Wohin entwickelt sich die Schweinehaltung? Das fragen sich alle Beteiligten in der Branche und hoffen, dass Mast und Ferkelerzeugung hierzulande eine wirtschaftlich tragfähige Zukunft haben – ansonsten sieht es schlecht aus mit der heimischen oder gar regionalen Lebensmittelversorgung.
Die jüngste Preiserholung für Schlachtschweine und Ferkel hat immerhin etwas Mut gemacht, auch wenn noch keine Kostendeckung erreicht ist.
Wie soll es weitergehen?
Nicht von ungefähr haben viele Veredlungsbetriebe mittlerweile das sprichwörtliche Handtuch geworfen: Allein 2022 hat sich der Bestand an Mastschweinen und Zuchtsauen deutschlandweit innerhalb eines Jahres um fast 12 % verringert! Und die verbliebenen Betriebe überlegen, wie es langfristig weitergehen kann.
Einige Antworten lieferte die jüngste Baulehrschau-Fachtagung der Arbeitsgemeinschaft für Rationalisierung, Landtechnik und Bauwesen in der Landwirtschaft (ALB) und des Landesbetriebes Landwirtschaft Hessen (LLH) in Bad Hersfeld.
Neue Vermarktungswege
Dort skizzierte Sven Häuser vom DLG-Fachzentrum Landwirtschaft die Rahmenbedingungen wie folgt:
- Weltweit steigt zwar der Bedarf an Schweinefleisch. Dieser wird aber zunehmend von den Produzenten in Asien sowie Nord- und Südamerika gedeckt. Die hiesigen Erzeuger kommen künftig seltener zum Zug.
- Ein Grund dafür sind die steigenden Produktionsauflagen sowie die Tierwohl- und Klimaschutzziele, welche die Schweinehaltung in Deutschland bzw. Westeuropa verteuern. Im Ergebnis müssen sich die heimischen Produzenten überwiegend auf Premiummärkte konzentrieren, auf denen jedoch nicht alle Schlachtkörper-Bestandteile gefragt sind.
- Die Betriebe brauchen daher über kurz oder lang neue Vermarktungswege, um an der Wertschöpfung der Branche teilzuhaben. Das können Absatzschienen mit besonderer Betonung von Tierwohl, Nachhaltigkeit oder Transparenz sein. Auch die Direktvermarktung kann ein solcher Weg sein oder die Erzeugung besonders ausgefallener Produkte.
Erwartung von Verbrauchern
Mehr Tierwohl verbinden die meisten Verbraucher jedoch mit Schweinen an der frischen (Außen-)Luft, die in großräumigen Ställen optimalerweise im Stroh wühlen und liegen können. Nicht von ungefähr sehen die Haltungsformen 3 und 4 deutlich mehr Platz, Außenklima oder Auslauf und organisches Beschäftigungsmaterial bzw. Stroh (mindestens zur Fütterung) vor.
Der Einsatz von Spaltenböden ist auch in den beiden höheren Haltungsstufen indessen nicht ausgeschlossen. Hier kommt es im Einzelfall auf das Tierwohlprogramm an, an welchem der Betrieb teilnimmt. Das ist wichtig, weil viele Landwirte der Schweinehaltung auf Stroh bzw. Festmist skeptisch gegenüberstehen: Sie befürchten hygienische und arbeitswirtschaftliche Nachteile.
Ein Stall – zwei Klimazonen
Es gilt also Systeme zu entwickeln, die Tierwohl mit Arbeitseffizienz verbinden – und das möglichst auch bei einem Umbau vorhandener Ställe. Dazu hatte Hans-Jürgen Ohlhoff vom Verein zur Förderung der bäuerlichen Veredlungswirtschaft (VzF) Uelzen einige Praxisbeispiele und -ratschläge parat.
- Klassische Kammställe können zu Außenklimaställen werden, indem man im vorhandenen Gebäude eine zweite Klimazone schafft: An der Längsseite des Stalles werden dazu die seitlichen Fluchttüren und Fenstern vergrößert und durch Windschutznetze bzw. Lochbleche ersetzt (Achtung Baugenehmigung einholen!). Etwas tiefer im Stall wird eine neue Leichtbauwand eingezogen, um den Kalt- vom Warmbereich zu trennen. Die Schweine wechseln dann durch selbstschließende Türen zwischen Außenklima- und Innenbereich.
