
- vorhandene Sauenherde;
- Verkaufsintervall,
- Sortiermöglichkeiten und
- Vorlieben der Mitarbeiter.
Was zählt für wen?
Der Ferkelerzeuger achtet in der Regel besonders auf mögliche Erbfehler, Vitalität, Wachstum und Anzahl der Ferkel. Für den Mäster hingegen sind robuste, homogene Tiere mit hohen Tageszunahmen, fleischreiche Schlachtkörper und niedrige Verluste wichtig.
Dabei geht der Sauenhalter oft in Vorleistung. Mit dem passenden Ebereinsatz schafft er die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Schweinemast. Die beste Lösung dafür ist wohl das geschlossene System. Aber auch unabhängig davon ist ein vitales und robustes Ferkel ein gutes Verkaufsargument.
Die wichtigste Prämisse: Ferkelerzeuger, Mäster und Vermarkter müssen sich abstimmen, bevor zusätzliche Kosten entstehen.
Gleichen die Rassen sich an?
Aber wie stark unterscheiden sich die Eber überhaupt noch? Vielleicht nicht mehr so sehr wie früher. Bei den Duroc-Ebern hat sich die Muskelmasse vergrößert, ohne dass die Tiere zu mager werden. Sie haben sich also in der Fleischleistung verbessert und sind marktkonformer geworden, auch wenn ihre Indexpunkte meist nicht an die der Piétrain-Schweine heranreichen. Moderne Piétrain-Varianten sind dagegen schnellwüchsiger und vitaler geworden.
Metzgervermarktung fällt kaum ins Gewicht
Unabhängig von der Rasse wird es auch in Zukunft darum gehen, marktgerechte Schlachtleistungen zu realisieren. Dazu gehören Wuchs, Fleisch und minimale Tierverluste durch den Einsatz robuster und vitaler Endstufeneber. Besondere Fleischqualitäten bleiben vorerst ein Nischenmarkt und fallen beim verkauften Sperma kaum ins Gewicht.
Bei der Entscheidung helfen Ihnen die Besamungsstationen, Zuchtunternehmen und unabhängige Experten.
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