Nur ein paar Punkte auf der Leber? Eine längst verheilte Entzündung? Meist steckt mehr dahinter. Organbefunde liefern zwar keine klare Diagnose. „Sie geben dem Tierhalter aber wichtige Hinweise“, stellte Tierarzt Dr. Hendrik Nienhoff kürzlich bei einem Seminar der Landwirtschaftskammer Niedersachsen in Kooperation mit der Biofleisch NRW e. G. aus Bergkamen klar. Am Schlachthof Jedowski in Unna schauten sich morgens alle Beteiligten eine Auswahl an Befunden aus nächster Nähe an.
Beispiele für Schlachthofbefunde
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Regionale Lieferketten
(Bio-)Schlachtungen und Markenfleischprogramme – darauf ist der Schlachthof Jedowski in Unna spezialisiert. Montags, mittwochs und freitags schlachten die rund 50 Mitarbeiter etwa 2500 Schweine. Donnerstags stehen 90 bis 100 Rinder auf dem Programm, dienstags pausiert die Schlachtung für größere Reinigungs- und Wartungsarbeiten. Eine Besonderheit ist die Betäubung per Elektrozange. Klassifiziert wird alles mittels FOM. Für die Schlachthälften geht es dann zur Zerlegung nach Balve und weiter an verschiedene Metzgereien – zumindest zum Großteil.
Einen Teil der Schlachthälften verarbeitet auch die Biofleisch NRW e. G. in Bergkamen. Die Genossenschaft fertigt Verbrauchspackungen für Großkunden an, aber auch kundengerechte Zuschnitte für die Direktvermarktung. Zu etwa 90 % kommen die verarbeiteten Schweine von den eigenen Mitgliedsbetrieben. Besonderheiten sind der Verzicht auf Nitritpökelsalz sowie die Produktion von mehr als 120 Wurstsorten. Neben den Schweinen verarbeitet die Biofleisch NRW e. G. auch Rinder und Geflügel. Insgesamt kommen monatlich etwa 100 t Fleisch- und Wurstwaren zusammen.
Regelmäßig auswerten
Die Erfassung von Befunden nach QS-Anforderungen ist seit 2018 Pflicht für alle Schlachtbetriebe. Der zugehörige Tiergesundheitsindex besteht aus vier Komplexen: Atemwege, Organe, Gliedmaßen und äußere Unversehrtheit. Je höher die Zahl, desto besser ist die Tiergesundheit. Noch deutlicher machen es die Ampelfarben: Rot bedeutet Handlungsbedarf.
Den Quartalsbericht sollte man also nicht einfach abheften, sondern etwa alle drei Monate das zurückliegende halbe Jahr betrachten. Es lohnt sich ein Blick auf die Vergleichsdaten anderer Betriebe, die an denselben Schlachthof liefern.
Was wird bewertet?
Relevante Befunde betreffen Lunge, Herz, Schwanz, Ohren, Liegebeulen über 5 cm Durchmesser, Abszesse und Hautveränderungen. Bei gehäuftem Auftreten in einer Partie oder über einen bestimmen Zeitraum hinweg gehören weitere Organe dazu. Von einer hochgradigen Veränderung spricht man bei Lunge und Brustfell ab 30 %. Die übrigen Organe werden schwarz-weiß betrachtet: verändert oder nicht verändert.
Narben in der Leber
Schäden an der Leber äußern sich durch weiße Flecken, die sogenannten Milkspots. Verantwortlich dafür ist der Spulwurm. Das Schwein nimmt dessen Eier auf, woraus sich Larven entwickeln. Diese fressen sich erst durch die Leber, dann durch die Lunge. Schließlich hustet das Schwein sie hoch und schluckt sie wieder ab. Im Darm entstehen daraus schließlich Würmer. Der gesamte Prozess dauert laut Nienhoff etwa sechs Wochen.
So kommen schnell 4 bis 7 € Verlust pro Schwein zusammen, denn ein Spulwurmbefall verlängert durch schlechtere Zunahmen die Mastdauer. Und er erhöht das Risiko für Lungenentzündungen.
Würmer weit verbreitet
Bereits ab der ersten Vermehrungsstufe lassen sich Spulwürmer in Schweinebeständen nachweisen, weiß Nienhoff von seiner Arbeit beim Schweinegesundheitsdienst in Niedersachsen. Probleme bauen sich langsam auf. Genauso lange dauert es, den Druck wieder herunterzufahren.
Leberbefunde sollten immer unter 10 % liegen – nicht nur in konventionellen, sondern auch in Biobetrieben. An einer regelmäßigen Entwurmung führt deshalb kein Weg vorbei – insbesondere bei Biosauen. Bisher weiß Nienhoff nur von einem Fall, wo eine Kontrollstelle das abgelehnt hat. Und Resistenzen gegen Entwurmungsmittel sind ihm bei Schweinen nicht bekannt.
Bei Sauen empfiehlt er die Behandlung sieben Tage vor der Geburt, weil sie um diese Zeit verstärkt Eier ausscheiden. Für Ferkel ist sechs Wochen nach dem Absetzen ein guter Zeitpunkt, in der Mast drei sowie etwa zehn Wochen nach dem Einstallen. Insbesondere die letzte Entwurmung ist wichtig, um Schlachthofbefunde zu reduzieren.
Achtung bei Bio & Auslauf
Das Problem mit den Spulwürmern: Ihre Eier sind extrem klebrig und haben eine harte Chitinschale. So bleiben sie bis zu vier Jahre ansteckend und widerstandsfähig gegen saure Standard-Desinfektionsmittel – ein echtes Problem für Biobetriebe, wo viele wurmwirksame Mittel nicht zugelassen sind.
Zugelassene Bio-Wirkstoffe
Wo keine Ausnahmegenehmigungen möglich sind, können Landwirte alternativ auf Alkohol, Chlordioxid, Kali- und Natronseifen, Kaliumhydroxid, Natriumhydroxid, Natriumkarbonat, Wasserstoffperoxid oder organische Säuren setzen. Vorsicht ist bei Branntkalk geboten, weil dieser zu Verätzungen führen kann, wenn er nicht richtig abgelöscht ist.
Weitere Risikofaktoren sind eine kontinuierliche oder abteilweise Stallbelegung anstelle eines Rein-Raus-Verfahrens sowie Einstreu und Ausläufe. Durch das Abschieben verteilen sich die Spulwurmeier. Ordentlich säubern ist das oberste Gebot.
Husten trotz guter Luft
Wenn die Schweine keine Probleme mit Leberbefunden haben, dann vielleicht mit vermeintlich plötzlichen Atembeschwerden? Nienhoff kennt zahlreiche solcher Fälle, in denen der Betrieb früher hätte reagieren müssen.
Ein Beispiel: Ein Betrieb beklagte Husten, Auseinanderwachsen und hohe Verluste trotz gutem Stallklima. Bei Saugferkeln entzündeten sich zudem die Gelenke.
Im Nachhinein fiel auf: Leichte Auffälligkeiten gab es in der Zeit davor schon bei den Brustfellbefunden – ein erster Hinweis auf das PRRS-Virus.
Hinzu kamen schließlich Befunde am Herzbeutel. Hier hätte man bei frühzeitigem Hinsehen schon auf Sekundärerreger wie Streptococcus suis, Glässerella parasuis und Mycoplasma hyorhinis schließen können. Eine Impfung war in diesem Fall unverzichtbar. Gegen die Sekundärerreger kamen im Fallbeispiel dann noch Antibiotika zum Einsatz.
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