Die Zahlen für die Landkreise Cloppenburg, Vechta, Oldenburg und Emsland sind besorgniserregend: Im Jahr 2030 könnte die Bruttowertschöpfung der regionalen Landwirtschaft von rund 1,3 Mrd. €um 54 % sinken. Das sind zumindest die Ergebnisse des negativsten Szenarios des Projektes „Transformationsszenarien der Agrar- und Ernährungswirtschaft in Niedersachsen (TRAIN)“.
Dieses wurde vergangene Woche in Oldenburg vorgestellt. Auftraggeber der Studie ist die Oldenburgische Industrie- und Handelskammer (IHK). Sie zeigt mögliche Entwicklungen der Landwirtschaftsbranche im Oldenburger Münsterland. „Für die oldenburgische IHK ist die Agrar- und Ernährungswirtschaft von enormer Bedeutung. 44 % des gesamten Industrieumsatzes im IHK-Bezirk gehen direkt auf die Ernährungsindustrie zurück (2021)“, betonte Jan Müller, Präsident der IHK und machte die große Bedeutung des Sektors als Wachstumsmotor der Region deutlich. Die Ergebnisse der Studie sind auch auf andere Regionen übertragbar.
Szenarien und Folgen
In der vor etwa zwei Jahren gestarteten Studie wurden acht Szenarien entworfen, die mögliche qualitative Entwicklungen der Agrar- und Ernährungswirtschaft und ihrer Umfelder aufzeigen. Dabei sind drei der erwarteten Szenarien besonders charakteristisch. Des Weiteren wurden für die Szenarien konkrete wissenschaftliche Kennwerte in Form von Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekten abgeleitet. Für die drei Szenarien ergaben sich folgende Ergebnisse:
- Szenario 1 „Konsumenten treiben den Wandel“: Die Agrarbranche profitiert vom Wachstum globaler Qualitätsmärkte. Laut Studie könnten sich durch die Bereitschaft für neue und regionale Produkte attraktive Differenzierungspotenziale ergeben. Dabei richte sich die Umsetzung von umweltförderlichen Maßnahmen nach der Wirtschaft, wird also von nachhaltig orientierten Verbrauchern im In- und Ausland getrieben, und nicht seitens der Agrarpolitik.
- Auswirkungen Szenario 1: Die Bruttowertschöpfung im Sektor Landwirtschaft würde von knapp 1,3 Mrd. € (2020) um 20 % im Jahr 2030 sinken. Für die gesamte Bruttowertschöpfung in den Landkreisen wurde ein Rückgang von 4,4 % beziffert. Das ist der geringste Rückgang, erklärte Dr. Jan Wedemeier vom Hamburger WeltWirtschaftsInstitut (HWWI). Das Szenario führe zum Verlust von 20 % der Arbeitsplätze in der Landwirtschaft.
- Szenario 2 „Nachhaltige Agrarwirtschaft mit globaler Perspektieve“: Die Nachfrage nach hochwertigen und umweltgerechten Lebensmitteln steigt. Politik und Gesellschaft wollen eine konsequente Umwelt- und Klimapolitik. In der Agrarpolitik müsste eine grundlegende Transformation stattfinden.
- Auswirkungen Szenario 2: Der Rückgang der Bruttowertschöpfung in der Landwirtschaft könnte 2030 etwa 36 % betragen. Für die gesamte Bruttowertschätzung in den Regionen wurden Einbußen von knapp 8 % kalkuliert. Die Experten sprechen von einem mittleren Rückgang. Dann gingen mehr als 36 % (2030) der Beschäftigungsplätze in der Landwirtschaft verloren.
- Szenario 3 „Agrarwende als ökologischer Alleingang“: Deutschland setzt auf eine nationale, ökologisch orientierte Agrarpolitik. Das bedeutet eine stärkere Förderung extensiver und ökologisch-orientierter Konzepte sowie der Kreislaufwirtschaft, eine signifikante Flächenbegrenzung und langfristige Vorgaben für den Tierschutz. Verbraucher würden ihr Ernährungsverhalten verändern.
- Auswirkungen Szenario 3: In dem negativsten Szenario sinkt die Bruttowertschöpfung in der Agrarwirtschaft 2030 um mehr als 54 %. Das bedeutet für die gesamte Bruttowertschöpfung einen Rückgang von knapp 12 %. Das Szenario würde einen Verlust an Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft von knapp 55 % bedeuten.
Im abschließenden Schritt haben die Akteure der Szenarienentwicklung Handlungsempfehlungen für EU-/Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene abgeleitet.
Handlungsempfehlungen
Die Wissenschaftler empfehlen auf EU-/Bundesebene:
- Bestehende Zielkonflikte lösen: Überfällige Anpassungen im Baurecht, Diskrepanzen zwischen Gesetzen und Inkonsequenz in der Gesetzgebung erschweren der Branche auf gesellschaftliche und politische Forderungen zu reagieren, erklärte Dr. Barbara Grabkowsky, Tafo-Agrar.
- Fördermittel, Strukturhilfen und Kompensationsmechanismen: Beim Umbau der Nutztierhaltung müsse dringend eine Entscheidung zum Finanzierungskonzept getroffen werden.
- Harmonisierung der Rechtsebene: Erst ein abgestimmtes und ineinandergreifendes Rechtssystem kann eine nachhaltige Transformation realisieren.
Zu den Handlungsempfehlungen auf Landesebene gehören:
- Förderung von gesellschaftlicher Akzeptanz für die Landwirtschaft,
- strategische Raumordnung,
- Auflösung bestehender Zielkonflikten zwischen Bundes- und Landesrecht.
Die Landräte Tobias Gerdesmeyer (Vechta) und Johann Wimberg (Cloppenburg) sowie Dirk Kopmeyer, Kreisbaurat im Landkreis Emsland, bekannten sich öffentlich zur Landwirtschaft. Einig waren sich die drei auch darin, dass sie als genehmigende Behörde Gesetze bräuchten, um die Transformation nach vorne zu bringen.
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