- Die vorhandene Buchtenstruktur wird dabei aufgegeben. Das System erfordert große Buchten. Mindestens 0,3 m2 von insgesamt 1,05 m2 Buchtenfläche je Tier müssen zudem im Außenklimabereich zur Verfügung stehen. Nach Ohlhoffs Erfahrung sollte aber besser mit 0,5 bis 0,6 m2 Außenklimafläche je Schwein kalkuliert werden, denn der Bereich wird bei passendem Wetter von den Tieren sehr gerne gemeinsam angenommen.
- Das gilt ebenso für zusätzlich geschaffene Ausläufe. Wer den Außenklimabereich nämlich nicht innerhalb des vorhandenen Stalles schaffen kann oder möchte, benötigt für die Haltungsform 3 und 4 entsprechende Außenklima-Anbauten und eine Genehmigung dafür.
Haltungsform 3 oder 4?
Die Differenzierung zwischen der Haltungsform 3 und 4 machte der VzF-Berater unter anderem am Platzbedarf fest:
- mindestens 1,05 m2/Tier in Stufe 3 und 1,5 m2 in Stufe 4. Außerdem muss das Futter der Schweine in der höheren Haltungsform 4 zu wenigstens 20 % aus eigenem Anbau oder zumindest aus der Region stammen.
- Wenn nicht gerade Vorgaben des Ökologischen Landbaus dagegen sprechen, macht es Sinn, den Auslauf zu überdachen. Das hält den Regen ab und reduziert den Einstreubedarf erheblich. Dieser wiederum ist eine wichtige Stellschraube der Wirtschaftlichkeit, denn das Stroh muss geerntet, gelagert, in den Stall befördert, verteilt und als Mist wieder ausgebracht werden. All das kostet Geld.
- Erfahrungsgemäß koten die Schweine zu 80 % im Außenbereich ab. Das gilt es bei der Planung des Entmistungssystems zu bedenken – vor allem, wenn in Teilbereichen mit Güllekanälen gearbeitet wird (Spülleitungen vorsehen!). Das Entmisten gelingt unterdessen umso schneller, je weniger Equipment dafür aus dem Weg geräumt werden muss. Ohlhoff empfahl deshalb, den möglichst geraden Entmistungsgang durch Betonsockel bzw. -aufkantungen zu begrenzen. Dann bleibt die Stalleinrichtungen länger heil.
Tiergesundheit im Außenklimastall
Wenn künftig mehr Schweine in alternativen Stallsystemen mit Außenklima und/oder Auslauf gehalten werden, erfordert das ein Umdenken bei der Gesunderhaltung der Bestände. Das verdeutlichte Tierarzt Dr. Stefan Wesselmann beim Baulehrschautag von ALB und LLH in Bad Hersfeld. Wesselmann betreibt eine Gemeinschaftspraxis im baden-württembergischen Hohenlohe und hat etliche Kunden mit Außenklimaställen.
„Viel Platz, Luft und Sonne garantieren noch keine gesunden Tiere“, gab der Schweinepraktiker zu bedenken. So sorgt ein guter Luftaustausch zwar für wenig Schadkeime im Stall. Bei zu hoher Luftgeschwindigkeit erkälten sich die Tiere allerdings schnell.
In Ställen mit freier Lüftung spielt die Ausrichtung des Gebäudes eine wichtige Rolle, die sich an der Hauptwindrichtung und Geländetopografie orientieren muss. Auf jeden Fall sind die Tiere vor kaltem Ostwind und Zugluft zu schützen (Tunneleffekte vermeiden, bei Bedarf Windschutznetze einbauen).
Auch die Sonneneinstrahlung hat nicht nur Vorteile: Können sich die Tiere nicht an schattige Plätze zurückziehen, kommt es schlimmstenfalls zu Sonnenbrand mit Entzündungen und Stress. Dieser kann in Aggressionen und Beißereien umschlagen.
Schwierigkeit: Infektionsketten
Eine Herausforderung ist zudem die konsequente Unterbrechung von Infektionsketten. Vor allem bei kontinuierlicher Aufstallung und Entmistung durch Abschieben entlang aller Buchten verteilen sich die Schaderreger im ganzen Bestand.
Das wird insbesondere dann kritisch, wenn es zu Infektionen mit schwer bekämpfbaren Krankheiten wie Dysenterie, aber auch zu erhöhten Salmonellenfunden kommt. Denn die effiziente Reinigung und Desinfektion der Außenklimaställe ist ungleich schwieriger und ihre wirksame Abschirmung gegen Vögel und Schadnager ein Kunststück.
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